Totes Meer Der Todeskampf schreitet voran

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Deutsche Forscher vor Ort

Im November vergangenen Jahres brachte ein gemeinsames Projekt Forscher der TU Freiberg und Wissenschaftlern des UFZ ans Tote Meer. Darunter Siebert und Merkel. Ziel der Reise: herauszufinden, welche Folgen die Absenkung des Wasserspiegels auf die Region und insbesondere das Grundwasser in der Region hat. Die Experten wollten Frischwasserzutritte am Seeboden finden, die dabei helfen können, das System des Toten Meeres besser zu verstehen.

Schon seit mehreren Jahren engagiert sich das deutsche Helmholtz-Verbundprojekt DESERVE in diesem Bereich. Die entscheidende Frage: Wie viel Süßwasser geht tatsächlich im Toten Meer verloren und welche Auswirkungen hat die Entwicklung des Salzsees auf seine Umgebung?

Dank der Forschungen der vergangenen Jahre können die Wissenschaftler besser erklären, aus welchen Strömen wie viel Wasser im See landet. Entwicklungen können so besser erklärt und prognostiziert werden. Mit ihren Projekten und Ergebnissen, die die deutschen Forscher gemeinsam mit den Wissenschaftlern vor Ort voranbringen, wollen sie auch politisch und gesellschaftlich aufmerksam machen auf das Problem. Denn nur die Politik kann am Ende etwas tun.

„Gemeinsam mit lokalen Kollegen erhöht man natürlich seinen Wirkungsgrad und ich denke schon, dass wir einiges damit erreichen“, so Siebert. Es sei aber eben auch ein langer und harter Weg. „Die schlussendliche Umsetzung liegt nicht in unserer Hand und da können wir auch nur beschränkt Einfluss nehmen.“ Im Idealfall ließe sich das Absenken aber mithilfe eines Mammutprojekts kompensieren.

Diese Regionen drohen zu verschwinden
NildeltaDer afrikanische Strom Nil versorgt Menschen in sieben Ländern mit Wasser und sorgt für fruchtbaren Boden. Von Ruanda und Burundi fließt er durch Tansania, Uganda, den Südsudan und den Sudan, durch Ägypten und mündet dann ins Mittelmeer. Gerade in Ägypten gilt der Fluss als Lebensader. In den nächsten zwölf Jahren könnte sich seine Bedeutung jedoch umkehren: Wenn die Meeresspiegel weiter ansteigen, würden die Menschen aus dem Nildelta von Überschwemmungen vertrieben. Quelle: obs
HalligenGenauso bedroht vom steigenden Meeresspiegel sind die zehn deutschen Halligen rund um die Insel Insel Pellworm vor der Küste Schleswig-Holsteins. Steigt der Meeresspiegel weiter, können die Bewohner der Halligen die Landwirtschaft nicht aufrecht erhalten - ihre Lebensgrundlage wäre bedroht. Stürme, häufigere Überflutungen und damit verbundene Bodenerosionen könnten die Halligen im Laufe der Zeit vollständig wegspülen. Quelle: dpa/dpaweb
WattenmeerSteigt der Meeresspiegel sehr schnell und hoch, könnte auch Wattenmeer komplett verschwinden. Damit würden tausende Vögel ihre Lebensgrundlage verlieren. Quelle: dpa
KilimandscharoDoch auch die Berge sind bedroht: Durch die Klimaerwärmung sind die Gletscher auf dem ostafrikanischen Kilimandscharo um 80 Prozent geschrumpft. In den nächsten drei bis vier Jahren soll die Schneedecke ganz verschwunden sein. Da wegen der globalen Erwärmung auch der Wolkenkranz, der die Spitze des Berges umschließt, weniger wird, ist die dortige Wasserversorgung gefährdet. Am Fuß des Mount Kilimanjaro lebt die Volksgruppe der Massai, außerdem tausende Tierarten wie Affen, Büffel, Elefanten, Pelikane, Raubkatzen, Nashörner, Zebras und Gazellen. Verschwinden die Wolken um den Kilimandscharo herum, verschwindet auch die Lebensgrundlage von Mensch und Tier. Quelle: dapd
GletscherAllgemein verschwinden Schnee und Eis von der Erdoberfläche - nicht nur in Ostafrika oder an den Polen. So sind beispielsweise auch die österreichischen Skigebiete wie Kitzbühel betroffen. Schon ein Temperaturanstieg von drei Grad reicht laut Geologen aus, um 80 Prozent der Alpengletscher abzutauen. Forscher gehen davon aus, dass im Jahr 2050 alle Alpen gletscherfrei sein werden. Quelle: gms
Namib-WüsteDeutsche Forscher sind erst im vergangenen Sommer in der Nähe der Wüste Namib in Namibia im Südwesten von Afrika auf riesige unterirdische Wasservorräte gestoßen. Trotzdem bleibt das Land vom Klimawandel gefährdet: Trocknet die Wüste noch stärker aus, könnten Wanderdünen Mensch, Tier und Pflanzen bedrohen. Laut Geologen reicht ein Temperaturanstieg von 2,1 Grad, damit Sandstürme und Wanderdünen aus der Namib-Wüste rund die Hälfte der Tier- und Pflanzenwelt auslöschen und das Leben der Menschen gefährden. Quelle: dpa
Amazonas-RegenwaldGut sechs Prozent der Vogel-, Amphibien- und Säugetierarten müssten im brasilianischen Amazonasbecken mittlerweile ausgestorben sein - weil der Regenwald dort seit vier Jahrzehnten zerstört wird. Ein Fünftel des Amazonas-Regenwalds ist bereits vollständig zerstört. Quelle: dpa

Letze Hoffnung Pipeline

Denn schon seit mehreren Jahrzehnten gibt es den Ansatz eines Kanal- und Pipelinebaus, um das Tote Meer wieder mit Wasser zu befüllen. Die Idee: Man könnte entweder vom Roten Meer oder vom Mittelmeer einen Kanal und eine Pipeline bis zum Salzsee führen, um diesen dann mit Meerwasser zu befüllen und so die fehlenden Liter des Jordans auszugleichen. „Technologisch sehe ich da keine Hürde und die Intention ist erst einmal richtig“, so Siebert.

