Knauß kontert

Wahre Konservative müssen echte Grüne sein

Ferdinand Knauß Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Ferdinand Knauß Reporter, Redakteur Politik WirtschaftsWoche Online Zur Kolumnen-Übersicht: Anders gesagt

Die sich heute in westlichen Ländern konservativ nennen, verdienen oft kaum den Namen. Sonst würden sie von den Grünen das konservativste aller Themen zurückerobern: den Schutz der Natur.

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Roger Scruton daheim in Großbritannien. Quelle: Getty Images

Der künftige US-Präsident Donald Trump bezeichnet sich als „sehr konservativ“. In Frankreich hat mit François Fillon ein Mann die Vorwahlen der „Republikaner“ gewonnen, der eine „Renaissance“ verspricht, eine Wende, „wie es seit 30 Jahren keine mehr gegeben hat“. Sein Erfolg sei „auf Überzeugungen und Werten gebaut“. Keine Frage, Fillon gilt als konservativ.

Selbst in Deutschland melden sich innerhalb der CDU mittlerweile wieder zaghafte Stimmen, die „konservativ“ nicht noch weiter zum politischen Schimpfwort verkommen lassen möchten. Schließlich vereinnahmt die AfD den Begriff für sich - und nimmt der CDU damit Stimmen weg.   

Abneigung gegen unbegrenzte Einwanderung, gegen den Verlust nationalstaatlicher Souveränität, gegen die Marginalisierung der Familie und gegen politische Korrektheit stehen für die, die sich heute „konservativ“ nennen, meist im Vordergrund. Doch den meisten fehlt ein Anliegen in ihren Programmen, ohne das der Konservatismus im dritten Jahrhundert nach Beginn der Industrialisierung keinen Anspruch erheben kann, Antworten auf die Probleme der Zeit zu liefern. Das Bewahren der Natur, der Schutz der Schöpfung müsste für jeden, der „konservativ“ (lat. „conservare“= bewahren, schützen)  zu sein behauptet, eine zentrale Motivation sein. Die naturvergessene Weltanschauung des Donald Trump hat mit einem ernsthaften Konservatismus wenig zu tun.

Der wichtigste konservative Denker der Gegenwart, der englische Philosoph Roger Scruton ist in Deutschland leider sehr viel weniger gelesen als in seiner Heimat, wo ihn Prinz Charles vor wenigen Tagen zum Ritter schlug. Scruton liefert mit seinen Büchern und nicht zuletzt mit seinem eigenen Lebensstil als das, woran es vor allem den deutschen Konservativen der Gegenwart mangelt: philosophisch-lebensweltliche Orientierung. Das ist schade, weil Scruton ein profunder Kenner der deutschen Denkgeschichte ist. Sein Buch Grüne Philosophie ist jedem zu empfehlen, der nach einem zeitgemäßen Konservatismus sucht:  

„Während der Sozialismus und der Liberalismus in ihrer Zielsetzung global sind, ist der Konservatismus von Natur aus lokal: Er verteidigt die spärlichen Reste von Sozialkapital gegen die Kräfte anarchischen Wandels. Eben dieser lokale Charakter ist es, der den Konservativismus prädestiniert für die Lösung von Umweltproblemen." Die größten Erfolge bei der Bewahrung natürlicher Lebensräume verzeichnen nach Scruton „ganz normale Leute, angespornt von ihrer altmodischen Oikophilie, der Liebe zu ihrem Heim“, die „freiwillig das Problem auf der lokalen Ebene analysieren und hausgemachte Lösungen dafür suchen."

Warum aber gilt Ökologie heute als links? Warum sind die Grünen, die vorgeblich die Umwelt "konservieren" möchten, progressiv und nicht konservativ?

 

Die Entfremdung zwischen Konservatismus und Ökologie war eine entscheidende Wendung in der Geschichte der westlichen Gesellschaften im späten 20. Jahrhundert – und Deutschland deren Hauptschauplatz. Es ist kein Geheimnis, wird aber sowohl von heutigen Grünen-Anhängern als auch von bekennenden Konservativen oft ignoriert, dass die Wurzeln der ökologischen Bewegung im konservativen Spektrum des politischen Denkens liegen. Man kann diese ins 19. Jahrhundert und sogar noch viel weiter zurückverfolgen, wie es der Historiker Joachim Radkau in seinem Standardwerk Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte getan hat.

Aber bleiben wir in der jüngeren Vergangenheit. Als sich in den 1960er und 70er Jahren die „ökologische Revolution“ ereignete, war diese zunächst keineswegs unmittelbar mit derjenigen der „68er“ verbunden. Eher im Gegenteil.

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