Energie-Streitgespräch "Rückkehr zur rationalen Energiepolitik"

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Strommix in Deutschland

Die EU treibt einen Stromverbund voran mit Wasserkraftspeichern im Norden, Solarkraftwerken im Süden sowie grenzüberschreitenden Netzen. Ist das eine Lösung, um die Stromversorgung wirtschaftlich zu organisieren?

Frondel: Das ist vor allem eine teure Lösung. Die Netze müssen erst ausgebaut werden. Und die Skandinavier werden deutschen Windstrom nicht kostenlos speichern, sondern kräftig kassieren.

Kemfert: Die Kosten werden sinken. Und es ist sinnvoll, grünen Strom dort zu produzieren, wo es am billigsten ist.

Die Regierung will im Herbst ein Energiekonzept vorlegen. Fehlt der Mut zu unpopulären Entscheidungen?

Kemfert: Ich sehe jedenfalls nicht die Bereitschaft, das Projekt ernsthaft anzugehen. Die Politik sagt nicht, was sie will, und stellt den Wissenschaftlern zugleich die Frage, was man sinnvollerweise tun könnte. So drehen wir uns im Kreis.

Und die Minister verharken sich in einem grotesken Streit. Auf wen setzen Sie?

Frondel: Auf Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Eine verkürzte Laufzeitverlängerung, wie Umweltminister Norbert Röttgen sie fordert, kann niemandem dienen. Je mehr Geld wir für den Steuerzahler einsammeln, desto besser.

Kemfert: Wir brauchen endlich einen Energieminister, der solche Dinge entscheidet und eine Linie vorgibt.

Und Sie würden Röttgen nominieren?

Kemfert: Er versteht sein Fach. Nicht die Person ist jedoch entscheidend, sondern, Interessen wie Wirtschaftlichkeit, Umweltschutz und Sicherheit zu bündeln.

Verlockende Renditen

Experten erwarten, dass die Kosten für fossile Brennstoffe steigen. Müsste man nicht deshalb die Alternativen fördern? 

Kemfert: Absolut. Wir rechnen damit, dass die Brennstoffkosten in den nächsten 25 Jahren um ein Viertel steigen werden.

Frondel: In Wirklichkeit erleben wir gerade sehr niedrige Gaspreise. Ebenso bleiben die Preise deutscher Braunkohle unabhängig von den Weltmarktpreisen. Es ist nicht gesagt, dass die Kosten so sehr steigen, wie manche behaupten.

Kemfert: Dennoch wird jede Preissteigerung, auch die der künftig anfallenden Kosten für CO2-Emissionszertifikate, auf den Strompreis aufgeschlagen. Bei erneuerbaren Energien fällt das weg. Da wird heute investiert und fertig.

Frondel: Wenn die grüne Energieerzeugung langfristig wettbewerbsfähig wird, weil die Zertifikatspreise steigen, haben wir nichts dagegen.

Investieren Sie eigentlich selbst in die grüne Energiezukunft? Renditen von zehn Prozent, wie man sie mit einer Fotovoltaikanlage erwirtschaften kann, müssten für Ökonomen wie Sie doch verlockend sein.

Frondel: Stimmt. Mir fehlt allerdings das eigene Dach dafür.

Kemfert: Ich habe eine Eigentumswohnung. Aber leider konnte ich mich in der Eigentümergemeinschaft mit meinen Plänen für eine Solaranlage nicht durchsetzen. Wir haben stattdessen in ein besser gedämmtes Dach investiert. So haben wir zumindest kaum noch Heizkosten.

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