Energieversorgung Was sich seit Fukushima verändert hat

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Deutschland

Die Zentrale des Energiekonzerns E.ON in Düsseldorf Quelle: dpa/dpaweb

Düsseldorf

E.On-Platz 1. Blumenkübel, viel Grün, Hauseingänge von Eigentumswohnungen. Davor aber, in weißem Travertin-Marmor, erhebt sich der achtstöckige Verwaltungsbau von E.On, Entscheidungszentrum des größten deutschen Atomkraftwerkbetreibers mit elf AKW-Beteiligungen. Und hier stellte sich im Sommer vorigen Jahres – wenige Wochen nach dem Reaktorunglück in Fukushima – der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hin und versuchte verzweifelt, die Gemüter zu beruhigen: Von 80.000 E.On-Beschäftigten sollen 11.000 nach dem Wegfall der Atomgewinne gehen, 6000 davon in Deutschland: „Managementfehler“, donnerte er über den Platz zu den versammelten Gewerkschaftsvertretern der Energiewirtschaft.

Der E.On-Platz 1 steht für die Probleme der gesamten deutschen Energiewirtschaft, in der seit Fukushima nichts mehr ist, wie es einmal war. Zu lange haben sich die Konzerne auf die Atomgewinne verlassen, darauf gehofft, die Politik werde die Laufzeiten ihrer Meiler schon immer weiter verlängern – und zu schlecht sind sie auf das Zeitalter der erneuerbaren Energien vorbereitet.

E.On steht besonders ungünstig da: Fünf Atomreaktoren musste der Konzern abschalten. Das führte bei den Düsseldorfern allein im ersten Halbjahr 2011 zu einem Gewinneinbruch von 70 Prozent auf nur noch 900 Millionen Euro. Das ist viel zu wenig, um die immensen Investitionen in erneuerbare Energien stemmen zu können, mit denen der Konzern zukunftsfähig werden wollte. 7,5 Milliarden Euro wollte E.On in den nächsten fünf Jahren in Wind und Sonne investieren. Eigentlich.

Schmerzliche Verluste

Vor ähnlichen Problemen stehen auch die anderen deutschen Stromkonzerne. Der Gewinn von RWE etwa brach in den ersten drei Quartalen 2011 um 30 Prozent ein, auf 4,3 Milliarden Euro – ein Schockerlebnis: Denn allein die Windkrafttochter RWE Innogy will jährlich eine Milliarde Euro in Grünstromprojekte investieren. Um den Wandel stemmen zu können, müssen 8000 von 71.000 RWE-Mitarbeiter gehen.

Die Anleger kennen auf die Entwicklungen nur eine Antwort: raus aus Energiewerten. Der Börsenwert von E.On – im Herbst 2010 noch 100 Milliarden Euro – sank bis zum März 2011 auf 28 Milliarden Euro und liegt jetzt bei 33 Milliarden Euro.

Den staatlichen baden-württembergische Versorger EnBW, der vor Fukushima seinen Umsatz zur Hälfte aus Kernenergie bestritt, trifft es ebenfalls hart: Die Neunmonatszahlen offenbarten einen schmerzlichen Verlust: Wegen Abschreibungen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro fuhr der Konzern einen Verlust von über einer halben Milliarde Euro ein.

Die Schwäche der Großen wollen nun die 900 deutschen Stadtwerke nutzen. „Stadtwerke sind zwar nicht per se die Gewinner der Energiewende, aber sie haben große Chancen, davon zu profitieren“, sagte jüngst Sven Becker, Chef des Aachener Stadtwerke-Verbundes Trianel. Sie schließen sich zusammen, um gemeinsam große Windkraftprojekte und Gaskraftwerke zu finanzieren, die für die Energiewende dringend benötigt werden.

Stadtwerke sind flexibler als die großen Anbieter und können mit dezentralen, maßgeschneiderten Angeboten schneller auf Kundenwünsche reagieren. „Wir können die Lücken in der Versorgung schließen“, sagt Hermann Janning, der die Duisburger Stadtwerke umgebaut und erweitert hat. Die Energiewende habe zudem „das Misstrauen der Bürger gegen alles Große und Globale erhöht. Stadtwerke sind das Gegenteil, wir sind klein, dezentral und vor Ort.“

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