Tauchsieder

Eine Krankheit namens Mensch

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Eine Erde, ein Kontinent - Pangäa reloaded


Der Grund dafür ist denkbar einfach: Als der homogene Urkontinent Pangäa auseinanderbrach, nahmen die Arten auf den veschiedenen Kontinenten je ihre eigenen Entwicklungswege. Heute sorgt die interkontinentale Vernetzung durch den Menschen dafür, dass die Biodiversität sich wieder entdifferenziert. Eine Erde, ein Kontinent - Pangäa reloaded.

Die Gewässer der Welt von oben betrachtet
SantorinSantorin, in klassisch-griechischer Zeit Thera genannt, ist eine seit Jahrtausenden bewohnte Vulkaninsel in der Ägäis. Ihre Form erhielt die Insel vor etwa 3500 Jahren, als eine Explosion des Vulkans die heutige, durchbrochene Ringstruktur mit steilen, bis zu 300 Meter hohen Kraterinnenwänden hinterließ. Mit ihrem reizvollen Gegensatz zwischen dem dunklen Vulkangestein und den weiß gekalkten Häusern ist Santorin zu einem der wichtigsten Tourismusziele des Mittelmeerraums geworden. Quelle: © eoVision, Digitalglobe, 2014, distributed by e-GEOS
NildeltaDurch Drainagen wurde seit den 1980er Jahren ein großer Teil des ursprünglichen Brackwassersees Bahra al-Manzala im nordöstlichen Bereich des Nildeltas trocken gelegt und ging dadurch für die Fischerei verloren. Die Ernteerfolge auf den neu gewonnenen Flächen blieben jedoch bislang wegen des salzigen Bodens hinter den Erwartungen zurück. In unmittelbarer Nähe zur Stadt Damiette wird mit alten Methoden auch Salz gewonnen. Quelle: © eoVision, Digitalglobe, 2014, distributed by e-GEOS
ManhattanMit der charakteristischen Skyline des zentralen Stadtteils Manhattan ist New York City der Prototyp der modernen Großstadt. An der Südspitze Manhattans liegen die Piers, von denen aus Fähren die Insel mit New Jersey und anderen Nachbarstädten verbinden und die an die Rolle New Yorks als Tor nach Amerika verweisen, über das Millionen Immigranten in die USA gelangten. Quelle: © eoVision, Digitalglobe, 2014, distributed by e-GEOS
Lena-DeltaDas sibirische Lena-Delta ist mit 45.000 Quadratkilometern Fläche eines der größten Flussdeltas der Erde. Von der Lena und ihren Zuflüssen aus dem zentralasiatischen Raum abtransportiertes Material, etwa 15 Millionen Tonnen im Jahr, wird hier wegen der in der Ebene langsamer werdenden Strömung abgelagert und zwingt den Fluss ständig dazu, neue Wege zum Meer zu suchen. Dabei bilden sich zahlreiche Flussläufe, die den Rand des Deltas fächerförmig in das Polarmeer schieben. Als typische Tundrenlandschaft ist das Delta zudem von unzähligen Seen übersät, die sich im Wechsel zwischen Frost und Auftauen bilden. Quelle: © eoVision, USGS, 2014
GrönlandAuf fast 80° nördlicher Breite gelegen ist der Nioghalvfjerdsfjorden-Gletscher im Nordosten Grönlands nur etwa 1100 Kilometer vom Nordpol entfernt. Der einst vom Gletscher geformte Fjord ist heute mit Wasser gefüllt, auf dem das Eis des Gletschers schwimmt. Im Sommer bildet Schmelzwasser auf der Gletscheroberfläche ein System kleiner Seen und Bäche, die sich in das Eis graben und auf dem weißen Untergrund des Eises in blauen Schattierungen leuchten. Quelle: © eoVision, Digitalglobe, 2014, distributed by e-GEOS
GalápagosEtwa 1000 Kilometer vor der Küste Ecuadors liegen die vulkanischen Galápagos-Inseln. Ihre isolierte Lage im Äquatorbereich des Pazifiks führte zur Ausbildung einer sehr eigenen Tier- und Pflanzenwelt, mit der bereits Charles Darwin die Entwicklung der Evolutionstheorie untermauerte. Riesenschildkröten und die Meeresechsen, die auf der Suche nach Algen bis zu neun Meter tief im Ozean tauchen, gehören zu den bekannten Beispielen der speziellen Tierwelt der Galápagos-Inseln. Quelle: © eoVision, Digitalglobe, 2014, distributed by e-GEOS
Lake CarnegieInmitten des trockenen Westaustraliens liegt der Carnegie-See in einer abflusslosen Senke. Meist ist die Fläche von schlammigem Marschland bedeckt, nur während Perioden intensiven Regens füllt sich der See mit Wasser, wobei die helle Färbung deutlich anzeigt, wie seicht das Wasser ist. In diesen Perioden erblüht auch die Wüste ringsum für kurze Zeit. Quelle: © eoVision, USGS, 2014

