Irgendetwas an den bisherigen Simulationen, so viel ist klar, kann nicht stimmen. Das Klima reagiert offenbar weit weniger sensibel auf den Anstieg der Treibhausgase als befürchtet.
Trotz dieses Befunds wird nicht automatisch alles gut. Die Gefahren einer Erderwärmung sind nicht ausgeräumt. Auch wenn Klimaskeptiker die Ungereimtheiten der Forschung jetzt dazu ausschlachten, dem Publikum genau dies zu suggerieren. Das aber ist ebenso unverantwortlich wie die Horrorgemälde der Mahner.
Nicht auszuschließen ist zum Beispiel, dass die Risiken an ganz anderer Stelle auftauchen, als die Klimatologen bisher vermuteten. Gerade hatten diese in Stockholm verhaltene Entwarnung für die Weltmeere gegeben, da meldeten sich in London Meeresforscher zu Wort. Ihre Warnung: Das CO2 versaure die Ozeane so stark wie zuletzt vor 300 Millionen Jahren. Mögliche Folge: Selbst Gewässer wie vor Maine, wo die Fischbestände wegen der Erwärmung gerade stark zunehmen, könnten sich in Todeszonen verwandeln.
Es wäre kurzsichtig, solche Risiken zu ignorieren. Niemand kann wollen, dass eine Nahrungsquelle für Milliarden Menschen versiegt. Doch der Streit der Experten zeigt auch, auf welch unsicherer Basis sich viele wissenschaftliche Aussagen zu Ursachen und Wirkung des Klimawandels bewegen. Weit öfter gibt es mehr Fragen als Antworten.
Die Verfasser des aktuellen Klimareports räumen diese Unsicherheiten an vielen Stellen erstmals ein, anstatt sie wegzudiskutieren. Das ist ein Fortschritt – und zugleich Anlass, die bisherige Klimapolitik neu zu justieren. Der Däne Bjørn Lomborg, Leiter des Copenhagen Consensus Center, sieht stellvertretend für viele Kritiker des IPCC in dem Report die große Chance, „die Klimadiskussion endlich realistischer und intelligenter zu führen“. Die Triebfedern, so ihr Appell, sollten diesmal Rationalität und wirtschaftliche Vernunft statt Alarmismus und blinder Aktionismus sein.
Die Reiter der Apokalypse dagegen malten wahre Schreckensbilder, um die Menschen auf ihren Kurs einzuschwören. Die Spiegel der Meere könnten bis 2100 um bis zu sechs Meter ansteigen und New York überfluten, prophezeite etwa der frühere US-Vizepräsident Al Gore. Selbst ein besonnener Mann wie der Ex-Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern ließ sich dazu hinreißen, mit Rechentricks einen Schaden von 20 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts herbeizurechnen Am Ende musste der Professor einräumen, zu hoch gegriffen zu haben.
Politiker fast aller Couleur ließen sich dennoch nicht zwei Mal bitten. Unter Berufung auf den Stern-Report und die Berichte des IPCC, erließen sie in schneller Folge Gesetze und erfanden Instrumente, die Wirtschaft und Verbrauchern Milliardenlasten aufbürden. Es war chic und galt als förderlich für die Wiederwahl, sich als Klimaretter zu präsentieren. Dass viele Maßnahmen auf äußerst unsicheren Annahmen der Klimaforschung beruhten, störte augenscheinlich nur wenige Mahner.