Streit um Glyphosat "Kein Pflanzengift ist harmlos"

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Inflationärer Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln

Beim Glyphosat ist ja genau das Gegenteil der Fall: Knapp eine Million Tonnen dieses Alles-Töters werden inzwischen von Agrochemie-Firmen wie Monsanto, Syngenta oder Dow Chemicals unter Namen wie Roundup, Touchdown, Clinic, GlyphoMAX oder Vorox weltweit verkauft und anschließend auf Feldern und Gärten versprüht. Die Landwirte machen vor der Aussaat Tabula rasa oder spritzen das Getreide damit ab, damit es gleichmäßiger und schneller reift. Und im privaten Gebrauch befreien Hausbesitzer ihre Hofeinfahrt damit von jeglichem Unkraut. Muss das sein?

Wenn in Argentinien die Hälfte aller landwirtschaftlichen Flächen mit Glyphosat vom Flugzeug aus gespritzt wird, entspricht das ganz und gar nicht der guten landwirtschaftlichen Praxis, die in Deutschland und Europa üblich ist. Aber das habe weder ich noch mein Institut zu bewerten. Die Frage, was landwirtschaftlich notwendig ist, müssen und können andere dafür zuständige Institute klären, wir sind rein für die gesundheitlichen Schutz der Verbraucher zuständig. Das ist vor Jahren unter einer grünen Ministerin so veranlasst worden, um uns von Einflüssen der Landwirtschaft oder Chemieunternehmen zu schützen. Und das ist auch gut so.
Und zum Thema Hofeinfahrten: Das ist ein Unding. Denn es ist verboten – schon immer. Dafür war und ist Glyphosat überhaupt nicht zugelassen; und andere Herbizide übrigens auch nicht. Im häuslichen Garten ist Glyphosat allerdings einer der harmlosesten Unkrautvernichter. Wenn Gartenmärkte jetzt damit werben, dass sie Glyphosat für den häuslichen Gebrauch nicht mehr anbieten, greifen die Hobbygärtner womöglich zu viel härteren Mitteln. Das finde ich persönlich alles andere als gut.

Hier sollten Sie nicht schwimmen
Europäische Umweltagentur (EEA) Gewässer Quelle: dpa
Gute Nachricht kurz vor dem Sommer: Ob See, Fluss oder Meer - in Deutschland können Schwimmbegeisterte fast überall bedenkenlos in die Fluten springen. Fast 98 Prozent erfüllen die EU-Mindeststandards, bei einem großen Teil der hierzulande 2292 untersuchten Badeplätzen wird die Wasserqualität sogar als „ausgezeichnet“ eingestuft. Quelle: dpa
Allerdings gibt es Ausnahmen. Welche Ursachen die schlechte Wasserqualität an den einzelnen Stellen genau hat, listet der EU-Bericht nicht auf. „Am häufigsten sind schwere Regenfälle und überfließende Kanalisation der Grund“, sagt der EEA-Experte Kristensen. „Im Landesinneren kann es auch daran liegen, dass es viele Gänse oder andere Vögel in der Nähe der Badestellen gibt.“ Deren Kot kann das Wasser verunreinigen, genau wie der von Hunden, die mit ihren Herrchen am Strand unterwegs sind. Quelle: dpa
Strandbad Eriskirch Quelle: dpa
Finsterroter See Quelle: dpa
Kocherbadebucht in Künzelsau Quelle: dpa
Badestelle an der NiedIm Saarland fiel eine Badestelle an der Nied in Rehlingen-Siersburg durch. Quelle: dpa

Auch bei Schweinen und Kühen führt Glyphosat zu Missbildungen und Krankheiten, sagen einige Fachleute.

Nun ja, bei den Schweinen gibt es nur einen Ferkelzüchter, bei dem das dokumentiert ist. Ob es andere Gründe haben könnte, wurde hier nicht untersucht. Die Sache mit den Kühen nehmen wir sehr ernst und untersuchen das zusammen mit der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Bisher ließ sich Vermutung, dass Glyphosat die Bakterienzusammensetzung im Magendarmtrakt der Kühe krankhaft verändert, aber nicht belegen.

Um die Verwirrung komplett zu machen, hat vor kurzem eine Agentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Mittel als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft, während eine andere Untergruppe der WHO das nicht tut. Wer soll das verstehen?

Derzeit läuft bei der WHO ein internes Klärungsverfahren, an dem ich auch beteiligt bin und das bis September abgeschlossen sein soll. Tatsächlich gibt es eine Reihe von neuen Langzeitstudien, die dem BfR vorgelegen haben, nicht aber der von Ihnen angesprochenen WHO-Agentur, der International Agency for Research on Cancer. Darunter sind auch solche, die mit einem Vielfachen der tödlichen Dosis von 200 Milligramm in die Tierversuche gingen, das halte ich unter Tierschutzgesichtspunkten für einen Skandal. In einigen dieser Studien entwickelten Tiere oberhalb der üblichen Limitdosierung von 1000 Milligramm pro Kilogramm einige Tumore, die in anderen Studien nicht reproduziert werden konnten.

Wie wird die Sache ausgehen? Könnte es sein, dass Glyphosat verboten wird?

Der Prozess der Bewertung ist im Fluss. Wie die Klärung ausgeht, kann ich nicht sagen. Aber das Ergebnis dieser Klärung wird die europäische Lebensmittelbehörde in einen Bericht mit aufnehmen, den sie der europäischen Kommission bis Ende des Jahres vorlegt. Denn dann muss die Kommission  – wie bei vielen weiteren Pflanzenschutzmitteln – darüber entscheiden, ob Glyphosat eine weitere, wie immer zeitlich begrenzte Zulassung erhält.

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