Experiment in der City Wie die Stadt der Zukunft aussehen könnte

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Deutsche Politiker bringen wenig Mut für Innovationen auf

Statt es mit einer Citymaut für Autos wie London, Stockholm oder Singapur zu probieren, testet das niederländische Amsterdam, von der EU gerade zu Europas Innovationshauptstadt gekürt, kreativere Lösungen. Um Autos aus dem Zentrum fernzuhalten, baut die Verwaltung große Parkplätze am Stadtrand. Wer dort sein Auto abstellt und auf die Straßenbahn umsteigt, zahlt nur einen Bruchteil der hohen Parkgebühren in der Innenstadt. Dort reduziert die Stadt die Stellplätze zudem systematisch und baut dafür lieber neue Fahrradwege.

Wo Wissenschaft, Kreativität und Industrie zu Hause sind: Darmstadt gewinnt unser exklusives Zukunftsranking. Wie macht diese ziemlich graue Stadt in Hessens Süden das?
von Bert Losse

Die 350 Elektroautos des Carsharing-Anbieters Car2Go, einer Daimler-Tochter, parken umsonst. Privatleute und Unternehmer, die ein E-Mobil anschaffen, erhalten sofort einen Parkplatz, statt auf einer Warteliste zu landen. Und die Stadt fördert den Kauf elektronischer Fahrzeuge mit Zuschüssen von 5000 bis zu 40.000 Euro für Lkws. An fast 2000 Stationen lassen sich die Fahrzeuge laden, annähernd so viele, wie es in ganz Deutschland gibt. Bis 2025 sollen auch alle städtischen Busse elektrisch fahren.

Lkws und Kleintransporter würden die Rathauspolitiker am liebsten aus dem Zentrum verdrängen. Die Fahrer sollen stattdessen ihre Waren an Sammelpunkten vor den Toren Amsterdams auf Fracht-Fahrräder und 1,7 Meter schmale und neun Meter lange E-Transporter umladen. „Täglich verstopfen halb leere Lastwagen die Straßen“, schimpft Bert Roozendaal vom privaten Transporteur Transmission, der das grüne Verteilsystem aufbaut. „Jedes unserer Fahrzeuge hält vier bis fünf Lkws aus der Stadt “, sagt er.

Deutsche Politiker bringen weniger Mut für solche Innovationen auf – egal, welcher Couleur. So besetzt Stuttgart, obwohl grün regiert, seit Jahren den Spitzenplatz bei schlechter Luft und Zahl der Staus.

Noch viele Hürden für selbstfahrende Autos

Immerhin: Erste smarte Mobilitätsprojekte hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit angestoßen. Seit einigen Monaten stellt der VSS Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart Wochen- und Monatskarten auf die Polygo Card um. Sie berechtigt zum Fahren mit Bussen und Straßenbahnen, zum Ausleihen von Fahrrädern und Carsharing-Autos sowie zum Befüllen der Akkus von E-Mobilen an Schnellladestationen. Alles entspannt mit einer Karte.

In der Vernetzung von Verkehrsmitteln à la Schwabenmetropole sieht Silke Cuno vom Berliner Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme die Zukunft. „Es braucht Angebote, mit denen jeder Einzelne anbieterunabhängig in Echtzeit die optimale Route von A nach B für sich ermitteln kann“, sagt die Leiterin des EU-geförderten Forschungsprojekts Streetlife. Es erkundet, wie sich Autofahrer zum Umstieg aufs Fahrrad oder die Straßenbahn bewegen lassen.

Technische Hintergründe zu Akkus

In Berlin haben Senat, Verkehrszentrale und Siemens eine IT-Plattform geschaffen, die Daten des öffentlichen Nahverkehrs mit Unfallstatistiken sowie Wettervorhersagen und Luftschadstoffwerten kombiniert. Daraus ist eine kostenlose Navigations-App entstanden. Sie weist Pendlern die kürzeste, die sicherste und die umweltfreundlichste Route zum Ziel. Auch nahe gelegene Haltestellen und Ausleihstationen für Fahrräder zeigt sie an. So wird intelligente Mobilität zum Kinderspiel – grün, günstig, flott.

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