Im November vergangenen Jahres brachte ein gemeinsames Projekt Forscher der TU Freiberg und Wissenschaftlern des UFZ ans Tote Meer. Darunter Siebert und Merkel. Ziel der Reise: herauszufinden, welche Folgen die Absenkung des Wasserspiegels auf die Region und insbesondere das Grundwasser in der Region hat. Die Experten wollten Frischwasserzutritte am Seeboden finden, die dabei helfen können, das System des Toten Meeres besser zu verstehen.
Schon seit mehreren Jahren engagiert sich das deutsche Helmholtz-Verbundprojekt DESERVE in diesem Bereich. Die entscheidende Frage: Wie viel Süßwasser geht tatsächlich im Toten Meer verloren und welche Auswirkungen hat die Entwicklung des Salzsees auf seine Umgebung?
Dank der Forschungen der vergangenen Jahre können die Wissenschaftler besser erklären, aus welchen Strömen wie viel Wasser im See landet. Entwicklungen können so besser erklärt und prognostiziert werden. Mit ihren Projekten und Ergebnissen, die die deutschen Forscher gemeinsam mit den Wissenschaftlern vor Ort voranbringen, wollen sie auch politisch und gesellschaftlich aufmerksam machen auf das Problem. Denn nur die Politik kann am Ende etwas tun.
„Gemeinsam mit lokalen Kollegen erhöht man natürlich seinen Wirkungsgrad und ich denke schon, dass wir einiges damit erreichen“, so Siebert. Es sei aber eben auch ein langer und harter Weg. „Die schlussendliche Umsetzung liegt nicht in unserer Hand und da können wir auch nur beschränkt Einfluss nehmen.“ Im Idealfall ließe sich das Absenken aber mithilfe eines Mammutprojekts kompensieren.
Letze Hoffnung Pipeline
Denn schon seit mehreren Jahrzehnten gibt es den Ansatz eines Kanal- und Pipelinebaus, um das Tote Meer wieder mit Wasser zu befüllen. Die Idee: Man könnte entweder vom Roten Meer oder vom Mittelmeer einen Kanal und eine Pipeline bis zum Salzsee führen, um diesen dann mit Meerwasser zu befüllen und so die fehlenden Liter des Jordans auszugleichen. „Technologisch sehe ich da keine Hürde und die Intention ist erst einmal richtig“, so Siebert.
Denn neben dem gewonnenen Wasser für das Tote Meer könnte eine solche Wasserverbindung weitere positive Effekte haben: Mithilfe von Wasserturbinen würde Jordanien auf der Strecke, die teilweise steil bergab führt, Strom gewinnen und mithilfe einer Entsalzungsanlage sogar Trinkwasser bekommen. Die Restsole aus dem gefilterten Wasser könnte einfach ins Tote Meer weiter geschickt werden. Klingt nach einem guten Plan – wurde nur bislang nie richtig angepackt.
Erst 2013 stand der Plan wieder auf der Tagesordnung. Israel, Jordanien und die Palästinenser bekundeten gemeinsam, man wolle das Tote Meer nun endlich vor dem Austrocknen bewahren. Ein Abkommen zum Bau einer entsprechenden Wasserpipeline wurde unterschrieben.
Die Fakten: eine Strecke von 180 Kilometern vom Roten zum Toten Meer, Kosten von rund 290 Millionen Euro und 200 Millionen Kubikmeter Wasser. Das ist nun bald zwei Jahre her. Passiert ist seitdem nichts. „Ich verfolge das jetzt seit 20 Jahren und es gab immer mal Phasen, in denen es aussah, als würde es jetzt konkret“, so Merkel. „Ich hoffe nach wie vor, dass endlich mal der Entschluss für ein entsprechendes Projekt kommt, aber sicher bin ich mir keineswegs.“
Extreme Veränderungen des Wassers möglich
Außerdem gibt es auch harsche Kritik an der Idee des Meerwasserimports: Die Zusammensetzung des Meerwassers ist eine ganz andere, als die des Toten Meeres. „Für uns ist das normale Meerwasser zwar salzig, aber im Vergleich zum Wasser des Toten Meeres ist es quasi Süßwasser“, erklärt Siebert. Natürlich könne die andere Chemie des Meerwassers den Salzsee beeinflussen, dass sei aber nicht wirklich dramatisch, meint Merkel. Im Vergleich zu den positiven Effekten würden die negativen Aspekte in den Hintergrund treten.
Auch Siebert sieht eindeutig mehr Vorteile in einem solchen Kanal-Pipeline-Projekt: „Ein netto-Wasserimport für diese Region ist absolut wichtig. Tatsache ist aber, dass es auch eine Kehrseite der Medaille gibt.“ Diese können die Hydrogeologen auch konkret benennen: „Es könnte etwa zur extremen Algenbildung, Eintrübung des Meeres und zur Bildung von Schwefelwasserstoff kommen“, erklärt Siebert. „Die Prozesse, die durch den Import von Meerwasser verursacht werden könnten sind nicht von der Hand zu weisen.“
Sämtliche dieser Konsequenzen sind denkbar und realistisch, allerdings stellt sich die Frage, in welchem Maße sie das Tote Meer beeinflussen würden. Außerdem sei ein Wasserimport trotzdem notwendig und für Siebert auch fast nur so machbar. Die wohl einzige Alternative: Schluss mit Wassergewinnung für Industrie und Landwirtschaft – politisch vollkommen perspektivlos.
Schon einmal war es fast weg
„Das Tote Meer wird weiter schrumpfen. Da kann es in absehbarer Zukunft durchaus so sein, dass nichts mehr davon da sein wird. Das war in der Vergangenheit bereits mindestens einmal so“, sagt Siebert. Zu diesem Ergebnis kamen israelische Wissenschaftler der Hebräischen Universität Jerusalem vor ein paar Jahren: 2010 hatten Bohrungen ergeben, dass das Tote Meer vor schätzungsweise 125.000 Jahren schon einmal so gut wie ausgetrocknet war – ganz ohne menschliches Zutun, als Folge klimatischer Veränderungen.
Sowohl in der Mitte des Sees als auch in der Nähe der Küste von Ein Gedis war rund 300 Meter tief gebohrt worden. Dabei stießen die Forscher auf Salzablagerungen, die deutlich unterhalb des heutigen Meeresbodens liegen – ein Zeichen dafür, dass an dieser Stelle schon einmal ein Salzsee ausgetrocknet sein muss, bevor das heutige Tote Meer entstand.
Trotzdem ist für den heutigen extremen Rückgang des Wasserspiegels keine Naturerscheinung, sondern der Mensch verantwortlich. Und die Konsequenz ist simpel: Entweder wird die Entnahme aus dem Jordan gestoppt oder eine alternative Zuführung gebaut. „Diese beiden Möglichkeiten hat man. Und wenn man keine von beiden wählt, ist das Tote Meer in absehbarer Zeit verschwunden“, sagt Merkel.