Recycling Vom Kaffee-Pad zur Klamotte

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Gourmetpilze aus altem Kaffee

Starbucks steigert Gewinn um ein Viertel
Ein Starbucks-Mitarbeiter füllt Kaffeebohnen nach Quelle: AP
Ein Mann trinkt aus einer Tasse Kaffee mit Balzac-Logo Quelle: Pressebild
Angestellte von McCafé bereiten Cappuccino zu Quelle: REUTERS
Becher von San Franciso Coffee Company Quelle: Pressebild
Filiale von Coffeeshop Company Quelle: Pressebild

Auch in Berlin. Dort hat sich im Bezirk Kreuzberg das Startup Chido’s Mushrooms der Zucht von Gourmetpilzen verschrieben. Der Weg dorthin ist unheimlich. An Laderampen eines Einkaufszentrums und Müllcontainern vorbei nähert sich der Besucher der Rückseite eines Gebäudekomplexes. Kein Mensch weit und breit, bis sich unversehens eine Stahltür öffnet. Hannes Dettmann, Experte für technischen Umweltschutz bei Chido’s, bittet eine steile Stahlrosttreppe hinab in einen dunklen Betonkeller, der nur von Neonröhren erhellt wird. Die Mischung aus Büro und Werkstatt gäbe die perfekte Filmkulisse für ein Drogenlabor.

Aber dann steigt der Geruch von Kaffee und Pilzen in die Nase. Nicht von ungefähr. Die sechs Mitarbeiter von Chido’s Mushrooms züchten aus Starbucks Kaffeeabfällen edle Pilze. Zehn Eimer Kaffeesatz schickt die Starbucks-Filiale am Brandenburger Tor Tag für Tag. Gratis. Darauf gedeihen pro Monat 150 Kilogramm Austernpilze, Limonen- und Rosaseitlinge. Bald sollen sogar Shiitakepilze und Kräuterseitlinge aus dem Pulver sprießen.

Die Ware liefert Chido’s an Edelrestaurants der Hauptstadt wie das Vau von Kolja Kleeberg. „Die Pilze nehmen kein Koffein auf und schmecken auch nicht nach Kaffee“, sagt Dettmann. Nur die am Fuß anhaftenden Kaffeereste müssen die Mitarbeiter bei der Ernte gründlich entfernen, damit sie nicht im Essen landen.

Gourmetpilze aus altem Kaffee – das klingt abstrus und nach einer Eintagsfliege. Doch als zellulosereicher Reststoff ist Kaffeesatz für Pilze geradezu unwiderstehlich.

Dettmann setzt Ohrenschützer auf und verquirlt den schwarzen Kaffeesatz mit einem etwa einen Meter langen Mixer. Dann kommen Kaffeeschalen dazu, Müll von einer Hamburger Rösterei. Die Schalen lassen die Pilze besser wachsen. Nun noch etwas Kalkpulver, damit nichts schimmelt. Und etwas Wasser, damit die Pilze genug Feuchtigkeit haben. Anschließend mischt Dettmann ein wenig Pilzmyzel unter die Kaffeemischung, quasi als Starterkultur.

Nun schaufelt er die schwarzbraune Mischung in DIN-A4-große Plastikbeutel, verschweißt sie und hängt die Beutel in einen großen Raum, der nur von gedämpftem rotem Licht erhellt wird. Vier Wochen lang durchwuchern die Pilzfäden nun den Kaffeeabfall. Hinterher ist dieser schimmelig-weiß. Die Plastiksäcke werden dann aufgeschnitten und im mollig-warmen Nebenraum aufgehängt. Wo dann Büschel von Pilzen aus den Kaffeeballen sprießen.

Damit spart das Unternehmen massenhaft Holz, sagt Chido’s-Chef Philipp Buddemeier: „Pro Kilo Speisepilz werden sonst drei bis vier Kilo Holz oder Stroh benötigt.“

Der Kreativität, aus Kaffeesatz Neues zu machen, scheinen keine Grenzen gesetzt. Künstler malen Bilder mit der braunen Masse. In New York stellt die Designerin Vilma Silveira Farrell Lampen aus gebrauchten Kaffeefiltern her.

Kunstwerke und Dämmstoffe

Aus dem Kaffeeabfall ließe sich sogar eine Art biologisches Styropor für die Dämmung von Häusern und zum Verpacken von elektronischen Geräten erzeugen.

Tatsächlich hat das Startup Ecovative Design im US-Bundesstaat New York mit einer ähnlichen Idee Erfolg. Als Nährboden für ihre Pilze verwenden die Amerikaner allerdings Getreideschalen statt Kaffeesatz. Doch das Startup zeigt, was mit Styroporersatz aus Pilzen alles möglich ist.

Interessiert ist Ecovative-Gründer Eben Bayer dabei nicht an den Pilzfruchtkörpern, die in der Pfanne landen, sondern am dichten Geflecht aus Pilzmyzelien, die in den Nährboden aus Getreideschalen einwachsen. Das stoßfeste Material dämmt heute schon eine Schule im Bundesstaat Vermont. Büromöbelhersteller Steelcase verpackt seine Ware darin. Und es schützt Weinflaschen und Computer beim Transport. Nach Gebrauch lässt sich das Pilzpendant zum Styropor ganz einfach kompostieren.

Dabei ist es anders als Biokunststoffe so preiswert wie Pack- und Dämmmaterial aus Erdöl. Denn die Pilze wachsen quasi von selbst im Keller. Teure Spezialanlagen brauchen sie nicht. Das sei echte „Low-Tech-Biotechnologie“, ist Bayer begeistert.

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