Rohstoffe Wie sich Seltene Erden recyceln lassen

Windräder, E-Mobile oder Sparleuchten sind ohne die High-Tech-Rohstoffe undenkbar. Neue Techniken helfen nun, die begehrten Metalle aus Schrott wiederzugewinnen – und die Abhängigkeit von China zu senken.

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Was in iPhones und Panzern steckt
Hybridauto von Porsche Quelle: rtr
Neodym Neodym ist Ausgangsstoff für starke Permanentmagnete, die in kleinen Mikrophonen und Lautsprechern – etwa in Apples iPhone – stecken. Sie machen auch moderne Audioanlagen erst möglich. Quelle: ap
Praseodym Auch Praseodym ermöglicht die Produktion kräftiger Magneten, die für die Herstellung kompakter Elektromotoren, aber auch von Generatoren für Windkraftanlagen verwendet werden. Quelle: ap
Samarium Samarium ist ebenfalls Ausgangsstoff für Permanentmagnete, die beispielsweise in militärischen Navigationssystemen stecken, wie die US-Armee sie im Kampfpanzer Abrams einsetzt. Damit endet die Vorstellung der ersten vier Vertreter aus der Gattung der „leichten seltenen Erden“, weiter geht's mit den sogenannten „schweren seltenen Erden“. Quelle: Reuters
Terbium Als grünlicher Fluoreszenzstoff hilft Terbiumden Herstellern von Lampen ohne Glühfaden, die Lichttemperatur einzustellen. So verbrauchen Energiesparlampen bei gleicher Helligkeit weniger Strom. Quelle: ap
Gadolinium In Kernreaktoren dient Gadolinium dazu, überschüssige Neutronen zu absorbieren - entweder für eine Schnellabschaltung oder in Meilern, die nur selten neu bestückt werden, etwa für Atom-U-Boote. Quelle: ap
Yttrium In Radargeräten dienen kristallische Elemente mit Yttriumanteil dazu, die zurückkommenden elektromagnetischen Wellen besser aufzufangen. Als nächstes folgen die seltenen Metalle. Quelle: Reuters

Katastrophen bringen in der Regel Leid und Verzweiflung. Manchmal aktivieren sie aber auch kreative Kräfte und setzen damit Veränderungsprozesse in Gang – wie in Japan, als 2011 eine gigantische Flutwelle die Küste verwüstete.

Der Tsunami traf auch die japanischen Honda-Werke. Tagelang musste die Produktion stillstehen. Aber das war nicht das einzige Problem für den Autohersteller: Die Welle zerstörte in der gesamten Katastrophenregion auch zig Autohäuser. Hunderte nagelneuer Honda-Hybridfahrzeuge wurden unter Schlamm und Matsch begraben. Ein Millionenschaden für das Unternehmen. Doch der brachte die Ingenieure zum Nachdenken.

Denn in der gleichen Zeit verfünffachten sich die Preise für einen der wichtigsten Rohstoffe der boomenden High-Tech-Industrie: die sogenannten Seltenen Erden. Das sind Stoffe wie Neodym, Europium und Terbium, die in vielen wichtigen High-Tech-Produkten eingesetzt werden: Nicht nur in Autobatterien, auch in Smartphones, Windrädern, Lautsprechern und Hi-Fi-Anlagen.

Anders als ihr Name vermuten lässt, sind Seltene Erden in Wirklichkeit Metalle mit besonderen Fähigkeiten: Sie bringen Lampen zum Leuchten, reinigen Abgase und machen Motorteile magnetisch.

In welchen Produkten Seltene Erden eingesetzt werden und was sie kosten

Grund für die steigenden Preise war, dass China, der größte Exporteur Seltener Erden, die Ausfuhren drosselte. Das brachte High-Tech-Unternehmen in aller Welt in Schwierigkeiten. Denn steigende Preise sind in ihren hart umkämpften, margenschwachen Märkten ein Desaster.

Also mussten die Unternehmen lernen, effizienter mit dem Material umzugehen.

