Energie Wie Seegras unseren Spritbedarf deckt

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Von der Heil- zur Energiepflanze

Die Zukunft des nachhaltigen Biogases hingegen ist gelb und sieht von Ferne ein wenig aus wie eine Sonnenblume: Bei Biologen ist sie als Silphie bekannt. Bei näherer Betrachtung indes verliert sie ihren Charme. Ihre Blätter und Stängel sind mit feinen Haaren besetzt, weshalb sie vor allem bei Kühen und Ziegen unbeliebt ist.

Begehrt ist die Silphie dennoch so sehr, dass der Erfurter Zuchtbetrieb N.L. Chrestensen mit der Produktion des Saatguts kaum hinterherkommt. Denn die gelben Blumen sind der perfekte Rohstoff für Biogas, das als Ersatz für Erdgas Wärme und Strom liefern soll. Die Pflanze liefert pro Quadratmeter Feld so viel Gas wie Mais.

Im Gegensatz zu dem Getreide aber wächst sie auch in trockenen Zeiten und Regionen und braucht weder Dünger noch Pflanzenschutzmittel. Auch Imker sind Fans der Silphie: Sie gilt als ideale Bienenweide, weil sie Nektar und Pollen für die Insekten liefert – ganz im Gegensatz zu den heute weit verbreiteten Maisfeldern.

Im antiken Griechenland hatte die Silphie gar eine so große Bedeutung, dass sie als Motiv auf Geldmünzen verewigt wurde. Damals nutzten die Menschen sie als Heilpflanze. Jahrtausende später erlebt sie nun eine Renaissance. Diesmal aber, weil der massive Maisanbau für die Biogasproduktion zunehmend Probleme bereitet: Schädlinge breiten sich auf den Feldern aus, was Bauern dazu zwingt, immer kräftigere Pestizide zu spritzen.

Die Silphie bereitet solche Probleme nicht. Nur im ersten Jahr wächst sie langsamer. „Das ist der einzige Nachteil“, sagt Pflanzenkenner Vetter. Deshalb kostet das Anlegen eine Silphie-Feldes auch 5.000 Euro je Hektar und damit zunächst mehr als eine Maisplantage.

Grünes Gas

Vattenfall schreckt das nicht. Der Energieversorger lässt große Felder in Brandenburg mit den gelben Blumen bepflanzen. Sie sollen eine Biogasanlage in der Lausitz und zwei weitere Anlagen speisen. Das gereinigte Gas will der Konzern dann ins Erdgasnetz von Hamburg und Berlin leiten. „Wir wollen mit der Silphie den Mais zurückdrängen“, sagt Jan Grundmann, Chef der Vattenfall-Tochter Energy Crops. Doch für die künftige Bioenergieproduktion genügt es nicht, aus Pflanzen Erdgas zu machen.

Zu einer Bioenergie-Rundumversorgung gehören ebenso Gewächse, die sich direkt verbrennen lassen, um Strom und Wärme zu produzieren. Mit Holz befeuerte Kraftwerke sind in der Regel viel größer als Biogasmeiler.

In Abständen von zweieinhalb Metern sprießen in Brandenburg daher Pappeln und Weiden, aber auch Erlen und Robinien in Reih und Glied. Die Spezialzüchtungen dieser Bäume wachsen in wenigen Jahren meterhoch.

Holz ersetzt Kohle

Nach drei bis fünf Jahren schneiden umgerüstete Traktoren die Minibäume im Winter dicht über dem Boden ab. Anschließend bündeln die Maschinen die Ruten zum Trocknen – um sie im Sommer häckseln zu können. Rund 800 Hektar Pappelplantagen hat die Vattenfall-Tochter Energy Crops in den vergangenen drei Jahren auf ungenutztem Brachland und schlechten Böden angelegt; bis 2015 soll sich die Fläche noch einmal vervierfachen.

Tonnenschwere Lastwagen laden die zerkleinerten Bäume später vor einem grauen Betonblock im Zentrum Berlins ab, einem Biomassekraftwerk, das bis zu 80 Prozent des brandenburgischen Holzes – rund 40.000 Tonnen pro Jahr – verfeuern soll.

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