Es wird eine besondere Jungfernfahrt, wenn die MS Roald Amundsen im Oktober 2018 von Chile aus in See sticht. Das Expeditionsschiff der norwegischen Reederei Hurtigruten wird die südamerikanische Küste entlang um Kap Horn fahren und dann in die Antarktis aufbrechen. Vom Whirlpool aus werden die Passagiere Gletscher und Pinguine bestaunen.
Doch nicht seine Luxusausstattung allein macht das neue Schiff so besonders – es ist die Technik, die unter Deck im Maschinenraum eingebaut sein wird: mehrere Schränke voller Lithium-Ionen-Akkus. Sie sollen die Dieselmotoren unterstützen – und das 140 Meter lange Schiff mindestens 30 Minuten lang rein elektrisch antreiben. Das gab es auf dem Meer so noch nie.
Die 530 Passagiere werden in völliger Stille durch majestätische Eisberge gleiten. Und für die sensible Natur wird das Ereignis ebenso ein Novum: kein Lärm mehr, der Wale und Robben aufschreckt, kein Ruß, der sich wie ein grauer Schleier auf das weiße Eis legt. „Die Zukunft der Schifffahrt ist ohne Zweifel leise und emissionsfrei“, sagt Hurtigruten-Chef Daniel Skjeldam.
Damit macht die Seefahrt eine Kehrtwende, wie sie der Luftfahrt noch bevorsteht und der Autobranche Probleme bereitet: weg vom Öl, hin zum Batterieantrieb. Dutzende Schiffe sind bereits im Bau, bei denen zumindest ein Teil des Antriebs von einer Batterie gesteuert wird – angefangen bei lokalen Autofähren bis hin zu großen Passagierschiffen, die die Weltmeere befahren. Wie in der Autobranche gilt es noch, Reichweiten zu steigern und die Technologie zu verfeinern. Unbestritten aber ist: Ein neuer Markt baut sich auf, von dem auch deutsche Konzerne profitieren werden.
Der Absatz für hybride und vollelektrische Schiffe wird schon bald weltweit wachsen, prophezeien etwa die Analysten vom Marktforscher IDTechEx – und im Jahr 2027 20 Milliarden Dollar umfassen. Konzerne wie Siemens und ABB liefern die elektrischen Antriebssysteme, Unternehmen wie Corvusenergy aus Kanada die Batterien, und innovative Werften designen die Schiffe.
Urlaub auf dem „Öko-Dampfer“ – das ist das weltweit sauberste Kreuzfahrtschiff
Treiber für den Stromboom auf hoher See sind die Umweltprobleme der Branche. Noch ist sie eine der schmutzigsten: Die meisten Dampfer fahren mit Schweröl, dem brackigen Rest aus der Erdölraffinerie, in dem große Mengen giftigen Schwefels stecken. 15 Prozent der globalen Stickoxidemissionen stammen aus der Schifffahrt, dazu 2,2 Prozent des Kohlendioxidausstoßes. Hafenstädte wie Hamburg leiden unter der verschmutzten Luft. Und der Schiffsverkehr nimmt jedes Jahr zu. Darum werden die Regeln verschärft: Ab 2020 darf nur noch Treibstoff verfeuert werden, der maximal 0,5 Prozent Schwefel enthält. Heute liegt der Grenzwert bei 3,5 Prozent. Und weil der saubere Sprit teurer ist, wird Strom als Energiequelle attraktiver.
Norwegen Vorreiter – wieder einmal
Beim Umschwung auf Stromantrieb ist Norwegen, das Heimatland der Hurtigruten, vorgeprescht. Ausgerechnet das Ölförderland. Aber gerade den Norwegern ist spätestens seit dem Ölpreisverfall der vergangenen Jahre klar: Das Land kann nicht ewig von diesem Rohstoff leben. Die norwegischen Schiffsbauer spürten das 2015 ganz besonders: Die Aufträge der Offshore-Ölbohrindustrie brachen nahezu vollständig ein. Darum kommt heute, wer etwa die Werften rund um die Hafenstadt Ålesund besucht, wer sich mit Schiffsbauern und Reedern unterhält, unausweichlich auf Elektro- und Hybridantrieb zu sprechen. „Vor drei Jahren hat in der Branche noch kaum jemand über Batterien geredet“, sagt Arne Ove Rødstøl, Manager bei der Werft Ulstein. „Jetzt spricht jeder darüber.“
Grund dafür ist ein Gesetz, mit dem sich die Skandinavier weit nach vorne wagen: Neue Fährschiffe dürfen keine Emissionen mehr verursachen. Was bedeutet: Sie müssen Batterien benutzen oder auf Hybridtechnologien setzen. Sogar der Ölkonzern Statoil verlangt von seinen Schiffsbauern zunehmend grüne Antriebe.