Energieversorger RWE testet bereits seit mehr als eineinhalb Jahren, ob sich die in Deutschland immer noch zahlreich vorhandenen Nachtspeicherheizungen als Pufferspeicher für überschüssigen Strom nutzen lassen. Das erste Fazit nach Versuchen mit 50 Haushalten mit Nachtspeichergeräten fällt bei der zuständigen Tochtergesellschaft RWE Effizienz positiv aus. „Dass es technisch funktioniert, haben wir in den vergangenen Heizperioden bereits bewiesen. Jetzt müssen wir die Wirtschaftlichkeit dieser Lösung erhärten und zeigen, dass es für den Kunden attraktiv ist“, sagt Norbert Verweyen, Geschäftsführer der RWE Effizienz GmbH.
Dabei haben Nachtspeicherheizungen gerade wegen der hohen Verbrauchskosten einen ausgesprochen schlechten Ruf. Die Verheißungen der 50er und 60er Jahre, Nachtspeichergeräte seien Kosten sparend, weil nur der billigere Nachtstrom zum Aufladen der Geräte verwendet wird, erwiesen sich nach der Ölkrise 1973 in den meisten Fällen als Farce. Die Geräte verschlingen enorme Strommengen und sind unbequem in der Steuerung der Wärmeabgabe. Zudem kommt es bei leerem Speicher immer wieder vor, dass sich die Geräte mit dem teuren Strom am Tage aufladen. Viele Erstbenutzer klagen deshalb über horrende Stromnachzahlungen. Laut Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen waren Nachspeicher-Stromheizungen selbst 2008, als die Heizölpreise neue Rekordstände erreichten, immer noch die teuerste Art, für angenehme Temperaturen im Wohnraum zu sorgen.
Die Energiewende und der Sand im Getriebe
Der Netzausbau ist weit hinter dem Plan zurück. Die Betreiber der teuren Offshore-Windsparks in Nord- und Ostsee sind verärgert, dass es immer neue Verzögerungen gibt, beim Energiesparen gibt es kaum Fortschritte, die Debatte über die Ökostromförderung entwickelt sich zum Dauerbrenner - die Liste ließe sich fortsetzen. Die Regierung muss an zahlreichen Stellschrauben drehen, ein abgestimmtes Konzept ist in vielen Bereichen aber noch nicht erkennbar.
Der Ausbau der erneuerbaren Energie liegt nicht nur im Plan, er übertrifft sogar die Erwartungen. Im ersten Halbjahr 2012 machte Ökostrom erstmals mehr als 25 Prozent am deutschen Strommix aus, insgesamt wurden knapp 68 Milliarden Kilowattstunden ins Stromnetz eingespeist. Die Windkraft hat mit 9,2 Prozent den größten Anteil, vor der Bioenergie mit 5,7 Prozent. Der Anteil der Solarenergie hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt und liegt nun mit 5,3 Prozent auf dem dritten Platz, vor der Wasserkraft mit vier Prozent.
Der Anstieg der erneuerbaren Energien kann für die Stromkunden teuer werden. Wenn mehr Ökostrom produziert wird, steigt auch die Umlage zur Förderung der Energie aus Sonne, Wind oder Wasserkraft, die über den Strompreis gezahlt wird. Diese ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt und liegt aktuell bei 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet für einen Durchschnittshaushalt rund 125 Euro Zusatzkosten pro Jahr. Der Aufschlag dürfte sich nun deutlich erhöhen. Spekuliert wird bereits über einen Anstieg auf 5,3 Cent zum Jahreswechsel, was die Kosten für einen Durchschnittshaushalt auf 185 Euro hochtreiben würde.
Das ist noch offen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnt immer wieder, dass hohe Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnten. Er fordert deshalb eine Reform der Förderung. Die Regierung hat jedoch erst 2011 eine Reform des EEG auf den Weg gebracht, die Anfang 2012 in Kraft trat und bei der Solarförderung nochmals verändert wurde. Außerdem ist der Strompreis viel stärker gestiegen als die Ökoenergieförderung. Umweltschützer halten mangelhaftes Energiesparen und pauschale Befreiungen für die stromintensive Industrie für die eigentlichen Preistreiber.
Neben dem Ausbau der Windkraftanlagen an Land gilt der Ausbau der Offshore-Windenergie, also der Windkraftanlagen im Meer, als wichtiger Pfeiler der Energiewende. Bis zum Jahr 2020 sollen vor den Küsten Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 10 000 Megawatt zur deutschen Stromerzeugung beitragen. Das sind ungefähr 2000 Windkraftwerke. Gegenwärtig arbeiten in der Nordsee aber erst 28 Anlagen mit 140 Megawatt Leistung. Dazu kommen noch 21 kleinere Windkraftwerke in der Ostsee - macht zusammen gerade einmal 180 bis 190 Megawatt.
