Erneuerbare Energien Strom vom Meer soll wettbewerbsfähig werden

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Die Kunden zahlen Fehlinvestitionen

Bis heute drehen die Bard-Räder leer. Es ist klar: Solche Pannen schwächen das Vertrauen von Investoren und Öffentlichkeit in die Technik. Hinzu treiben Ungereimtheiten und Verzögerungen die Kosten weiter in die Höhe.

Die 120 Meter hohen Windgiganten des Parks Borkum Riffgat etwa produzieren erst seit Februar dieses Jahres Strom – mit halbjähriger Verspätung, weil Tennet den Netzanschluss nicht rechtzeitig fertiggestellt hatte. Die Einnahmeverluste des Betreibers, rund 100 Millionen Euro, müssen die Stromverbraucher ausgleichen.

Auf der anderen Seite baut Tennet gerade Netzanbindungen mit einer Kapazität von 7.100 MW; weitere 900 MW sind ausgeschrieben. Sicher finanziert sind laut dem Netzbetreiber aber erst Offshore-Parks mit einer Leistung von 3.800 MW. Bleibt es bei der Lücke, müssen wiederum die Stromkunden ran und für die Fehlinvestitionen geradestehen.

Anlagen direkt an der Küste wären sicherer

Ein absurdes Spiel, das wesentlich die Politiker mit ihrem ständigen Hin und Her zu verantworten haben. Sie waren es auch, die entschieden, die Kraftwerke so weit draußen auf dem Wasser zu bauen wie kein anderes Land. Mit der Verbannung der stählernen Ungetüme aus der Sichtweite der Küstenbewohner und Touristen gingen sie zwar Bürgerprotesten aus dem Wege, verteuerten Bau und Betrieb aber zugleich enorm.

Wo der Strom herkommt
BraunkohleNoch immer der mit Abstand bedeutendste Energieträger Deutschlands: Im Jahr 2013 ist die klimaschädliche Stromproduktion aus Braunkohle auf den höchsten Wert seit 1990 geklettert. Mit 162 Milliarden Kilowattstunden macht der Strom aus Braunkohlekraftwerken mehr als 25 Prozent des deutschen Stroms aus. Das geht aus vorläufigen Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen hervor. Quelle: dpa
SteinkohleAuch die Stromproduktion in Steinkohlekraftwerken stieg im Jahr 2013 – um 8 Milliarden auf mehr als 124 Milliarden Kilowattstunden. Damit ist Steinkohle der zweitwichtigste Energieträger und deckt fast 20 Prozent der deutschen Stromproduktion ab. Vor allem Braun- und Steinkohle fangen also offenbar den Rückgang der Kernenergie auf. Quelle: dpa
Kernenergie Die Abschaltung von acht Atomkraftwerken macht sich bemerkbar. Nur noch 97 Milliarden Kilowattstunden stammten 2013 aus Kernerenergie, drei weniger als im Vorjahr. Das sind allerdings noch immer 15 Prozent der gesamten Produktion. Damit ist Atomstrom nach wie vor die drittgrößte Energiequelle. Quelle: dpa
ErdgasDie CO2-arme Erdgasverbrennung ist - anders als Kohle - wieder rückläufig. Statt 76 Milliarden kamen im vergangenen Jahr nur noch 66 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Erdgaskraftwerken. Das sind gerade mal zehn Prozent der Stromproduktion. Dabei war Erdgas vor drei Jahren schon einmal bei 14 Prozent. Quelle: dpa
WindkraftDer größte erneuerbare Energieträger ist die Windkraft. Mit 49,8 Milliarden Kilowattstunden in 2013 ist sie allerdings leicht Rückläufig. Insgesamt steigt der Anteil der erneuerbaren Energien jedoch stetig. Zusammengenommen produzierten sie 23,4 Prozent des deutschen Stroms. Quelle: dpa
BiomasseFast genauso viel Strom wie aus Windkraft stammte aus Biomasse. Die Produktion stieg auf 42 Milliarden Kilowattstunden. Damit steht Biomasse auf Platz sechs der bedeutendsten Energieträger. Quelle: ZB
PhotovoltaikEs reicht zwar nur für knapp fünf Prozent der deutschen Stromproduktion, aber Solarenergie ist die mit Abstand am schnellsten wachsende Energieform. Im Jahr 2000 gab es in Deutschland noch gar keinen Sonnenstrom. Und seit 2007 hat sich die Produktion auf 28,3 Milliarden Kilowattstunden in 2013 beinahe verzehnfacht. Quelle: dpa

Briten und Dänen hingegen stellen ihre Windräder direkt vor den Küsten auf. Das hat viele Vorteile. So brauchen sie keine störanfälligen Umspannstationen, die Anlagen speisen ihren Strom direkt ins Landnetz. Allein dadurch sinkt der Anteil der Kosten für die Netzanbindung an den Gesamtkosten von 25 auf 10 Prozent, schätzt die Energieberatung ecoprog. Auch mit der Wassertiefe steigen die Investitionskosten, so die Kölner.

Längst haben Briten und Dänen daher die Führungsrolle bei der Offshore-Windenergie übernommen: An den Küsten des Vereinigten Königreichs ernten Anlagen mit einer Kapazität von 3.700 MW Strom; bei unserem skandinavischen Nachbarn sind 1.300 MW installiert – rund sechsmal beziehungsweise zweimal so viel wie hier.

Trotz aller Widrigkeiten fürchtet windresearch-Chef Briese nicht, dass die deutschen Offshore-Windunternehmen das gleiche Schicksal ereilt wie die ebenfalls mit vielen Subventionen gepäppelte heimische Solarbranche. Die meldet seit geraumer Zeit ständig Insolvenzen und Zahlungsschwierigkeiten. Viele Betriebe fielen zudem an ausländische Wettbewerber.

Briese traut den Windmüllern vor allem wegen ihrer technischen Kompetenz einiges zum etwa bei der Entwicklung intelligenter Rotorblätter, die ungefähr zehn Prozent leichter sind und ihre Form den Windverhältnissen anpassen. Der Effekt: Sie drehen sich schon bei einer leichten Brise und müssen erst bei ganz extremem Sturm abgeschaltet werden.

Selbst wenn der Ausbau in Nord- und Ostsee nur zögerlich vorankommt, meint Briese, könnten Hersteller wie Gicon ihr Ingenieurwissen und ihre vorzüglichen Produkte in alle Welt verkaufen. Sein Fazit: „Das Potenzial ist vorhanden – wir sollten es nicht leichtfertig verschenken.“

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