1. Reform des Klimarats und Erweiterung der Forschung
25 Jahre wird das IPCC im Herbst alt – Zeit für eine Bilanz. Nur wenige Kritiker sind so radikal wie die US-Klimaforscherin Judith Curry, die das Gremium ganz auflösen will: Mit seiner Fixierung auf eine Senkung des CO2-Ausstoßes blockiere der Rat innovative Forschungsansätze, die nach anderen Erklärungen und Lösungen suchen.
Sehr viele Forscher aber wollen das IPCC gründlich reformieren. Auf der Wunschliste ganz oben stehen Entpolitisierung und weniger Geheimniskrämerei. Jüngstes Beispiel für Gemauschel: Im aktuellen Sachstandsbericht betont der Rat, er sei zu 95 Prozent sicher, dass vor allem der Mensch den Klimawandel verursacht. Das klingt nach Wissenschaft, tatsächlich basiert das Ergebnis auf einer Umfrage. Welche Forscher gefragt wurden, sagt das IPCC nicht.
Der Klimarat sei schon immer eine politische Institution gewesen, sagt Mike Hulme, Klimaforscher am Londoner King’s College. Geschaffen und überwacht von Regierungen. Sie sorgten dafür, dass vermeintliche Sachaussagen politisch gefärbt wurden. Umso wichtiger sei, dass seine leitenden Akteure Distanz hielten, statt sich für politische Maßnahmen vereinnahmen zu lassen, ergänzt Silke Beck, Sozialforscherin am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.
Hulme setzt sich zudem für kürzere Berichte ein, die häufiger aktualisiert werden. Mit ihnen sollten die Forscher gezielt Wissenslücken schließen, zum Beispiel über die Wirkung der Aerosole. Gerade in den Megastädten Asiens mit ihrem permanenten Smog ist der Einfluss dieser Staubpartikel auf das regionale Klima nicht zu unterschätzen: Sie schatten Sonnenstrahlung ab und kühlen so die erdnahe Luft.
2. Entwicklung klimaschonender Technologien
Lange waren dem Weltklimarat die Möglichkeiten, das Klima womöglich reparieren zu können, kein Wort wert. Im aktuellen Report beschäftigt er sich immerhin erstmals mit dem sogenannten Geoengineering.
Ideen dafür gibt es viele: Die einen wollen die Meere mit Eisen düngen. Es würde das Wachstum des Planktons fördern, das sich von CO2 ernährt. Andere schlagen vor, tonnenweise Schwefel in den oberen Schichten der Erdatmosphäre zu verbrennen. Es entstünde ein Dunstschleier, der die Sonneneinstrahlung vermindert.
Viele Experten halten die Klempnerei am Klima allerdings für hochriskant. Sie setzen eher auf Technologien, die verhindern, dass CO2 in die Luft gelangt, oder die das Gas einfangen und es entweder als Rohstoff nutzen oder es dauerhaft einlagern. 130 Millionen Tonnen CO2 werden so heute schon wirtschaftlich verwertet.
Der niederländische Klimaökonom Richard Tol hat ausgerechnet, was der Einsatz der besten dafür verfügbaren Technologien weltweit bringen würde: Die globalen Treibhausgas-Emissionen würden sich auf einen Schlag halbieren.
3. Weniger Klimagipfel, aber mehr politische Ehrlichkeit
Die Euphorie war groß, als die UN 1992 im brasilianischen Rio de Janeiro weitreichende Maßnahmen zum Schutz unseres Planeten vereinbarten. Im kommenden November treffen sich Hunderte Abgesandte aus rund 200 Staaten in Warschau erneut: zum inzwischen 19. Klimapalaver.
Doch vom Ziel, die Erderwärmung bis zum Ende der Jahrhunderts auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, ist die Welt weiter entfernt denn je. Die einstige Aufbruchstimmung ist erstorben. Und kaum ein professioneller Beobachter glaubt mehr, dass sich die Weltgemeinschaft auf einem künftigen Gipfel noch auf gemeinsame Maßnahmen einigen wird. Was aber tun? Die Gipfel abblasen?
So weit will Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin nicht gehen. Doch die Mission des IPCC hält er „für erfüllt“. Geden schlägt vor, das Zwei-Grad-Ziel aufzugeben. „Es ist illusorisch.“ Statt Klimapolitik länger im Gewand eines vermeintlich „wissenschaftlich abgesicherten Weltumgestaltungsplans zu präsentieren“, sollten die Regierungen lieber pragmatisch Möglichkeiten aushandeln, Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren.
Elliot Diringer, Vizepräsident des US-Center for Climate and Energy Solutions in Virginia, sieht den besten Weg darin, wenn jedes Land für sich seine Klimaziele und den Weg dorthin festlegt. So entstünde Wettbewerb, und es käme endlich Dynamik in den Prozess, ist er überzeugt.
Andere schwören auf einen globalen Emissionshandel. Unternehmen und Kraftwerksbetreiber, die CO2 in die Luft pusten, müssen für die Verschmutzung bezahlen. Außer der EU experimentieren inzwischen Australien, Neuseeland, China, Südkorea und Bundesstaaten in den USA und Kanada mit solchen Systemen. Experten sehen Chancen, sie zu verknüpfen.