Das größte Problem ist nach wie vor die Anbindung der Anlagen in Nord- und Ostsee an das Festlands-Stromnetz. Zudem reichen die Leitungen an Land nicht für den Weitertransport des Windstroms in den Süden Deutschlands. Die Stromerzeuger sehen wegen der Verzögerungen beim Netzanschluss inzwischen die ganze Energiewende in Gefahr. Sie verlangen dringend Klarheit, wer dafür haftet, wenn die Windparks stehen, aber nicht ans Netz gehen können. Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) haben vorgeschlagen, dass die Verbraucher die Kosten für Verzögerungen über den Strompreis mittragen sollen. Rösler hofft auf eine endgültige Regelung noch im Sommer.
Für die Energiewende werden laut Bundesregierung 3800 Kilometer an neuen Stromautobahnen benötigt. Weitere 4400 Kilometer des bestehenden Netzes sollen fit gemacht werden für die schwankende Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie. Die Netzbetreiber haben einen Entwurf für einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, bis Mitte August soll eine zweite Version fertig sein. Die Bundesnetzagentur verlangt nun, der Ausbau müsse viel schneller gehen. Rösler fordert deshalb bereits, vorübergehend Umweltstandards außer Kraft zu setzen, so dass zum Beispiel bei Klagen gegen den Bau von Leitungen eine Gerichtsinstanz ausreicht.
Wandel der Energiewelt
Aber die Energiewelt hat sich völlig geändert. Heute speisen wir erneuerbare Energien aus Wind und Sonne ins Energienetz ein. Dadurch variiert die erzeugte Strommenge. Die Schwankungen werden durch den fortgesetzten Ausbau der erneuerbaren Energien zudem immer größer. „Wir haben also zunehmend Zeiten, in denen wir nicht wissen, wohin mit dem Strom. Zu anderen Zeiten wiederum wissen wir nicht, wo wir ihn herbekommen sollen“, erklärt Verweyen. „Das Speichern von Energie ist also ein zentrales Thema.“
Noch mangelt es in Deutschland an geeigneten und vor allem ausreichenden Speicherkapazitäten. „Das führt dazu, dass wir Strom ungenutzt in die Erde leiten oder Abnehmer nur noch zu Niedrigstpreisen – teilweise sogar nur gegen Zahlung – finden können“, so Verweyen. „Da war die Idee naheliegend, die noch vielfach in Deutschland vorhandenen Nachtspeicheröfen als Energiepuffer zu verwenden. Es sind keine großen Investitionen notwendig und die Anlagen gibt es in Deutschland in großer Zahl.“
Laut Jörg Rummeni, Projektleiter Windheizung bei RWE Effizienz, gibt es in Deutschland noch immer 1,4 Millionen Haushalte mit Nachtspeicheröfen mit einer Durchschnittsleistung von zehn Kilowatt. Alle zusammen könnten also 14.000 Megawatt Strom verbrauchen. „Wenn wir es schaffen, nur 30 Prozent dieser Geräte als Puffer für eine vorübergehendes Stromüberangebot zu nutzen, könnten wir 4.000 Megawatt Strom in Form von Wärme speichern“, so Rummeni. „Die Nachtspeicheröfen könnten so mindestens drei große Pumpspeicherkraftwerke ersetzen.“
Als Trugschluss entpuppt
Dazu müssen beim Verbraucher elektronische Stromzähler und Steuergeräte an den Öfen angebracht werden, die den Ladevorgang über ein Funknetz an- und abstellen. Damit kann der Energieversorger zentral steuern, wann die Öfen Strom beziehen und wann nicht. Nur so ist gewährleistet, dass Stromüberschüsse sinnvoll genutzt werden. Das könnte allerdings auch in Zukunft häufig während der Nacht sein. „Die Preisdifferenz zwischen Spitzenlast und Grundlast wird immer geringer. Der früher gültige Grundsatz, dass der Strom nachts besonders günstig ist, gilt heute nicht mehr." Für Nachtspeicherheizungen war der viel billigere Nachtstrom vor rund 50 Jahren das entscheidende Argument – das sich mit den Jahren immer deutlicher als Trugschluss entpuppte.
Damals wie heute geht es um eine bessere Verteilung der Netzlasten über die Zeit. Da die Nachtspeicheröfen die Energie schnell in Wärme umwandeln, sind sie für den Versorger gegenüber trägen Pumpspeicherkraftwerken, die erst massenhaft Wasser bewegen müssen, klar im Vorteil. Deshalb wird mit der RWE-Technik dafür gesorgt, dass die Nachtspeichergeräte nur halb voll geladen werden. So bleibt immer noch genügend Kapazität für das spontane Speichern von Stromüberschüssen, sollte mal der Wind auffrischen oder die Sonne stärker scheinen.
