Energie Gas ist das neue Öl

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Der Gasboom schafft Hunderttausende Jobs in den USA

Angst vor dem Bohrer - Fracking-Proteste im US-Bundesstaat in Pennsylvania Quelle: Laif

Die ersten Pachtverträge flatterten den Bauern der US-Gemeinde Amwell Township bei Pittsburgh kurz vor Weihnachten in die Briefkästen. Wenige Tage später standen Arbeiter der texanischen Öl- und Gasfirma Range Resources mit ihrer Bohrausrüstung auf den Grundstücken. Ihr Auftrag: einen Schatz zu heben, den niemand sehen, schmecken oder riechen kann: Schiefergas. Das war 2008.

Heute fressen sich in Pennsylvania 4.000 Bohrer in die Erde – Tausende sollen noch dazukommen. Amwell liegt über der Marcellus-Formation, einer Schiefergesteinsschicht, die sich unterirdisch im Nordosten der USA über 900 Kilometer durch West Virginia, Pennsylvania, Ohio und New York erstreckt. In dieser Sedimentschicht schlummern die größten Erdgasvorräte Nordamerikas. Seit Gasunternehmen diese Reserven mit neuen Fördertechniken erschließen können, ist ein wahrer Gasrausch ausgebrochen.

Das Thema Energie steht ohnehin ganz oben auf der Wahlkampfagenda von US-Präsident Barack Obama: In zehn Jahren will er sein Land weitgehend unabhängig von Energieimporten machen. Amerika soll von einem Energiekonsumenten zu einem Energieproduzenten werden – vor allem mithilfe der Schiefergas-Vorkommen. Die machen jetzt schon ein Drittel der US-Gasversorgung aus – 2035 könnte der Anteil bei 50 Prozent liegen.

Quer durchs Land erschließen Energiekonzerne wie Range Resources, Devon Energy, ExxonMobil und Shell neue Quellen. Nach Schätzungen der US-Energiebehörde EIA lagern in Amerikas Gesteinsformationen rund 24 Milliarden Barrel Schieferöl und 24 Billionen Kubikmeter Schiefergas. Diese Ressourcen könnten laut Experten bis zu 100 Jahre reichen. Zwar hat die EIA die Euphorie jüngst etwas gedämpft und ihre Schätzung der Marcellus-Reserven gesenkt. Die EIA-Mitarbeiter gehen dennoch davon aus, dass die USA in den nächsten Jahren weit mehr Gas produzieren werde, als das Land benötigt.

Gasanbieter im Test

Gesunkene Energiepreise

Derweil befeuert der Energieboom die amerikanische Wirtschaft. Mit Steuereinnahmen von jährlich zusätzlich 49 Milliarden Dollar in den nächsten drei Jahren, rechnet etwa das Beratungsunternehmen IHS Global Insight.

Denn Energie ist in den USA so billig wie seit zehn Jahren nicht. Davon profitiert besonders die Industrie. Die Experten des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers rechnen mit einer Million neuer Fabrikjobs bis 2025. Die Strompreise sind wegen der niedrigeren Brennstoffkosten ebenfalls gesunken. Laut IHS spart ein Durchschnittshaushalt dank des preiswerten Gases 926 Dollar im Jahr. 2008 dominierte noch Kohle die US-Stromproduktion – seit vergangenem Monat jedoch ist Erdgas laut „Financial Times“ die wichtigste Energiequelle des Landes.

Skeptiker bezweifeln allerdings, dass es auf Dauer so billig bleibt. Denn um Schiefergas künftig in alle Welt verkaufen zu können, müssen die Energiekonzerne viel Geld in neue Flüssiggas-Terminals investieren. Im Jahr 2015 soll das erste große Export-Terminal fertig sein, das der US-Konzern Cheniere Energy in Cameron Parish in Louisiana am Golf von Mexiko für zehn Milliarden Dollar baut.

Daneben treiben neue Umweltgesetze die Kosten. Die Folge ist, dass sich erste Anbieter schon wieder aus dem Geschäft zurückziehen und lieber Öl fördern. Das verspricht mehr Gewinn und weniger Ärger.

Viele Gemeinden in Pennsylvania fordern einen vorläufigen Stopp aller Bohrungen aus Angst vor einer Grundwasserverseuchung. Anderswo wird weiter gefördert. Kein Wunder: Die Einnahmen aus den Pachtverträgen fließen üppig. 2010 zahlten Energieunternehmen in Pennsylvania 1,6 Milliarden Dollar an Landbesitzer, um auf deren Grund bohren zu dürfen.

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