Die Honda-Ingenieure entschieden sich, die Seltenen Erden zurückzugewinnen. Das hatte bis dahin niemand in großem Stil versucht. Doch die Fachleute fanden einen Weg; und auf einmal hatten ihre schrottreifen Fahrzeuge dank der raren Rohstoffe in ihren Batterien einen Wert von umgerechnet mehr als einer Million Euro.

Für die Entwicklung des Verfahrens tat sich der Autohersteller mit dem Chemiekonzern Japan Metals & Chemicals in Tokio zusammen: Zunächst zerkleinerten die Ingenieure die Akkus, trennten dann Kunststoff- und Metallteile ab und lösten den verbliebenen Inhalt in Säure. Aus dieser Flüssigkeit konnten sie 80 Prozent der Seltenen Erden mit einem elektrischen Verfahren zurückgewinnen. Das gelang bis dahin noch keinem anderen Autobauer.

Der Innovationsdruck, der Honda zum Umdenken brachte, hat die gesamte High-Tech-Industrie erfasst – und eine Vielzahl neuer Ideen hervorgebracht. Auch Technologiekonzerne wie Siemens, Chemiespezialisten wie BASF, Lampenhersteller wie Osram und Autohersteller wie Daimler arbeiten an Verfahren, Seltene Erden in großem Stil zurückgewinnen.

Seltene Erden wachsen in eine Kreislaufwirtschaft

Seltene Erden Quelle: Presse

Schneller als manch andere Branchen entwickelt sich die High-Tech-Welt bei Seltenen Erden somit jetzt schon in Richtung einer Kreislaufwirtschaft, in der Rohstoffe immer aufs Neue verwendet werden.

Das betrifft viele Produkte unseres Alltags: Batterien, Leuchtstoffröhren, Energiesparlampen, Windräder und sogar Computer. Sie alle enthalten die begehrten Stoffe – und sollen künftig Teil dieses Kreislaufs zu werden.

Rund 15.000 Tonnen Seltene Erden ließen sich aus den Abfällen dieser Produkte allein in Europa wiederverwerten, schätzt Alain Rollat, Technologiemanager bei Solvay-Rhodia, dem einzigen europäischen Hersteller der begehrten Metalle mit Sitz in Brüssel. Das Unternehmen stellt die edlen Stoffe her, indem es sie aus Tausenden Tonnen Erzen heraustrennt.

Honda nimmt bereits seit April 2012 alle ausgedienten Hybrid- und Elektrofahrzeuge zurück und recycelt gezielt die kostbaren Stoffe. Die Japaner müssen seitdem deutlich weniger Seltene Erden aus China importieren.

Zwar sind die Preise der 17 verschiedenen Seltenen Erden seit 2012 teils um 50 Prozent gesunken. Experten aber warnen bereits vor neuen Engpässen: Der Bedarf an einigen Stoffen ließe sich bis 2030 nicht decken, heißt es bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. 2008 verbrauchten Unternehmen in aller Welt 124.000 Tonnen Seltener Erden. Ende des Jahrzehnts soll es doppelt so viel sein. Rhodia rechnet sogar schon 2014 mit einem Mangel an Terbium sowie Dysbrosium für Magneten und Yttrium für Mikrowellengeräte und Lampen.

Seltene Erden

Das Potenzial für die Rückgewinnung indes ist riesig. Bislang verwerten Unternehmen erst ein Prozent der Seltenen Erden erneut, schätzen Forscher der Universität im belgischen Leuven.

Dabei könnte die Industrie mithilfe des Recyclings, so schätzen die Forscher, rund 20 Prozent des weltweiten Bedarfs decken – und damit unabhängiger von den Lieferungen aus China werden.

Damit nicht genug. Die Industrie betrachte die teuren Rohstoffe in ihren Produkten zusehends als Eigentum, „das sie nicht mehr gern aus der Hand gibt“, sagt Gunther Maassen von der deutschen Metallhandelsgesellschaft Haines & Maassen in Bonn. Doch mitunter müssen Produkte anders konstruiert werden, damit sich die teuren Rohstoffe anschließend tatsächlich bergen lassen. Das lernt Daimler gerade. Allein in Motoren von Elektro- und Hybridfahrzeugen stecken rund ein Kilogramm Seltene Erden – in Form von Magneten.

