Glyphosat-Experte Roland Solecki "Glaubenskrieg um Pflanzenschutzmittel"

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Nicht geheim, sondern Firmeneigentum

Können Sie es nachvollziehen, dass Menschen es zutiefst beunruhigend finden, den geheimen Daten von Chemiekonzernen zu vertrauen, die in ähnlichen Debatten aus früheren Jahren genauso argumentiert haben? Arsenhaltige Spritzmittel, DDT, Atrazin – alles angeblich total harmlos und ungefährlich?

Geheim sind diese Daten nicht, sie sind nur nicht ohne weiteres öffentlich zugänglich, weil eben Firmeneigentum. Ein Stück weit kann ich das Misstrauen schon verstehen, aber im Falle von Glyphosat ist dieser Verdacht, dass hier besorgniserregende Ergebnisse verschwiegen würden, tatsächlich unbegründet. Als Behörde kennen wir die Studienergebnisse. Diese Substanz ist ein vergleichsweise wenig toxischer Pestizid-Wirkstoff und die Anwendung unterliegt strengen gesetzlichen Auflagen. Denn Glyphosat reizt Schleimhäute und ist ein Giftstoff. Ich fürchte, dass nach einem Glyphosatverbot zu anderen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen gegriffen wird, die in ihrer Wirkung auf Mensch und Umwelt eindeutig kritischer zu bewerten sind.

Besorgt sie nicht einmal die schiere Menge, die vom Glyphosat ausgebracht wird? Weltweit kommen pro Jahr immerhin 720.000 Tonnen des Unkrautkillers auf die Felder.

Obwohl das so ist, liegen wir bei der Glyphosataufnahme durch die Nahrung bei höchstens zehn Prozent der Menge, die als kritisch und gesundheitsschädlich eingestuft wird. Bei anderen Chemikalien liegt diese Quote mit 70 oder sogar 90 Prozent oftmals weit höher. Genau diese Überlegung zu den Aufnahmemengen hat das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) ja jüngst auch angestellt. Diese Gruppe von Forschern der WHO und der UN-Welternährungsbehörde (FAO) hat sich die Frage gestellt, ob der Mensch mit der Nahrung überhaupt so viel Glyphosat zu sich nehmen kann, dass eine als wahrscheinlich betrachtete Krebsgefahr auch real würde. Das Ergebnis war nein.

Geschickterweise platzierte das JMPR seine Einschätzung am Wochenende vor der geplanten EU-Fachausschussentscheidung. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt?

Das stimmt so nicht. Es war wirklich ein Zufall. Das JMPR-Treffen war seit September 2015 für diesen Mai-Termin geplant. Und eigentlich hätte die EU-Kommissions-Entscheidung da schon längst gefallen sein sollen. Denn sie war ursprünglich schon für den März angesetzt, wurde damals aber zum ersten Mal verschoben.

Und wie geht es nun weiter? Wird die Kommission die jetzt gültige Frist einfach noch einmal um ein paar Monate verlängern? Oder einen neuen Beschlussvorschlag mit eventuell erneut verkürzter Laufzeit von weniger als neun Jahren einbringen? Oder wird sie die Zulassung zum 30. Juni einfach auslaufen lassen und Glyphosat damit quasi verbieten?

Die Kommission hat nun mehrere Prozeduren, die die Gesetzeslage vorgibt. Als BfR können wir nicht spekulieren, welche Option die Europäische Kommission ziehen wird.

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