„Als der überwältigende Erfolg klar wurde, haben viele Konzerne kaum noch einen Sinn in der weiteren Wirkstoffforschung für neue Herbizide gesehen“, sagt Stübler. „Glyphosat ist ein extrem wirkungsvolles Mittel, damals ohne jegliche bekannte Resistenzen, zu einem günstigen Preis“, resümiert er die Glyphosatvorteile, „es war zu der Zeit kaum vorstellbar, etwas Besseres zu entwickeln.“ Ein Fehler, findet Stübler heute.
Wie verbreitet diese Einstellung war, zeigte sich schon bald an der Zahl angemeldeter Herbizidpatente. Innerhalb von zehn Jahren sank deren Zahl um mehr als zwei Drittel. Unter den bis 2020 absehbaren Patentanmeldungen der Branche ist kein einziger Glyphosatkonkurrent, schätzt Stübler. Er sollte es wissen: Bayer ist heute neben Syngenta der einzige Konzern weltweit, der überhaupt noch in relevantem Umfang an Herbiziden forscht – und der einzige, der eine Alternative zu Glyphosat anbieten kann. „Liberty“ nennen sie bei Bayer das Produkt, hinter dem der Wirkstoff Glufosinate-Ammonium steckt. Der Konzern vertreibt den Wirkstoff seit 1985, nach dem weltweiten Erfolg von Glyphosat war es selbst im Konzern ein wenig in Vergessenheit geraten.
Erst als vor ein paar Jahren in den USA erste Unkräuter gegen das Wundermittel Roundup resistent wurden, begann man bei Bayer, sich wieder für Liberty zu interessieren. Das ist zwar teurer in der Herstellung und komplizierter in der Anwendung, angesichts meterhoher Unkrautpflanzen in den Mais- und Sojafeldern der Great Plains ist das inzwischen aber nebensächlich.
Derzeit baut Bayer im US-Bundesstaat Alabama sogar ein ganz neues Werk, allein für die Herstellung der Vorstufen von Liberty. Auch am Forschungszentrum des Konzerns auf dem ehemaligen Hoechst-Gelände im Westen Frankfurts hat der Konzern rund 150 Millionen Euro in die Glufosinate-Entwicklung investiert.
Das Ende der Alternativlosigkeit?
Ist es also höchstens eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland die Zeit der Alternativlosigkeit auf dem Acker vorbei ist? „Die großen Probleme der deutschen Landwirte kann Liberty leider nicht lösen“, räumt Stübler ein. Zumindest müsste sich dafür der Klimawandel zunächst gehörig beschleunigen, denn anders als sein Namensvetter zweiten Grades ist der Wirkstoff Glufosinate sehr kälteempfindlich und daher zwar für das kontinentale Klima von Kansas oder Oklahoma geeignet, aber nicht für mitteleuropäische Breitengrade.
Die chemischen Alternativen für Bauern in Europa sind daher tatsächlich sehr beschränkt. Zwar weist Stübler darauf hin, dass gerade aufgrund der zunehmenden Resistenzen gegen Glyphosat derzeit alle Hersteller von Pflanzengiften ihre Forschung ausbauen. „Die Pipeline an neuen Wirkstoffen füllt sich sehr langsam wieder“, sagt Stübler. Aber: „Dass darunter ein gleichwertiger Ersatz für Glyphosat ist, glaube ich nicht. Der Wirkstoff war wirklich eine Jahrhundertentdeckung.“
So bliebe den Bauern im Falle eines Verbotes wohl tatsächlich nur der Weg des Landwirts Adolphi: häufiger pflügen, häufiger mit anderen Maschinen den Boden bearbeiten.
Wenn der Pflug die Lösung ist, Anthony van der Ley sollte es wissen. Schließlich ist der vergnügliche Holländer Geschäftsführer des Unternehmens Lemken. Fast jeder zweite Pflug, der in Deutschland verkauft wird, trägt die blaue Farbe des Konzerns. Eine Welt ohne Glyphosat, für ihn wäre es eine Welt stark steigender Gewinne. „Viele Landwirte schauen sich nach Alternativen zur Chemie um. Deshalb werden Pflüge zurzeit sehr stark nachgefragt“, sagt er.
Gerade ist der Firmenchef aus Usbekistan zurückgekommen, einem der Hauptwachstumsmärkte für Lemken. Doch auch in Deutschland laufen die Geschäfte gut. Rund 40 Lkws fahren pro Tag vor, um Maschinen vom Niederrhein auf die Felder zu bringen. Mit einem Jahresumsatz von gut 300 Millionen Euro ist Lemken im Vergleich zu den Branchengrößen John Deere oder Claas zwar eine kleine Nummer, im Bereich der Pflüge steht man neben dem norwegischen Konzern Kvernerland aber an der Spitze des deutschen Marktes.