Recycelt hat Daimler sie bislang nicht, weil sie so schwer zugänglich sind. „Das ist nicht wirtschaftlich“, urteilt Tobias Elwert, Recyclingexperte an der Technischen Universität Bielefeld.

Daimler will Fahrzeuge deshalb künftig so bauen, dass die Motoren einfach, bestenfalls automatisch zerlegt werden können. Wie das gehen könnte, lotet der Konzern gerade im Forschungsprojekt MORE – für MOtorREcycling – aus. Jeden Monat liefert Daimler – zusammen mit Siemens – ausrangierte Elektroantriebe an die Universität Erlangen. Dort zerlegt eine Maschine die Bauteile erstmals automatisch.

Kreative Franzosen in der Vorreiterrolle

Eine Mitarbeiterin des Osram-Werkes in Augsburg kontrolliert die Funktionstüchtigkeit von Energiesparlampen Quelle: AP

Ein kräftiger Schlag mit einem Kolben löst die Magnetplättchen – zwischen 20 und 400 Stück je Motor. Dann nähert sich ein Stahlklotz. Die Anziehungskraft zwischen Magnet und Klotz ist stärker als zwischen Magnet und Motor. So können die kostbaren Plättchen in wenigen Sekunden abgenommen werden.

In einem nächsten Schritt entwickeln die Forscher eine komplette Fabrik, deren einzige Funktion es ist, alte Motoren zu zerlegen. Die Bundesregierung unterstützt die Entwicklung des Verfahrens mit 5,1 Millionen Euro, das spätestens in zehn Jahren reif sein soll für den industriellen Einsatz.

Mit den ausgebauten Magneten gab es allerdings bis vor Kurzem ein Problem: Es kursieren zwei Typen: eine Sorte auf Basis des Elements Neodym und eine zweite auf Basis von Samarium. Beide Magnete unterscheiden sich äußerlich nicht und lassen sich kaum voneinander trennen. Werden sie aber vermischt, lässt sich aus dem wiedergewonnenen Rohstoff kein brauchbarer Magnet mehr herstellen, weil dieser zu schwache Anziehungskräfte hätte.

Doch nun scheint auch hier eine Lösung in Sicht: ein physikalisch-mechanisches Trennverfahren, das der Chemiker Marcus Tegel vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung in Dresden vor einigen Monaten vorgestellt hat.

Weil Tegel die Methode noch nicht patentiert hat, schweigt er über alle Details. Er versichert aber, dass sich stündlich etliche Tonnen der verschiedenen Magnete auf diese Weise voneinander separieren ließen. Derzeit verhandelt er mit verschiedenen Industriepartnern, die die Technik zur Marktreife führen wollen.

Die sortenreinen Magnete können dann direkt in Motoren eingebaut werden. Dafür mahlen Forscher die Magnete fein wie Espressopulver. Unter hohem Druck wird es anschließend in die gewünschte Form gepresst und bei 1000 Grad Celsius gebacken. So entsteht ein neuer Magnet – in nahezu jeder beliebigen Bauform.

Es ist ein Top-Thema längst nicht nur für Industriegiganten wie Siemens oder Daimler: Denn rund ein Drittel der Seltenen Erden landet aktuell in vielfältigsten Magneten: von Computern über Lautsprecher und Elektrofahrzeuge bis zu Windrädern. Sie alle brauchen viele und vor allem große Magnete, damit sie sich überhaupt bewegen. Kein Wunder also, wenn Tegel feststellt: „Eigentlich alle Unternehmen, die mit Elektromotoren hantieren, befassen sich mit dem Recycling.“

Was das Recycling Seltener Erden angeht, sind die Franzosen besonders kreativ. Seit einigen Jahren dürfen europäische Verbraucher Leuchtstoffröhren und Energiesparlampen nicht mehr über den Hausmüll entsorgen, weil sie giftiges Quecksilber enthalten. Was übersehen wurde: Die weiße Beschichtung auf dem Glas enthält auch einige Gramm Seltene Erden.

