Energie Das Ölzeitalter ist noch lange nicht vorbei

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Sparsame Industriestaaten

Öl-Pipelines der «Strategic Petroleum Reserve» (SPR) in Bryan Mound nahe Freeport, Texas - eines der vier US-Zentren mit strategischen Ölreserven. Quelle: dpa

Aber lohnt sich das Risiko? Verzögern die Ölbrunnen in der US-Prärie und die eisernen Giganten auf hoher See nicht nur das Unvermeidliche: dass der Bedarf an Öl einer wachsenden Wirtschaft und von weltweit künftig neun Milliarden Menschen das Angebot zwangsläufig übersteigen wird?

Manche Experten glauben inzwischen sogar, dass das Gegenteil der Fall ist. Möglicherweise erlischt der Durst der Menschheit nach Öl, noch bevor ihr der Rohstoff selbst ausgeht. Diese Idee wird derzeit als Theorie des „Peak Demand“ diskutiert, dem Höhepunkt der Ölnachfrage. Überraschenderweise gehören zu den Vertretern der Theorie selbst Analysten großer Energiekonzerne.

Erst im Frühjahr errechneten Angestellte von Shell, dass der weltweite Ölverbrauch im Verkehrssektor nach 2035 sinken wird. Dann, so die Prognose, leben rund zwei Milliarden mehr Menschen in Städten als heute. Die aber fahren weniger Auto, legen kürzere Strecken zurück und nutzen öfter Bus und Bahn. Shell schätzt, dass Städter jährlich 2000 Kilometer weniger Auto fahren als ihre Mitbürger auf dem Land. Das – und der Einsatz von Erdgas- und Elektrofahrzeugen – senke die Nachfrage nach Öl erheblich.

Und tatsächlich sinkt der Öldurst in Industrienationen seit Jahren. Deutschland verbraucht heute rund 20 Prozent weniger Benzin, Diesel und Heizöl als vor 15 Jahren – trotz einer weiter wachsenden Wirtschaft.

Aber auch in den Schwellenländern gibt es Anzeichen für eine Abkehr vom Öl.

Wegen der katastrophalen Luft in Peking hat etwa Chinas Regierung kürzlich beschlossen, dass bald jedes zweite Auto in der Stadt ab 2017 zumindest teilweise elektrisch fahren muss. Auch in anderen chinesischen Megastädten gelten solche Regeln.

Und noch ein Trend könnte Peak Demand beschleunigen: Will die Staatengemeinschaft das Klima schützen und die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzen, müsste der Ölverbrauch bis 2035 um 15 Prozent sinken. Elektroantriebe in Autos, Bioplastik, weniger Dünger auf den Äckern und Erdgas für Personenwagen, Trucks und Schiffe könnten den Ölverbrauch senken.

Was aber passiert, wenn der Durst nach dem schwarzen Energieträger trotz aller Effizienzgewinne und trotz der Warnungen vor einem zerstörerischen Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten weiter wächst?

Zwar können laut der Internationalen Energieagentur Ölersatzstoffe aus der Erdgasförderung – zusammen mit den Vorkommen in Schiefer, Teersanden und im Meer – den Rückgang der Förderung aus konventionellen Feldern bis nach 2035 mehr als ausgleichen.

Sollte die Ölproduktion aber auch danach weiter wachsen, müssen die Forscher gänzlich unkonventionelle Wege gehen: Genau das versucht derzeit eine Handvoll Unternehmen am Fuße der Rocky Mountains in den USA. Sie haben es auf den sogenannten Ölschiefer abgesehen – schwarzes Gestein, das brennt, wenn man ein Feuerzeug daneben entzündet. Der Schiefer enthält einen Stoff namens Kerogen, der zu Urzeiten aus Pflanzenresten und Plankton entstanden ist. Tief im Gestein wird er unter Druck nach Millionen von Jahren zu Öl. Doch nicht überall ist dieser Prozess schon abgeschlossen. Die größten Reserven dieses Möchtegern-Öls lagern in einer geologischen Formation unter den US-Bundesstaaten Colorado, Utah und Wyoming. Würde es gelingen, dieses Kerogen abzubauen, entstünde hier das größte Ölfeld der Welt. Experten schätzen sein Potenzial auf rund eine Billion Fass. Sogar Saudi-Arabien sähe dagegen aus wie ein Junior-Player: Das Land verfügt nur über ein Viertel der Reserven.

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