4. Vorfahrt für ökonomisch effiziente Maßnahmen
Wie Politiker Geld zum Fenster hinauswerfen und dem Klima – statt zu helfen – auch noch schaden, haben die Ökonomen Hans-Werner Sinn und John Hassler erst jüngst wieder in einer Studie vorgerechnet. Sinn ist Präsident des Münchner ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Hassler lehrt an der Universität Stockholm. In dem Papier kommen sie zum Ergebnis, dass es nicht nur viel Geld kostet, Raps und Mais als Energiealternative zu Kohle und Öl zu subventionieren. Schlimmer: Ihr Anbau beschleunigt die Erderwärmung sogar.
Der Grund liegt im „grünen Paradoxon“, auf das Ökonom Sinn schon früher aufmerksam gemacht hat. Die Förderung für Energiepflanzen schmälert zunächst die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen, die daraufhin billiger werden. Als Folge des Preisrutsches werden am Ende aber mehr Kohle und Öl verheizt als vorher – die Klimabelastung steigt. Ein Blick auf die globale CO2-Bilanz untermauert die These. Die Emissionen erreichten vergangenes Jahr einen neuen Rekord: Sie stiegen um 1,4 Prozent auf 31,6 Milliarden Tonnen.
Doch es kommt noch ärger. Weil dort, wo Energiepflanzen angebaut werden, kein Getreide und Gemüse wachsen kann, verteuern diese sich laut Sinn und Hassler um mindestens 40 Prozent, im schlimmsten Fall sogar um 250 Prozent. Das ist verkorkster Klimaschutz auf Kosten der Ärmsten.
Wirkungsvoller als jeder politische Gipfel
Das gleiche Paradoxon zeigt sich in der Energiepolitik. Was die Deutschen wegen ihrer Windmühlen und Solardächer weniger an CO2 in die Luft blasen, wird anderswo wegen der gesunkenen Preise etwa für Kohle umso ungenierter konsumiert. Die Lehre daraus: Nichtstun kann besser sein, als das Falsche zu tun.
Zumindest sollten die Politiker künftig vorher genau bedenken, was ihr Aktionismus bewirkt. Dann würden sie vielleicht zögern, mit Fotovoltaik ausgerechnet jene Technologie am stärksten zu fördern, die CO2 am weitaus teuersten vermeidet.
Das zeigen Berechnungen des Energiewissenschaftlichen Instituts (EWI) in Köln. Danach kostet jede mit Sonnenstrom eingesparte Tonne CO2 346 Euro. Werden die Watt mit Windrädern an Land erzeugt, sinken die Kosten auf 42 Euro. Die Differenz addiert sich zu enormen Summen. Würde CO2-Vermeidung in Deutschland bis 2022 komplett auf Windenergie aus Onshore-Anlagen umgestellt, rechnen die EWI-Experten hoch, verringerten sich die jährlichen Gesamtkosten um bis zu zwei Milliarden Euro.
Viel Geld, das Bürgern für Konsum und Unternehmen für die Schaffung neuer Jobs zur Verfügung stünde. Die Konsequenz ist für Sinn klar: Vor jeder Maßnahme sollte künftig eine nüchterne ökonomische Kosten-Nutzen-Analyse stehen.
Zahlen zum Klimawandel
Nur 0,05 Grad Celsius weniger würde die Temperatur durch die EU-Klimapläne ansteigen.
Es ist 300 Euro teurer, eine Tonne CO2 mit Solar- statt mit Windstrom zu vermeiden.
Um 3.600 Euro verteuern schärfere CO2-Grenzwerte jeden Neuwagen.
Mit 15 Billionen Euro will die EU bis 2100 die Erderwärmung bekämpfen.
5. Anpassung an den Klimawandel kann billiger sein
Bei der Diskussion über die Erderwärmung werden positive Effekte gerne unterschlagen. Darauf weist der Klimaforscher Bjørn Lomborg aus Kopenhagen hin und nennt Beispiele: In Regionen, die sich erwärmen, können die Bauern mehr Ernten einfahren, und die Heizkosten sinken. Und weil weit mehr Menschen an Kälte denn an Hitze sterben, könnten künftig jährlich weltweit 1,4 Millionen Menschen weniger solchen Wetterextremen zum Opfer fallen.
Doch in vielen Teilen der Welt werden eher die negativen Folgen überwiegen. Dennoch könnte es ökonomisch sinnvoller sein, sich dort dem Wandel anzupassen, als ihn verhindern zu wollen – egal, was es kostet. Roger Pielke senior, Klimaforscher an der Universität von Colorado, spricht vom „Bottom-up-Prinzip“. Er schlägt vor, die Verletzlichkeit von Ökosystemen und Infrastrukturen zu erfassen und sie einer Risikoanalyse zu unterziehen. Beim Wirbelsturm Sandy, der vergangenes Jahr New York schwer traf, kam so heraus, das es billiger ist, Eigentümer von Wohnungen und Geschäften in den von Sturmfluten bedrohten Bezirken umzusiedeln, anstatt an der Küste für viel Geld Dämme zu bauen.
Anderswo wiederum kann ihre Aufschüttung durchaus sinnvoll sein. Laut einer britischen Studie können höhere Dämme, Frühwarnsysteme für Krankheiten und neue Ackerbaumethoden die Folgekosten des Klimawandels regional um bis zu einem Drittel reduzieren.
Der kanadische Web-Visionär Don Tapscott traut dem Internet eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel zu. In Hunderten Projekten weltweit organisierten sich Menschen über das Netz, um den CO2-Ausstoß in lokalen Initiativen zu senken. Tapscott ist überzeugt: „Das ist wirkungsvoller als jeder politische Gipfel.“