Energie Das Ölzeitalter ist noch lange nicht vorbei

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Die Sorgen der Ölkonzerne

Ölfeld in Willistion, North Dakota Quelle: Reuters

Ein zentrales Argument der Peak-Oil-Vertreter war stets, dass die Menge der förderbaren Ressourcen begrenzt sei. Genau das aber scheint der Schieferölboom in North Dakota und in anderen US-Bundesstaaten wie Texas und Kalifornien nun zu widerlegen. Denn er zeigt, wie technischer Fortschritt und hohe Ölpreise immer neue Reserven zugänglich machen: So kostet es zwischen 35 und 70 Dollar, ein Barrel Öl in North Dakota aus dem Boden zu holen. Vor zehn Jahren wäre das ein Verlustgeschäft gewesen. Beim Ölpreis von aktuell rund 110 Dollar aber bringt die Förderung gigantische Gewinne.

Genauso verhält es sich mit den Teersanden in Kanada, die allein schon in der Lage wären, die abnehmenden Förderraten aus konventionellen Feldern für viele Jahre auszugleichen. Ebenso könnte der hohe Ölpreis demnächst große Schwerölvorkommen in Venezuelas rohstoffreicher Orinoco-Region rentabel machen.

Und nun stellt sich heraus: Auch China, Russland und Argentinien besitzen laut einer Studie des US-Thinktanks IHS Global Insight mehr als 250 Milliarden Fass Schieferöl, das sich künftig rentabel fördern lässt. Ein gigantischer Schatz.

Doch so groß die Euphorie sein mag, so groß sind die Probleme auf traditionellen Feldern. Viele Unternehmen kämpfen mit dem Rückgang ihrer Förderquoten: vor allem Ölmultis wie ExxonMobil, Shell und BP. Diese Supermajors genannten Konzerne waren lange Innovationstreiber. Doch unter den größten Förderern in North Dakota findet sich keiner der Giganten. Sie suchen ihre Zukunft lieber in schwer zugänglichen Ölfeldern unter dem Meer.

So bekam kürzlich ein Konsortium aus Shell, Total und staatlichen Unternehmen aus China und Brasilien den Zuschlag für eines der kompliziertesten Ölprojekte der Gegenwart: Sie wollen ein als Campo de Libra bekanntes Ölfeld mehr als 200 Kilometer vor der Küste des brasilianischen Bundesstaates Rio de Janeiro ausbeuten.

Dort liegen die größten in den vergangenen Jahren entdeckten Ölfelder. Das Problem: Sie lagern bis zu sieben Kilometer unter der Wasseroberfläche, und sie sind von einer mehr als 1000 Meter dicken Salzschicht bedeckt. Um diese Kruste zu durchbrechen, müssen die Unternehmen neue Bohrer entwickeln, die höhere Temperaturen und Drücke aushalten. Frackingverfahren, wie sie derzeit schon in North Dakota funktionieren, könnten anschließend helfen, das Öl zu fördern. Doch trotz aller Innovationen bringt der Rohstoffboom auf dem Meer die Technik an ihre Grenzen.

Wie aufwendig es ist, Offshore-Ölvorkommen zu erschließen, zeigt das Feld Kaschagan vor Kasachstan im Kaspischen Meer. Seit Forscher das Öl 2000 aufspürten, haben Unternehmen wie ExxonMobil, Shell, Total und Eni knapp 50 Milliarden Dollar investiert, um dort künftig fördern zu können. Doch immer wieder behinderten Pannen die Arbeit. Erst vor wenigen Tagen zerfraß Schwefelwasserstoff, der mit dem Öl an die Oberfläche tritt, eine Pipeline. Nun liegt das Prestigeprojekt erneut für Monate auf Eis.

Irgendwann aber soll Kaschagan 1,5 Millionen Fass Öl pro Tag an die Oberfläche spülen, so viel wie Campo de Libra in Brasilien. Eine solche Menge sollen bald auch die mehr als 40 000 Ölbrunnen in North Dakota produzieren. Die Hoffnungen sind groß: Schon 2015 könnten zehn Prozent der Ölförderung aus den Tiefen der Ozeane kommen.

Doch das birgt enorme Risiken, wie die Havarie der Ölplattform Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexiko belegt. Ein Defekt in der Mechanik reichte – und 800 Millionen Liter Öl flossen ins Meer. Das zeigt: Weil Unternehmen und Ingenieure die Grenzen der Ölförderung immer weiter verschieben, nehmen sie auch immer höhere Risiken und Gefahren für die Umwelt in Kauf.

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