Die Skepsis bleibt
Udo Peters, Referent für Energietechnik bei der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen, bleibt bei diesen Plänen skeptisch. „Ob das so langfristig funktioniert, ist fragwürdig“, sagt er. Laut Vorgaben der Energieeinspeiseverordnung sollen Nachtspeicheröfen bis 2019 komplett eigentlich abgeschafft werden. „Meines Wissens verfolgt die Politik da gerade keine andere Strategie“, sagt Peters.
Außerdem sieht er in der Annäherung der Kosten für den Nacht- und den Haushaltsstrom eher eine Gefahr für den Verbraucher. „Die Heizkosten sind in den letzten Jahren sowieso schon rapide angestiegen“, sagt Udo Peters. Gerade RWE hat den Strompreis für Nachtspeicher erst kürzlich um 17 Prozent angehoben. Das Problematische daran: Kunden können nicht einfach so den Grundversorger wechseln. „Man ist hier an seinen Anbieter gebunden“, sagt Peters.
Die Wiedereinführung der Nachtspeicheröfen sei hier ganz sicher nicht von Vorteil. „Am Ende werden viele Kunden die Heizung wie einen Ofen nutzen. Dann müssen einige Räume einfach kalt bleiben.“
Außerdem stellt Udo Peters die Frage, wie die Windenergie aus dem Norden überhaupt nach Nordrhein-Westfalen gelangen soll: „Die Netze sind doch jetzt schon überlastet.“ Tatsächlich wurde erst vor wenigen Wochen bekannt, dass ein Prozent der Windkraftanlagen in diesem Jahr abgeschaltet werden mussten, da die erzeugte Energie nicht mehr aufgenommen werden konnte.
Netzausbau bleibt vorrangiges Ziel
Alexander Sewohl, Pressesprecher beim Bundesverband Windenergie, bestätigt das. „Der Netzausbau ist im Moment das vorrangigere Ziel. Dadurch werden die Speicherkapazitäten eben auch entlastet.“ Aber weil der Windstrom immer dann produziert wird, wenn der Wind weht, müssten eben auch Speichermedien geschaffen werden. „Mittelfristig werden wir auch verstärkt Speichermöglichkeiten benötigen“, sagt Sewohl.
Am Ende bleibt die Frage der Wirtschaftlichkeit für den Verbraucher. „Ob sich die Nachtspeicherheizung rechnet, hängt von verschiedenen Faktoren ab“, so RWE-Manager Verweyen. „Deshalb laufen unsere Versuche weiter. Wir wollen wissen, wie viel Windstrom verwendet wird, wie viel teureren normalen Regelstrom die Verbraucher benötigen und wie viel Strom an den Märkten zusätzlich eingekauft werden muss. Das Risiko, Preisschwankungen auszugleichen, tragen wir. Wie wir dies vernünftig für die Kunden kalkulieren, wird das nächste Jahr zeigen. “
Ersparnisse für Nachtspeicher-Kunden
Dabei muss in die Kalkulation auch einfließen, dass die Stromspeicherkapazität der alten Heizgeräte nur während der Heizperiode zur Verfügung steht – also für maximal acht Monate im Jahr. Den Rest des Jahres bleiben die schweren Klötze kalt. Werden statt Nachspeicheröfen etwa Wärmepumpen mit dem Überschussstrom versorgt, sorgen die im Sommer zumindest noch für warmes Wasser. Auch das strebt RWE an. Wärmepumpen und Nachtspeicheröfen sind aber ohnehin nur zwei von vielen verschiedenen Maßnahmen, die Energieversorger wie RWE verfolgen, um die Energiespitzen aus der Ökostromproduktion zu glätten.
Unter dem Strich soll es für Nachtspeicher-Kunden günstiger werden. „Das ist ein Optimierungsgeschäft und kann für den Kunden nur dann attraktiv sein, wenn der Mischpreis günstiger ist, als der normale Strom. Es braucht einen wirtschaftlichen Anreiz, damit uns die Verbraucher ihre Geräte auch zur Verfügung stellen“, sagt Verweyen. „Unser Ziel ist es, den Heizstrom im ersten Schritt zehn Prozent günstiger anzubieten, als den normalen Nachtspeichertarif. Das testen wir gerade aus.“
Die neue Verwendungstechnik soll zumindest ein altes Problem der extrem langlebigen Nachtspeicheröfen mildern. Die Heizgeräte erfordern nämlich vom Verbraucher bislang den vorausschauenden Einsatz und die Steuerung der Ladezeiten. Der muss oft mehrere Stunden vorher wissen, wann er es warm haben will. Laut Projektleiter Rummeni sind die RWE-Testkunden von den umgerüsteten Geräten begeistert, der Komfort der Haushalte habe deutlich zugenommen.