Klima-Orakel Die positiven Seiten des Klimawandels

Leser fragen, Klima-Experten antworten. Diesmal will Hans Weber aus Nürnberg wissen: „Hat der Klimawandel auch etwas Gutes?“ Kirsten Thonicke vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung antwortet ihm.

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Zu den negativen Folgen des Klimawandels zählt der weltweit zu beobachtende Rückgang der Gletscher - hier der Gletscher im Kangerdlugssuaq-Fjord in Ost-Grönland. Aber haben die globalen Klimaveränderungen nicht auch positive Seiten? Quelle: dpa

Klar hat der Klimawandel auch etwas Gutes, könnte man sagen – es wird endlich wärmer in Deutschland. Doch das scheinbar Offenkundige stimmt nicht. Das Beispiel zeigt vielmehr, wie zwiespältig die meisten vorgeblich positiven Folgen der Erderwärmung sind.

Diese könnten bei uns nämlich häufiger besonders kalte Winter bringen: Das Meereis nördlich von Norwegen wird wegen der Erwärmung weniger, und durch die lokale Erwärmung dort werden kalte Luftströme mit einer größeren Wahrscheinlichkeit umgelenkt nach Europa.

Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen „guten“ Folgen des Klimawandels: Der Weinbau in Norddeutschland wird einfacher, sogar gute Rote gedeihen jetzt – einerseits. Andererseits haben Winzer im sich aufheizenden Mittelmeerraum es schwerer und müssen mehr bewässern. Und deutsche Weinbauern werden wohl verstärkt Wetterextremen wie Starkregen oder Hagel ausgesetzt sein.

Auch wenn in nördlichen Breiten künftig zwei Getreide-Ernten im Jahr möglich werden sollten, stehen dem Ertragsverluste in den Ländern des Südens gegenüber. Der eine Effekt hebt den anderen nicht einfach auf: Afrikanische Kleinbauern werden bei Wegfall ihrer Existenzgrundlage niemals auf dem Weltmarkt das aus den nördlichen Ländern vermehrt angebotene Getreide kaufen können.


Werden Tundra und Sahara grüner?

Ein anderes Beispiel: In der kargen Tundra könnten als Folge der Erwärmung viel mehr Bäume wachsen. Doch dadurch wird das alteingesessene Ökosystem dort drastisch verändert. Und im Unterschied zu den tropischen Wäldern ist mehr Bewaldung in nördlichen Breiten nicht unbedingt gut für das Klima: Die Bäume sind dunkler als das bislang vorherrschende Gras, und was dunkler ist, das absorbiert auch mehr Sonnenstrahlung – was die Erderwärmung weiter verstärkt.

Dieser sogenannte Albedo-Effekt übertrifft den Nutzen der nördlichen Wälder als Kohlenstoffsenke. Außerdem könnten einzigartige Pflanzen verloren gehen, Tiere ihre Futter- und Brutorte verlieren, Waldbrände häufiger werden.

Schließlich das bekannteste Beispiel: Die Sahara könnte teilweise deutlich grüner werden, weil Niederschlagsmuster sich ändern. Ist nicht wenigstens das gut?

Örtlich vielleicht schon. Allerdings werden wahrscheinlich an anderen Stellen umgekehrt Steppen Wälder ersetzen. Und so ganz sicher ist das mit dem Ergrünen noch nicht, weil Regen und Trockenheit komplexe Phänomene sind.

Im Ergebnis gilt: Mit dem Klimawandel begeben wir uns auf unbekanntes Terrain – auf dem die Risiken größer wirken als die Chancen. Erforderlich ist in jedem Fall eine neue globale Gerechtigkeit, um regionale Gewinne und Verluste auszugleichen, und einen neue Art von Generationenvertrag, um langfristige Schäden zu kompensieren.“

Das Klima-Orakel erscheint in Zusammenarbeit von Handelsblatt Online und der vom Bundesumweltministerium geförderten Initiative Klima sucht Schutz.

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