Glyphosat Streitfall Unkrautvernichter

Sechs Wochen vor Ablauf der Zulassung für Glyphosat haben sich die EU-Staaten nicht auf eine Position einigen können. Jetzt wird die Entscheidung verschoben. Was man über das Pflanzenschutzmittel wissen sollte.

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Schriftzug Glyphosat. Quelle: dpa

Es gibt keine gemeinsame Position über den Umgang mit Glyphosat. Damit ist weiterhin offen, ob das Mittel auch in Zukunft in Europa eingesetzt werden kann. Die aktuelle Zulassung gilt noch bis zum 30. Juni. Bei einem Treffen von Vertretern der 28 Länder am Donnerstag in Brüssel kam nach Angaben aus EU-Kreisen nicht die nötige Mehrheit für oder gegen die Neuzulassung in Europa zustande. Zur formellen Abstimmung kam es gar nicht. Falls die EU-Staaten sich weiterhin nicht einigen können, müsste am Ende die EU-Kommission entscheiden. Dass es bisher keine Mehrheit für oder gegen die Neuzulassung gibt, liegt auch an Deutschland. Die große Koalition liegt in der Frage über Kreuz. Während die SPD-Minister gegen die erneute Genehmigung sind, sind die Unionsparteien dafür. Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Die Wissenschaft ist in dieser Frage gespalten, Umweltschützer sind gegen das Mittel. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ist Glyphosat gesundheitsschädlich?

„Kein Pflanzengift ist harmlos“, sagte Roland Solecki, dem Glyphosat-Experten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), im Interview mit der WirtschaftsWoche. Weiter: „Das Mittel reizt Schleimhäute und Augen und ist in sehr hoher Dosierung auch sehr gesundheitsschädlich. Dabei reagieren Versuchskaninchen empfindlicher als Ratten und Mäuse. Bei Kaninchen, die pro Kilogramm Körpergewicht 50 Milligramm pro Kilogramm Glyphosat gefüttert bekamen, konnten noch keinerlei Auswirkungen festgestellt werden, ab 100 Milligramm pro Kilogramm beobachteten Forscher schädliche Effekte. Erste Todesfälle sind erst ab einer Dosis von 200 Milligramm pro Kilogramm aufgetreten. Beim Menschen liegt die Dosis deutlich höher.“

Ist Glyphosat krebserregend?

In dieser Frage sind sich die Wissenschaftler selbst innerhalb der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht einig. Entgegen aller vorherigen WHO-Aussagen stufte die zur WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon den Wirkstoff im Frühjahr 2015 erstmals als "wahrscheinlich krebserregend für Menschen" ein. Kurz zuvor hatte die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) dem Unkrautvernichter das Gegenteil bescheinigt: Glyphosat sei "wahrscheinlich nicht krebserregend". Maßgeblich dafür war die Einschätzung des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), das im Vorfeld der regulär anstehenden Verlängerung der Zulassung von der EU mit einer Bewertung beauftragt worden war.

Gentechnik

Ganz aktuell wartete nun das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) mit einer neuen Einschätzung auf: Diese Gruppe von Forschern der WHO und der UN-Welternährungsbehörde (FAO) hält es für unwahrscheinlich, dass vom Glyphosat eine Krebsgefahr für Menschen ausgeht, schlicht weil der Mensch mit der Nahrung überhaupt nicht so viel Glyphosat zu sich nehmen würde, dass die Gefahr real würde.

All diese unterschiedlichen Aussagen beruhen nicht auf neuen, eigens dafür angelegten Studien. Die Wissenschaftler bedienen sich vielmehr aus einem Pool von bereits existierenden Studien, die sie sichten und bewerten. Pikant daran ist: Vor allem die von der Industrie selbst erhobenen Daten sind öffentlich publiziert und damit für alle Forscher zugänglich.

Was ist Glyphosat?

Es ist der in Deutschland und weltweit am häufigsten eingesetzte Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln. Weltweit wurden im Jahr 2012 davon 720.000 Tonnen von Agrokonzernen wie Monsanto, Syngenta, DowChemical, DuPont und vielen anderen hergestellt. Glyphosat ist ein sogenanntes Totalherbizid, das jede Pflanze umbringt. Sie wird deshalb von Landwirten gerne genutzt, um vor der Aussaat sämtliche „Unkräuter“ abzuspritzen. Und kurz vor der Ernte führt die Glyphosat-Dusche dazu, dass die Pflanzen in einer Art Notreife all ihre Energie in die Samen stecken und die Stengel absterben: So lässt sich leichter ernten und es erhöht den Ernteertrag.

Nur gentechnisch veränderte Organismen, die eine Resistenz gegen das Glyphosat tragen, widerstehen dem Pflanzengift.

Worüber entscheidet die EU?

Die Vertreter der 28 EU-Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCPAFF) darüber entscheiden, ob Glyphosat weiter für einen befristeten Zeitraum in der EU zugelassen wird oder nicht. Kommt dabei allerdings keine sogenannte qualifizierte Mehrheit zustande - die Stimmen der Länder werden dabei je nach Größe des Landes gewichtet - kann die Kommission freihändig entscheiden, sowohl in die eine wie in die andere Richtung.

Was würde passieren, wenn Glyphosat verboten wird?

Tatsächlich gibt es bisher keine umweltfreundliche Alternative zum Glyphosat. Die Hoffnung der Umweltschützer: Landwirte würden dann wieder auf manuelle Methoden wie etwa das Pflügen zurückgreifen. Kritiker des Verbots gehen jedoch davon aus, dass Bauern bei einem Verbot auf noch umwelt- und gesundheitsschädlichere Agro-Chemikalien zurückgreifen würden. Lesen Sie dazu "Letzte Runde im Kampf um das Unkrautgift".

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Mit Material von dpa.

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