Interessant daran ist unter anderem, dass dieser Vorgang Darwins Theorie der natürlichen Zuchtwahl und evolutionären Vervollkommnung außer Kraft setzen kann: Spezies etwa, so Kolbert, die an die Lebensbedingungen in Australien oder Asien besonders gut angepasst sind, sind besonders wahrscheinliche Globalisierungsverlierer.

Eindrücklich schildert Kolbert die Folgen der Industriellen Revolution und der explodierenden Kohlendioxid-Emissionen. Dazu nimmt sie den Leser mit auf ihre Reisen, unter anderem ins schottische Hochland, zum australischen Great Barrier Reef, in die Tropenwälder von Peru und Brasilien. Kolbert trifft Botaniker, Ornithologen, Entomolgen (Insektenforscher), Herpetologen (Reptilienforscher), Pflanzenpathologen und Stratigrafen (Erdschichtenforscher).

Der Kampf gegen die Plastiktüten

Sie schildert, wie Baumarten in Folge des Klimawandels die Anden hinauf wandern (bis die Gipfel erreicht sind und es nichts mehr zum Hinaufwandern gibt), wie die allmähliche Versauerung der Meere kalkbildende Foraminiferen und Korallen daran hindert, sich zu gewaltigen Skeletten zu verbrüdern und wie die Fragmentierung von Lebensräumen, etwa durch Rodungen, das Artensterben in den Tropen beschleunigt, weil zum Beispiel Wanderameisen ausreichend Platz brauchen, aber nicht mehr vorfinden und aussterben - Wanderameisen, auf deren Begleitung sich einige Vögel spezialisiert haben, von deren Kot sich wiederum Schmetterlinge ernähren usw.

270.000 Tonnen Plastikmüll treiben auf den Weltmeeren
Fast 270.000 Tonnen Plastikmüll treiben einer neuen Studie zufolge auf den Ozeanen der Erde. Das sei so viel Abfall, wie nicht einmal in 38 500 Müllwagen passen würde, schätzt eine am Mittwoch in dem Fachjournal „Plos One“ veröffentlichte Studie. Es handele sich dabei um mehr als fünf Billionen Einzelteile, heißt es in der Untersuchung. Um zu den Zahlen zu kommen, hatten Forscher zu See mit einem Maschennetz kleine Abfallteilchen gesammelt. Beobachter auf Booten zählten größere Gegenstände auf dem Wasser. Mit Computermodellen wurde für nicht untersuchte Gebiete hochgerechnet, wie viel Müll auch dort schwimmt. Die Studie bezieht sich lediglich auf Plastikabfall an der Wasseroberfläche. Wieviel Material auf dem Meeresboden liegt, erforschten die Wissenschaftler nicht.Foto: NOAA/PIFSC Quelle: Presse
Im Meer vor Griechenland treiben Plastiksäcke. Das Bild stammt aus dem Jahr 2008.Foto: Gavin Parson/Marine Photobank Quelle: Presse
Plastikmüll als Habitat für Meeresbewohner im Pazifik.Foto: Lindsey Hoshaw Quelle: Presse
Angeschwemmter Plastikmüll vor der Küste von Tromsø in Norwegen.Foto: Bo Eide Quelle: Presse
Angeschwemmter Plastikmüll vor der Küste von Kanapou in den USA.Foto: NOAA/Marine Debris Program Quelle: Presse
Vor der Küste von Hawaii sind etliche Netze angeschwemmt worden.Foto: Chris Pincetich/Marine Photobank Quelle: Presse
Kein seltener Bild: Eine Robbe hat sich in einem Treibnetz verfangen, USA, 2009.Foto: Kanna Jones/Marine Photobank Quelle: Presse

