Solarkraftwerk Ein Licht in Marokkos Wüste

König Mohammed VI. hat heute eines der weltweit größten Solarthermie-Kraftwerke eröffnet. Es wurde mit Hilfe deutscher Kredite gebaut und soll Schule machen in der Region.

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Parabolspiegel des Solarthermie-Kraftwerks nahe Ouarzazate. Quelle: Getty Images

Assermou klebt wie ein Vogelnest zwischen den Bergen. Und fast genauso gut versteckt. Die ockerfarbene Steinwüste am Fuß des Atlas-Gebirges gibt die kleine Oase mit ihren aus Erde und Stroh gemauerten Häusern erst preis, als der Geländewagen sie über die staubige Piste schon beinahe erreicht hat. Es ist Samstag. Die Frauen waren unten an dem zum Rinnsal geschrumpften Flusslauf zum Wäsche waschen, und nun hängen die Kleider und Laken zum Trocknen in den Mandelbäumen am Ufer.

Abderrazak El Amrani ist hier geboren, als jüngstes von elf Kindern. Wenn der 29-Jährige jetzt zu Besuch kommt, dann fragen ihn seine Familie und die Nachbarn aufgeregt nach "Noor". Noor, das bedeutet auf Arabisch „Licht“. Es ist der Name eines der größten Solarkraftwerke der Welt, das hier in Marokkos Wüste unweit der Oasenstadt Ouarzazate und rund 250 Kilometer südlich von Marrakesch entsteht. El Amrani arbeitet dort als Ingenieur. Die Leute von Assermou sehen die vielen tausend Parabolspiegel zehn Kilometer Luftlinie entfernt am Fuß des Hohen Atlas wie einen Silberstreif am Horizont. Im Wortsinn, weil die Spiegel in der gleißenden Sonne blinken. Aber auch im übertragenen, weil sie ihnen Energie liefern sollen und die Hoffnung auf ein besseres Leben für sich und ihre Kinder.

Erneuerbare Energien sollen Marokko versorgen

"Als ich klein war, kannte ich das Wort für Strom nicht einmal. Der Tag begann wenn es hell wurde, und war zu Ende, wenn die Sonne unterging", erinnert sich El Amrani. Seit einigen Jahren führen Übertragungsleitungen in fast jeden Winkel des Landes, auch in Assermou stehen riesige Strommasten. Und der Ingenieur El Amrani führt nun Schulklassen mit Kindern über die Noor-Baustelle, die aus genauso einfachen Dörfern kommen wie er. "Ich glaube, ich kann ihnen den Fortschritt gut erklären, weil ich ihre Welt kenne.“

Marokko hat als erster der Maghreb-Staaten auf ein drohendes Energieversorgungsproblem mit einem Plan zur Förderung erneuerbarer Energien reagiert. Weil der Stromverbrauch jährlich um mehr als sechs Prozent steigt, das Land aber mangels eines einzigen Tropfens fossiler Ressourcen 95 Prozent seines Energiebedarfs importieren muss, sollen bis 2020 Wind- und Solarenergie sowie Wasserkraft jeweils 2000 Megawatt der Stromleistung bringen. Der Anteil der erneuerbaren Energien würde damit 42 Prozent ausmachen. Heute ging Noor I ans Netz. Es ist das erste von insgesamt vier Kraftwerken eines der weltweit größten Solarthermie-Anlagen. Ende 2017 wird der Komplex 3000 Hektar umfassen - das ist die Fläche von rund 4200 Fußballfeldern oder knapp zehnmal der Central Park von New York - und Strom für 1,2 Millionen Menschen liefern.

Kein Schatten weit und breit

Die Bedingungen dafür sind hier so optimal, dass vor nicht allzu langer Zeit das Industriekonsortium Desertec davon träumte, mit Wüstenstrom aus Marokko europäische Haushalte zu versorgen. Bereits am frühen Vormittag zeigt das Thermometer 35 Grad Celsius an. „Es kommt aber nicht auf die Temperatur an, sondern auf die Zuverlässigkeit der Sonneneinstrahlung“, erklärt El Amrani und schwitzt in seiner Arbeitskleidung mit dem weißen Helm, der gelben Weste und den schweren Sicherheitsschuhen. Kein Fleckchen Schatten soweit das Auge reicht. Nicht einmal ein Vogel fliegt über die wie ausgestorben wirkende Ebene. Filmcrews haben hier in der Vergangenheit Kinostreifen wie „Lawrence von Arabien“, „Gladiator“, „Der Medicus“ oder Szenen für „Asterix“ und zuletzt auch für die Fantasy-Serie „Game of Thrones“ gedreht.

Für dass Spektakel der Zukunft werden die 400 Reihen mit Parabolspiegeln das Sonnenlicht 3000 Stunden im Jahr auf ein mit synthetischem Öl gefülltes Röhrensystem in der Mitte der Spiegel konzentrieren. Das Öl wird dann fast 400 Grad heiß und eine Dampfturbine antreiben, wie sie auch in herkömmlichen Kraftwerken verwendet wird. Die mehrere hundert Tonnen schwere Turbine hat Siemens geliefert.

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