Solvay-Rhodia hat die ausgedienten Röhren daher als Rohstoffquelle ausgemacht – und investiert nun massiv in neue Technik. Seit 2009 hat das Unternehmen 15 Millionen Euro in neue Recyclingmethoden gesteckt. Das könnte sich lohnen: Denn jedes Jahr sammeln Unternehmen und Verbraucher EU-weit rund 80.000 Tonnen ausrangierte Leuchtmittel – und damit auch einige Tonnen der raren Rohstoffe.

Bei bisherigen Recyclingverfahren landen die alten Leuchtmittel meist in einer Art Häcksler, der sie erst klein schlägt und das Pulver dann in einer weißlichen Brühe auffängt. Verschiedene Siebe filtern Glas und Metallteile heraus. Die zwei Milligramm Quecksilber je Leuchte lassen sich dabei zurückgewinnen.

Alternativen ohne Seltene Erden

Toyota Prius Quelle: Presse

Nur mit den Rohstoffen in der verbleibenden weißen Brühe wusste die Industrie bislang nichts anzufangen. Die Flüssigkeit wurde daher mit Zement vermengt und in unterirdische Sondermülldeponien gekarrt. Tausende Tonnen Seltener Erden endeten in diesem Grab. Unwiederbringlich, denn „aus dem Zement bekommt man die nie wieder heraus“, sagt Frédéric Carencotte, Business-Direktor bei Rhodia. „Wir haben das ausprobiert.“

Seit Mai 2012 nimmt der französische Rohstoffspezialist Rhodia jedoch Tausende Tonnen des weißen Pulvers aus Leuchtstoffröhren und Energiesparlampen zurück. Sogar aus den USA bringen Schiffe den begehrten Müll. In einem neuartigen Prozess gewinnen die Franzosen daraus sechs Seltene Erden zurück, darunter vor allem die teuren Vertreter Europium und Terbium. Rund 500 Tonnen waren es allein im vergangenen Jahr.

Für Rhodia wird der Schrott zu einer wichtigen Ressource. Seit 2012 nimmt das Unternehmen zudem Hunderte Tonnen Produktionsabfall von Magnetherstellern und Überreste des Batterierecyclings zurück, die beide reich an Seltenen Erden sind. Vor allem die gewaltigen Sondermüllberge der Industriestaaten machen den französischen Standort für die Herstellung von Seltenen Erden attraktiv. Inzwischen überlegen die Manager sogar, ein neues Werk zu errichten, „sicher nicht in China, vielleicht in Europa“, sagt Rollat. Andere Hersteller Seltener Erden wie der US-Wettbewerber Molycorp wollen dem französischen Modell nun nacheifern.

Aber Recycling ist nicht der einzige Weg, das Rohstoffproblem zu lösen. Toyota kündigte an, künftig Elektrofahrzeuge ohne die umkämpften Stoffe zu bauen. Das japanische Elektronikunternehmen Hitachi hat einen Motor entwickelt, der ebenfalls frei von Seltenen Erden ist. Und auch Daimler arbeitet an einer neuen Antriebstechnik, die ohne die raren Metalle auskommt.

Doch trotz aller Bemühungen, die 17 Stoffe zu meiden, „wird es künftig nicht ohne gehen“, stellt Doris Schüler, Expertin für Seltene Erden vom Öko-Institut klar. Ihre Eigenschaften sind in vielen Punkten einzigartig. Ein neuer Trend, den Rohstoffhändler Maassen beobachtet, stützt diese Einschätzung: Unternehmen wollen bei ihm neuerdings Seltene Erden reservieren und ähnlich wie Goldbarren in einer Art Tresor für die Zukunft horten.

Dann spätestens werden die Bodenschätze zu einer Kostbarkeit, die man besser nicht aus den Händen gibt. Und dann würden auch noch die Letzten verstehen, dass das Recycling der begehrten Stoffe künftig so unausweichlich ist wie heute schon bei Altgold.

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