Was Kolberts Buch besonders lesenswert macht: Sie kann sich nicht entscheiden, ob und wenn ja: welche Schlussfolgerungen sie ziehen soll. Der Leser ist hin- und hergerissen zwischen so manchen Endzeitsätzen der Forscher und atemberaubenden Zahlen (Der Mensch hat den PH-Wert der Ozeane in 50 Jahren auf einen Wert gedrückt, wie ihn die Erde seit 50 Millionen Jahren nicht mehr gesehen hat) einerseits - und andererseits dem merkwürdig beruhigenden Gefühl, dass der Mensch für die Erde sein muss, was die Fliege für die Kuh ist: ein mäßig lästiges, restlos bedeutungsloses Gezücht.

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos

Was zum Beispiel soll man von der erdgeschichtlich einmaligen Explosion der Artenvielfalt nach dem Meteoriteneinschlag vor 66 Millionen Jahren halten? Die Dinosaurier hat’s damals hart getroffen, sicher. Dafür waren die Säugetiere die großen Gewinner. Überspitzt gesagt: Ohne den Meteoriten gäbe es heute keine Menschen, die sich über das Artensterben Gedanken machen könnten. Oder in den Worten von Elizabeth Kolbert: Allein dem Kometentreffer ist zu verdanken, dass ihr formidables Werk „von einem behaarten statt von einem schuppigen Zweibeiner“ verfasst wurde.

Wie viel Müll jährlich recycelt wird

Am Ende schnurrt das Buch auf eine simple, vielleicht auch naive Botschaft zusammen: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Der Mensch hat die Natur, die Artenvielfalt und sich selbst in Gefahr gebracht - nun ist es an ihm, sich wieder aus der Bredouille zu befreien.

Im Abschluss-Kapitel schildert Kolbert, wie Sumatra-Nashörner gepflegt und Hawaii-Krähen am Bauch massiert werden, um ihnen Ejakulat abzugewinnen. Das ist dann vielleicht doch ein bisschen zu viel des Guten. Was soll’s.

So sieht es in Fukushima heute aus
Bilder aus dem zerstörten Fukushima-Reaktor Quelle: dpa
Bilder aus dem zerstörten Fukushima-Reaktor Quelle: dpa
Das Innere des zerstörten Fukushima-Reaktors Quelle: dpa
Sonnenaufgang in Fukushima Quelle: AP
Sturmschutzwand Quelle: dpa
Kumamachi-Grundschule in Okuma Quelle: REUTERS
In Namie, fünf Kilometer nördlich des zerstörten Atomkraftwerks Fukushima Daiichi, legen Mitarbeiter der Post Blumen an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz nieder. Quelle: dpa

Es wird Leser geben, denen das Buch nicht streng und stringent genug ist, denen der Mix aus anekdotischer Reportage und leicht verständlicher Wissenschaftsprosa nicht gefällt. Man kann auch die fehlende Arbeit am Begriff bemängeln: Beim sechsten Sterben handelt es sich selbstverständlich nicht um eine Katastrophe, sondern im Gegenteil: um ein verantwortetes Massensterben. Aber das ist Mäkelei auf hohem Niveau. Haben wir nicht neben allem auch noch gelernt, wie die Theorien des Massensterbens und der Evolution, des Aktualismus und des Transformismus in die Welt kamen - als das Ergebnis eines wissenschaftlichen Kräftemessens im 19. Jahrhundert, an dem so schillernde Figuren wie Jean Cuvier, Jean-Baptiste Lamarck, Charles Lyell und Charles Darwin beteiligt waren? Ja, das haben wir. Und können schließen: Allein dafür lohnt sich die Lektüre.

*Elizabeth Kolbert, Das 6. Sterben, Wie der Mensch Naturgeschichte schreibt, Suhrkamp, 24,95 Euro (e-book 21,99 Euro)

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