Allerdings sei es durchaus erklärbar, dass dieses Jahr besonders viel Müll an die Strände gelange: Man habe seit Wochen thermischen Wind, der vom Meer landwärts wehe. Drei, vier Tage Nordwind - und das Treibgut sei wieder weit draußen im Meer, wo es eben niemand sehe.
In Aguilós Augen ist die aktuelle Situation deshalb sogar positiv. „Unsere Boote sammeln viel mehr Unrat auf als im Vorjahr“. Zumal die insgesamt 33 Müllschiffe - 15 vor Mallorca, je 8 vor Menorca und Ibiza und 2 vor Formentera - aufgrund der optimalen Wetterbedingungen derzeit jeden Tag rausfahren könnten. Außerdem seien sie in diesem Jahr sogar einen Monat länger als üblich unterwegs, nämlich von Anfang Mai bis Ende September, was sich die Balearenregierung immerhin 1,1 Millionen Euro kosten lasse.
Dennoch ist das Ausmaß der Müll-Schwemme damit kaum in den Griff zu bekommen, wie die Wissenschaftlerin Marina Sanz-Martín befürchtet. Sie ist Biologin am auf Mallorca ansässigen Meeresforschungsinstitut Imedea und hat an der ersten groß angelegten Studie mitgearbeitet, die die Plastikverschmutzung des Mittelmeers unter die Lupe nahm.
Vor zwei Jahren wurden hierfür an 28 Stellen mit kleinmaschigen Netzen Wasserproben entnommen. Die Ergebnisse für die Balearen sind besorgniserregend: Südlich von Formentera ist der Grad der Verschmutzung mit bis zu 2500 Gramm Plastik pro Quadratkilometer besonders hoch. Allerdings dürfe man sich darunter keinen „Plastikteppich aus algerischen Milchtüten und Cola-Dosen vorstellen“, sagt die Wissenschaftlerin.
Auf der Suche nach Erklärungen für die derzeitige Plastikschwemme hatte der vermeintliche Müllteppich in Medien Mallorcas immer wieder als Sündenbock herhalten müssen. „Das ist vollkommen absurd“, sagt Sanz-Martín. Bei dem entdeckten Plastik handele es sich um winzige Partikel, zu 83 Prozent kleiner als fünf Millimeter. Gerade sie aber sind es, die dem Ökosystem den größten Schaden zufügen. Zum einen verenden Meerestiere daran, zum anderen landet das Plastik über die Nahrungskette längst auch auf unseren Tellern.
Die Vorstellung von an der Meeresoberfläche treibenden Müllbergen ist Sanz-Martín zufolge also nicht richtig, auch nicht für die fünf nachgewiesenen riesigen Plastikstrudel im Pazifik, im Atlantik und im Indischen Ozean: Diese bestünden ebenfalls aus Mikroplastik.