Was ist mit den 300 Optionen und über 1400 eckigen Klammern im Verhandlungstext, die Stellen anzeigen, über die noch kein Konsens besteht? Sind Sie optimistisch, dass es kein zweites Kopenhagen geben wird?
Jedenfalls wird es Zeit, dass wir jetzt mal ein bisschen Gas geben. Die Verhandlungen in den ersten Tagen sind enorm langsam, und das können wir uns wenige Tage vor dem geplanten Abschluss wirklich nicht länger leisten. Deshalb hoffe ich, dass alle Delegationen auch die Tonlage ihrer Staats- und Regierungschefs am Montag gehört haben, die ja alle durch die Bank gesagt haben: Jetzt geht es an die Arbeit, jetzt geht es darum, zu einer Einigung zu kommen. Das hat jedenfalls hier noch nicht zur ausreichenden Geschwindigkeit geführt.
Big Player beim Klima-Poker in Paris
Der weltweit größte CO2-Emittent hat in seiner Klimapolitik eine Kehrtwende vollzogen: Galt die Volksrepublik bei der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen noch als großer Verweigerer, erwarten Beobachter nun, dass sich das Land in Paris für einen erfolgreichen Klimagipfel einsetzen wird. Staatspräsident Xi Jinping und Frankreichs Präsident François Hollande sagten Anfang November in einer Erklärung zu, sich für regelmäßige Kontrollen der in Paris vereinbarten Ziele stark zu machen. Demnach soll alle fünf Jahre eine komplette Überprüfung der erreichten Fortschritte erfolgen. Peking hatte im Juni angekündigt, seine bisherigen Klimaziele für den Gipfel zu erhöhen. Der Ausstoß von Kohlendioxid soll demnach möglichst vor 2030 den Höhepunkt im Land erreichen. 20 Prozent des Energiebedarfs sollen bis dahin aus nicht fossilen Quellen gedeckt werden. Zudem sollen die Emissionen gemessen an der Wirtschaftsleistung bis 2030 um 60 bis 65 Prozent gegenüber 2005 reduziert werden. Durch drastisches Einsparen von Kohle hofft China, auch die Smogprobleme in den Großstädten zu lösen.
US-Präsident Barack Obama hat sich früh zum Klimagipfel in Paris bekannt und zeigt sich zuversichtlich. Die größte Volkswirtschaft der Welt hat angekündigt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 17 Prozent im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Bis 2025 sollen sie um 26 bis 28 Prozent sinken und bis 2050 um 80 Prozent. Gegen teils erbitterten Widerstand der konservativen Republikaner hat Obama zuletzt Zeichen gesetzt. So verbot er den Weiterbau der umstrittenen Keystone-Pipeline, die Ölsand-Abbaugebiete in Kanada mit dem Golf von Mexiko verbinden sollte. Allerdings hatte Außenminister John Kerry in Europa Verärgerung ausgelöst, als er erklärte, eine Vereinbarung auf dem Klimagipfel werde „definitiv“ nicht den Status eines Vertrages haben. Dies wird in den USA als innenpolitische Taktik gewertet – einen rechtlich verbindlichen Vertrag müsste Obama wohl durch den von den Republikanern dominierten Senat boxen.
Die EU hat sich selbst im internationalen Vergleich ehrgeizige Ziele gesetzt. So soll sich etwa der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 vermindern. Zudem macht sich der Staatenverbund dafür stark, dass der CO2-Ausstoß bis zum Ende des Jahrhunderts auf Null sinkt. In Paris, so die Forderung, muss ein verbindliches Klimaschutzabkommen vereinbart werden. Zudem soll ein Mechanismus vereinbart werden, bei dem die Weltgemeinschaft ihre Klimaschutz-Anstrengungen alle fünf Jahre auf den Prüfstand stellt und falls nötig nachjustiert. Denn langfristig soll die Erderwärmung auf maximal zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden.
Diese heterogene Gruppe reicht von Bangladesch und anderen stark durch den Klimawandel gefährdeten Staaten bis Saudi Arabien. Viele der Länder haben zwar auch nationale Klimaschutzpläne vorgelegt, die Erfüllung der Ziele jedoch oftmals von finanzieller oder technischer Unterstützung durch die Industrienationen abhängig gemacht. Diese hatten unter bestimmten Bedingungen Klimahilfen zugesagt, die bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar erreichen sollen. Nun pochen die Entwicklungsländer auf konkrete Vereinbarungen dazu. „Das wird ein grundlegender Vertrauenstest für Paris“, sagte der Geschäftsführer der Organisation Germanwatch, Christoph Bals.
Das aufstrebende Schwellenland will bis 2030 etwa ein Drittel weniger Treibhausgase im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt ausstoßen als 2005. Das soll vor allem durch den massiven Ausbau der Solarenergie sowie eine Reduktion der Subventionen für fossile Brennstoffe und eine Kohle-Steuer gelingen. Indiens Formel lautet: 175 Gigawatt aus erneuerbaren Energien schon bis 2022, das ist viermal so viel wie heute. Doch Neu Delhi macht auch klar: Dafür braucht es richtig viel Geld und Technologietransfer. Weil die Industrieländer historisch gesehen den Klimawandel fast allein verantworten, sollten sie nun auch zahlen.
Wer sind denn die Treiber, sind China, die USA und Kanada dabei, bei einem Bündnis der Ambitionierten?
Es gibt ganz viele verschiedene Interessensgruppierungen: Interessensgleichheit der besonders vulnerablen Länder etwa. Die wollen, dass wir die weiter entwickelten Schwellenländer bei der Finanzierung mit an Bord kriegen. In diesem Fall haben die alten Industriestaaten und die besonders anfälligen Staaten eher gleiche Interessen. In anderen Fragen, wo es darum geht, die Integrität, das Funktionieren des Überprüfungsmechanismus voranzubringen, sind es wieder andere Bündnisse. Also es gibt nicht diese ein, zwei oder drei Blöcke. Sondern eine wirklich komplizierte Gemengelage. Allerdings auch eine, die wir alle gut genug kennen. Wir müssen jetzt hier in den nächsten Tagen wirklich aufhören mit den Ritualen, wir können uns die Positionen einander regelrecht heruntersingen, von morgens bis abends. Jetzt geht es mal langsam daran, zum Abschluss zu kommen.
Fehlt da ein Psychologe?
Der Anteil an den Verhandlungen, der Therapeuten bräuchte, ist jedenfalls in den vergangenen Jahren nicht kleiner geworden.
Auf einer Skala von 0 bis 10- wo steht Deutschland bei der CO2-Neutralität?
Wir sind noch ein gutes Stück davon entfernt, aber wollen sie bis zur Mitte des Jahrhunderts weitgehend erreichen. Das müssen wir auch, schon allein abgeleitet aus den europäischen Zielen.
Und wie sieht es bei Ihnen persönlich aus?
Ich lebe sicher nicht komplett CO2-neutral, wie das wahrscheinlich kaum einer in Deutschland schafft. Beim Energieverbrauch bin ich schon ziemlich weit: Ich habe eine Thermosolaranlage, ich beziehe Ökostrom. Schwieriger ist es bei meiner Mobilität. Ich habe einen Dienstwagen, ich fahre Rad und mit der Bahn, aber ich muss auch viel fliegen. Da komme ich wegen meines Jobs nicht drumherum. Auch deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass die Treibhausgase aus den Dienstreisen der Bundesregierung komplett kompensiert werden, durch Investitionen in internationale Klimaschutzprojekte