Denn neben dem gewonnenen Wasser für das Tote Meer könnte eine solche Wasserverbindung weitere positive Effekte haben: Mithilfe von Wasserturbinen würde Jordanien auf der Strecke, die teilweise steil bergab führt, Strom gewinnen und mithilfe einer Entsalzungsanlage sogar Trinkwasser bekommen. Die Restsole aus dem gefilterten Wasser könnte einfach ins Tote Meer weiter geschickt werden. Klingt nach einem guten Plan – wurde nur bislang nie richtig angepackt.

Das Tote Meer Quelle: Dr. Christian Siebert/UFZ

Erst 2013 stand der Plan wieder auf der Tagesordnung. Israel, Jordanien und die Palästinenser bekundeten gemeinsam, man wolle das Tote Meer nun endlich vor dem Austrocknen bewahren. Ein Abkommen zum Bau einer entsprechenden Wasserpipeline wurde unterschrieben.

Die Fakten: eine Strecke von 180 Kilometern vom Roten zum Toten Meer, Kosten von rund 290 Millionen Euro und 200 Millionen Kubikmeter Wasser. Das ist nun bald zwei Jahre her. Passiert ist seitdem nichts. „Ich verfolge das jetzt seit 20 Jahren und es gab immer mal Phasen, in denen es aussah, als würde es jetzt konkret“, so Merkel. „Ich hoffe nach wie vor, dass endlich mal der Entschluss für ein entsprechendes Projekt kommt, aber sicher bin ich mir keineswegs.“

Extreme Veränderungen des Wassers möglich

Außerdem gibt es auch harsche Kritik an der Idee des Meerwasserimports: Die Zusammensetzung des Meerwassers ist eine ganz andere, als die des Toten Meeres. „Für uns ist das normale Meerwasser zwar salzig, aber im Vergleich zum Wasser des Toten Meeres ist es quasi Süßwasser“, erklärt Siebert. Natürlich könne die andere Chemie des Meerwassers den Salzsee beeinflussen, dass sei aber nicht wirklich dramatisch, meint Merkel. Im Vergleich zu den positiven Effekten würden die negativen Aspekte in den Hintergrund treten.

Auch Siebert sieht eindeutig mehr Vorteile in einem solchen Kanal-Pipeline-Projekt: „Ein netto-Wasserimport für diese Region ist absolut wichtig. Tatsache ist aber, dass es auch eine Kehrseite der Medaille gibt.“ Diese können die Hydrogeologen auch konkret benennen: „Es könnte etwa zur extremen Algenbildung, Eintrübung des Meeres und zur Bildung von Schwefelwasserstoff kommen“, erklärt Siebert. „Die Prozesse, die durch den Import von Meerwasser verursacht werden könnten sind nicht von der Hand zu weisen.“

Sämtliche dieser Konsequenzen sind denkbar und realistisch, allerdings stellt sich die Frage, in welchem Maße sie das Tote Meer beeinflussen würden. Außerdem sei ein Wasserimport trotzdem notwendig und für Siebert auch fast nur so machbar. Die wohl einzige Alternative: Schluss mit Wassergewinnung für Industrie und Landwirtschaft – politisch vollkommen perspektivlos.

Schon einmal war es fast weg

„Das Tote Meer wird weiter schrumpfen. Da kann es in absehbarer Zukunft durchaus so sein, dass nichts mehr davon da sein wird. Das war in der Vergangenheit bereits mindestens einmal so“, sagt Siebert. Zu diesem Ergebnis kamen israelische Wissenschaftler der Hebräischen Universität Jerusalem vor ein paar Jahren: 2010 hatten Bohrungen ergeben, dass das Tote Meer vor schätzungsweise 125.000 Jahren schon einmal so gut wie ausgetrocknet war – ganz ohne menschliches Zutun, als Folge klimatischer Veränderungen.

Sowohl in der Mitte des Sees als auch in der Nähe der Küste von Ein Gedis war rund 300 Meter tief gebohrt worden. Dabei stießen die Forscher auf Salzablagerungen, die deutlich unterhalb des heutigen Meeresbodens liegen – ein Zeichen dafür, dass an dieser Stelle schon einmal ein Salzsee ausgetrocknet sein muss, bevor das heutige Tote Meer entstand.

Trotzdem ist für den heutigen extremen Rückgang des Wasserspiegels keine Naturerscheinung, sondern der Mensch verantwortlich. Und die Konsequenz ist simpel: Entweder wird die Entnahme aus dem Jordan gestoppt oder eine alternative Zuführung gebaut. „Diese beiden Möglichkeiten hat man. Und wenn man keine von beiden wählt, ist das Tote Meer in absehbarer Zeit verschwunden“, sagt Merkel.

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