Ob Medizintechnik, Nahrungsmittelindustrie oder Hausgeräte: Quer durch alle Branchen werden technisch simple, aber effiziente Produktideen aus Entwicklungsländern zum Vorbild für Innovationen weltweit tätiger Unternehmen.
PepsiCo etwa will so die Reisproduktion effizienter gestalten. Das Unternehmen benötigt Reis unter anderem für seine Lebensmittelmarken Lay’s und Quaker. Ziel ist, zusammen mit indischen Bauern beim Anbau rund ein Drittel weniger Wasser zu verbrauchen. Dafür entwickelt Pepsi sogar neue Pflanzgeräte und Anbautechniken mit. Beides senkt den Wasserbedarf bei der Aufzucht der Setzlinge und spart auch das aufwendige Umsetzen der Jungpflanzen.
Aber nicht jedes Unternehmen muss gleich die Landwirtschaft neu erfinden. Teils reicht es, den Kunden aufmerksamer zuzuschauen. Selbst wenn der Kundendienst zunächst entsetzt ist, wie es bei dem chinesischen Haushaltsgerätehersteller Haier der Fall war: Dort erfuhren die Mitarbeiter, dass Bauern in der chinesischen Provinz in ihrer Waschmaschinen nicht nur Wäsche reinigten, sondern auch Kartoffeln und Rüben.
Dieser nicht vorgesehene Sonder-Waschgang mit den Feldfrüchten setzte den Waschmaschinen arg zu, verstopfte sie mit Erde und ließ die Wasserschläuche platzen. Zhang Ruimin, Chef des Hausgeräteherstellers Haier, fand das interessant. Statt – wie die Konkurrenz – vor dem unsachgemäßen Gebrauch zu warnen, wies Ruimin seine Designer an, die Waschmaschinen nicht nur robuster zu bauen, sondern auch für das Reinigen von Gemüse umzurüsten. Die Mehrzweck-Maschine, die sich allenfalls durch eine größere Füllöffnung an der Oberseite und einen auswechselbaren Einsatz von normalen Top-Ladern unterscheidet, wurde ein Hit.
Für Ruimin ist das die Basis für den Erfolg. „Man muss flexibel sein“, sagt der Konzernchef. Um von solchen Ideen künftig noch früher zu erfahren, schulte Ruimin auch seine Vertriebsmannschaft in der Marktforschung. Sie soll dem Konzern von Kunden und deren Umgang mit den Haier-Geräten berichten. So entstand bei Haier auch eine Waschmaschine, die sogar in einem Spezial-Schleudergang Ziegenmilch in Butter verwandeln kann.
Der Stau in indischen Innenstädten ist legendär. Vier Jahre ist es her, dass Tejas Khsatriya in Mumbai in einer Kolonne im ersten Gang dahinrollte, was nicht nur seine Nerven, sondern wegen der Abgase auch seine Atemwege quälte. Der Fahrzeugingenieur beschloss, etwas gegen die Tortur zu tun – gegen die schlechte Umgebungsluft und den Spritverbrauch im Kriechgang.
Hybrid für 1.500 Dollar
Sein Ansatz: Revolo, eine Kombination aus Elektromotor und Batterie, mit dem sich jedes Auto in einen Hybrid umrüsten lässt. In niedrigen Gängen hilft der Elektromotor beim Beschleunigen, was bis zu 40 Prozent Kraftstoff sparen soll. Zwar sind solche Hybride, die sich mit Strom und Benzin fortbewegen, nichts Neues. Doch Khsatriyas Herausforderung und die seines Arbeitgebers, des Ingenieur-Beratungsunternehmens KPIT Cummins, war, eine Technik zu entwickeln, die nicht nur für indische Kunden bezahlbar war, sondern auch ohne große Umbauarbeiten in fast jedem Pkw und Kleinlaster installiert werden kann.
Bleimotoren statt Lithium-Ionen-Akkus
Revolo soll mit dem Fahrzeugteilhersteller Bharat Forge als Umrüstkit zum Preis von 1.500 bis 3.000 Dollar im nächsten Jahr in Indien auf den Markt kommen. Das System ist so ausgelegt, dass es in jedem Wagen installiert werden kann, ohne dass dessen Getriebe groß verändert werden muss. Um Kosten zu sparen, kommt ein preiswerter Induktionsmotor zum Einsatz; und statt teurer Lithium-Ionen-Akkus billige Bleibatterien, die über ganz normale Kabel an der heimischen Steckdose aufgeladen werden.
Während der Fahrt werden die Batterien beim Bremsen aufgeladen. Revolo soll zunächst den indischen Fahrzeugmarkt aufrollen. Es gibt aber auch schon Gespräche mit westlichen Autoherstellern. Vergleichbare Umrüstkits kosten derzeit rund 20.000 Dollar. KPIT Cummins zielt für den westlichen Markt auf 5.000 bis 8.000 Dollar.
15 Millionen Babys werden laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation jedes Jahr zu früh geboren, mehr als eins in zehn Geburten. Von den Frühgeburten stirbt mindestens eine Million in den ersten Tagen, die Überlebenden leiden meist an gesundheitlichen Schäden.
Viele hätten eine Chance auf Leben oder bessere Gesundheit, wenn sie ausreichend gewärmt würden – etwa in einem Brutkasten. Doch die bis zu 20.000 Dollar teuren Geräte sind für Entwicklungsländer oft zu teuer. Die wenigen Exemplare stehen in Krankenhäusern, die für viele Mütter, die zu Hause gebären, finanziell und geografisch unerreichbar sind.
Ein Problem, für das die kalifornische Eliteuniversität Stanford von ihren fähigsten Köpfen in einem Studienprogramm für preisgünstiges Produktdesign eine Lösung forderte. Die Betriebswirtin Jane Chen, der Elektroingenieur Rahul Panicker, der Raumfahrtingenieur Naganand Murty und der Informatiker Linus Liang fanden sie in Form eines mobilen Babywärmers. Er sieht aus wie ein Schlafsack und ist innen mit einem Spezialmaterial beschichtet, das mit Strom oder heißem Wasser aufgewärmt wird und das Frühchen über mehrere Stunden warm hält. Alternativ reicht die Körpertemperatur der Mutter, die sich den Wärmsack mit dem Baby vor die Brust schnallt.
Lebensrettender Wärmesack
Die lebensrettende Lösung kostet 25 Dollar. Immer noch zu teuer für besonders arme Länder. Doch der Wärmesack ist so gestaltet, dass er einfach desinfiziert werden und so von mehreren Müttern und ihren Babys genutzt werden kann. Die von Chen gegründete Hilfsorganisation Embrace will den Baby-Sack deshalb in Dörfern an Hebammen verteilen, die den Mehrfacheinsatz koordinieren.
Was als Projekt für Entwicklungsländer begann, stößt nun auch auf Interesse in der US-Gesundheitsbranche. Denn Babys könnten so früher aus dem Brutkasten genommen werden und dabei über den am Leib getragenen Wärmesack eine körperliche Bindung zwischen Baby und Mutter herstellen, was in den ersten Lebenswochen ebenfalls entscheidend ist.