Green Economy Die Illusionen einer grünen Ökonomie

Umweltschutz mit Wirtschaftswachstum versöhnen zu wollen bleibt Illusion.

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Grüne Ökonomie und Wirtschaftswachstum sind kaum vereinbar, das sollte aber nicht das Hauptziel sein Quelle: dpa

Vor zwei Jahren schien die Welt für Volkswagen noch in Ordnung zu sein: „VW verfolgt eine systematische CO2-Vermeidungsstrategie und ist auf gutem Weg, zu einem Vorreiter der Green Economy zu werden“, lobte der damalige Umwelt- und heutige Kanzleramtsminister Peter Altmaier. Die jüngste Skandalserie lässt nicht nur die Geschäftspraktiken von Autokonzernen in neuem Licht erscheinen. Sie wirft auch die Frage auf, welchen Wert Bekenntnisse zur grünen Ökonomie haben. Sie soll ja nicht ein Marketingkonzept sein, sondern eine neue Wirtschaftsordnung, zugeschnitten auf die globalen Herausforderungen – insbesondere den Klimawandel.

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Angesichts der Bedrohung durch die Erderwärmung kann die zentrale Botschaft nur lauten: Die Tage des fossilen Kapitalismus sind gezählt. Fast 90 Prozent der bekannten Kohlereserven, die Hälfte des Erdgases und ein Drittel der bekannten Erdölvorkommen müssen im Boden bleiben. Spätestens seit dem letzten G7-Gipfel ist diese Dekarbonisierung der Welt ins Zentrum der globalen Politik gerückt. Doch sie erfordert ein radikales Umgestalten der Wirtschaft. Das erkennt die Green Economy an, so wie sie Weltbank, OECD und Umweltprogramm der UN (UNEP) verstehen. Und verbindet die Einsicht mit der optimistischen Botschaft: Die Wirtschaft kann weiter wachsen, Wachstum kann grün werden.

Diese Wette auf grünes Wachstum ist aber riskant. Auf die Green Economy kann sich nur der einlassen, der fest an technische Innovation glaubt und die realen Machtstrukturen ignoriert. Sie ist insofern nicht eine realistische Option, sondern eher ein Glaubens- und Ausblendungsprogamm. Trefflich lässt sich das gerade in diesen Wochen an der in Deutschland so mächtigen Automobilindustrie nachvollziehen. Wer genau hinschaut, erkennt vier zentrale Widersprüche der Green Economy: Pseudo-Innovation, Reboundeffekte, grüne Irrwege sowie schließlich der Abschied von Verantwortung und Gestaltungsmacht demokratisch verfasster Politik.

Motoren werden zwar effizienter, aber größer

Elf Milliarden Euro investierte VW bisher jährlich in Innovation, mehr als jeder andere Konzern der Welt. „Mehr Reichweite, kraftvollere Motoren, komfortableres Reisen – bei weniger Verbrauch“, so definierte das Management seine Innovationsstrategie. Doch bei genauerem Hinsehen bleibt davon nicht viel übrig: Auch wenn durch punktuelle Maßnahmen der Verbrauch sinkt, fressen die ständige Steigerung der Motorleistung und das Größenwachstum der Modelle diese Effizienzgewinne gleich wieder auf. Was die in den vergangenen Jahren zunehmende Kluft zwischen Test- und Realverbräuchen belegt.

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Stattdessen sind es die Wettbewerber im Ausland, die innovativere und tatsächlich effizientere Antriebe entwickeln: Sei es durch konsequentes Verkleinern der Motoren in der gesamten Fahrzeugflotte (Frankreich, Italien), Hybridisierung der Antriebe für den Massenmarkt (Japan) oder ein alltagstaugliches Elektromobil (USA).

Somit zielt VWs Innovationsstrategie – und auch die der anderen deutschen Hersteller – vor allem darauf ab, die bereits 100 Jahre alte Technik des Verbrennungsmotors bis zum Ende auszureizen. Nicht aber, sie zu überwinden. Von Volkswagen können wir bestenfalls etwas sparsamere Motoren und schnellere Autos erwarten, aber kein Verkehrskonzept, das die Dominanz des individuellen Pkws überwindet: mit einer konsequent vernetzten Mobilität unter mindestens gleichwertiger Einbeziehung von öffentlichem Nahverkehr und anderen Fortbewegungsarten. Innovation ist kein Selbstläufer. Sie wird geprägt durch die Interessen mächtiger Akteure, die ihr Geschäftsmodell retten wollen.

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