Miegel: Erstens, wir nehmen den Fuß vom Gaspedal.
Paqué: In Deutschland. In China und Indien ja wohl nicht.
Miegel: In Deutschland und in den anderen entwickelten Ländern.
Paqué: Was wollen Sie damit erreichen? Wir sprachen am Anfang schon davon. In den entwickelten Ländern leben 20 Prozent der Weltbevölkerung.
Miegel: Aber diese 20 Prozent verbrauchen mindestens ebenso viele Ressourcen und belasten die Umwelt mindestens ebenso stark wie die übrigen 80 Prozent. In Sachen Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung stehen sich also zwei gleichgewichtige Blöcke gegenüber.
Paqué: Wie viel wollen Sie denn in Deutschland einsparen an Ressourcenverbrauch? Fünf Prozent, zehn Prozent, 20 Prozent? Über welchen Zeitraum? Wenn Sie jetzt sagen, Deutschland solle in den nächsten zehn Jahren zehn Prozent schrumpfen, dann sage ich Ihnen: Das bringt gar nichts. Wenn sich in den nächsten 30 Jahren drei Milliarden Menschen industrialisieren, dann ist das schlicht irrelevant.
Miegel: Wenn es nach ihnen ginge, könnten wir also die Hände in den Schoß legen. Das ist nicht meine Vorstellung von Zukunftsgestaltung. Vielmehr sollten wir in den entwickelten Ländern der übrigen Welt zeigen, wie es gehen kann.
Paqué: Ich habe nichts gegen Vorbilder, aber ich habe etwas dagegen, dass unsere Industrien abwandern und anderswo weniger umweltfreundlich produzieren als hier. Das ergibt global keinen Sinn.
Die OECD hat ausgerechnet, dass die Weltwirtschaft bis 2050 um das 15-fache wachsen muss, um neun Milliarden Menschen unseren Wohlstand zu ermöglichen. Ist das überhaupt denkbar?
Paqué: Na ja, 1820 hat man auch nicht gedacht, dass die Industrielle Revolution all das in Gang bringen würde. Aber natürlich, Sie haben Recht: Die Dramatik der heutigen Situation besteht darin, dass wir es nicht mit wenigen kleinen Tigerstaaten zu tun haben, die rasant wachsen, sondern mit zwei, drei Riesen. Und diese Riesen verändern die ganze Fragestellung.
Miegel: Sie verschlimmern die Situation.
Paqué: Sie lassen das Problem der Ressourcenknappheit drängender werden. Sie machen uns klar, dass wir einer Lösung nur dann näher kommen, wenn wir ihre Entwicklung begleiten.
Herr Paqué: Können wir unsere Erde mit Wachstum retten?
Paqué: Warum nicht? Ich meine, ich kenne die Zukunft nicht, Sie, Herr Miegel, allerdings auch nicht. Aber als überzeugter Liberaler habe ich das aufklärerische Grundvertrauen, dass die Menschheit in der Lage ist, ihre Probleme in den Griff zu bekommen – und zwar durch wohldurchdachtes politisches und wirtschaftliches Handeln, und nicht durch radikale Maßnahmen aus Angst vor der Zukunft.
Herr Miegel, lassen sich mit Verzichtaufrufen Mehrheiten gewinnen?
Miegel: Ich rufe nicht zum Verzicht auf, sondern sage: Stellen wir uns darauf ein, dass es weniger werden wird und lernen wir, mit dieser Situation umzugehen. Abgesehen davon hätte ich es noch vor zwei Jahren nicht für möglich gehalten, dass sich 2012 die FDP und die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft veranlasst sehen, großformatig für Wachstum zu werben.
Das zeigt, dass sich das Klima deutlich verändert hat, dass an der Frage: „Hat sich unser Wachstumsmodell überlebt?“ keiner mehr vorbei kommt. Das heißt: Ich bin mir bewusst, dass sich vorläufig nur eine Minderheit von meinen Positionen angesprochen fühlt. Aber ich bin mir sicher, dass es sich dabei um eine rasch wachsende Minderheit handelt.