Wenn Ramon Knoester am Rhein fischen geht, ist er nicht auf Aal oder Karpfen aus. Der Architekt aus Rotterdam hat es auf Flaschen und Tüten abgesehen, auf den Plastikmüll, der Tag für Tag zentnerweise den Fluss hinab zum Meer treibt. „Das hier“, sagt er und zeigt auf eine Kiste voller Abfall, „habe ich gestern in einer Stunde aus dem Wasser geholt.“
Knoester will die Menschen aufrütteln für ein Problem globalen Ausmaßes. Riesige Mengen des Kunststoffs, den Menschen Tag für Tag wegwerfen, landen in Gewässern – herangeweht von Straßen, Stränden oder Müllkippen, herbeigespült vom Abwasser. Über die Flüsse gelangt der Plastikmüll in die Meere – laut Fachmagazin „Science“ rund acht Millionen Tonnen im Jahr.
Auf den Ozeanen wird das Treibgut zum Killer: Seehunde verklemmen sich in Getränkekästen, Delfine verheddern sich in Plastiknetzen. Neun von zehn Seevögeln verwechseln Müllfetzen mit Fischeiern, verschlingen Feuerzeuge, Ballons oder Modellautos – und viele verenden. Über Fische und Wasser gelangen winzige Plastikteile sogar in die menschliche Nahrungskette. Der Müll treibt ewig im Meer. Seefahrer sichten riesige Plastikteppiche. Der mächtigste, im Pazifik, soll doppelt so groß sein wie Texas.
Eine Reihe innovativer Gründer will dabei nicht länger zusehen und macht nun mobil gegen den Müll. Im November setzt Knoester im Rhein in Ufernähe eine Plastikfalle aus, einen Ponton mit einem riesigen Fangnetz. Weitere Müllfallen sollen folgen. „Der Abfall darf gar nicht erst das Meer erreichen“, sagt der Umwelt-Architekt.
Er will ihn einsammeln und recyceln und schließlich daraus schwimmende Parks bauen – Pontons mit Bäumen, Bänken und Wasserläufen, in die sich Fische zurückziehen. Bei der Stadtverwaltung von Rotterdam kommt das an. Sie sucht händeringend Platz für neue Grünflächen. Ausgerechnet recycelter Müll könnte nun die Stadt verschönern.
Straßen aus Müll
Anderswo wird Plastikfischen gar zum Volkssport. In Amsterdam verleiht das Start-up Plastic Whale für Firmenevents Boote an Unternehmen, deren Mitarbeiter in den Grachten mit Netzen im Wettbewerb nach Plastik angeln. Das kanadische Sozialunternehmen Plastic Bank wiederum richtet weltweit Tauschstellen für Plastikmüll ein. Den Start machte Perus Hauptstadt Lima. Wer dort bei Plastic Bank Kunststoff abgibt, kann ihn gegen Haushaltswaren tauschen; Schüsseln, Teller, Eimer, produziert auf 3-D-Druckern aus eingeschmolzenem Kunststoff.
Der niederländische Student Boyan Slat plant das ganz große Reinemachen auf dem Meer. Vergangenes Jahr sammelte er mit seinem Unternehmen The Ocean Cleanup per Crowdfunding 2,2 Millionen Dollar ein, um schwimmende Müllsammler zu entwickeln. 2016 will Slat einen zwei Kilometer langen Prototyp vor Tsushima testen, einem Eiland zwischen Japan und Südkorea.
US-Musikstar Pharrell Williams macht mit etwas Marketing aus dem fiesen Abfall inzwischen sogar einen hippen Rohstoff. Seine neue Kollektion Raw for the Oceans entstand zusammen mit der niederländischen Modemarke G-Star: Jacken, Jeans und T-Shirts bestehen aus Meeresplastik. Denn das lässt sich, einmal recycelt und eingeschmolzen, zu Garn verarbeiten.
Auch der Sportartikelhersteller Adidas hat – wenn auch bisher nur als Prototyp – einen Turnschuh entwickelt, der aus dem Material gerissener oder illegaler Fischernetze gefertigt ist. Der belgische Reinigungsmittelanbieter Ecover wiederum vertreibt eine limitierte Version seines Spülmittels, dessen Plastikflasche aus recyceltem Meeresmüll besteht. Den Müll sammeln Fischer im Auftrag der Umweltorganisation WWF.
Sogar ganze Straßen könnten bald mit Meeresmüll gepflastert sein. Daran arbeiten Ingenieure des niederländischen Bauunternehmens VolkerWessels. Ihre Plastic Road soll aus Recyclingkunststoff vorgefertigt und vor Ort verlegt werden. Das Material sei hart genug, sagt Entwickler Anne Koudstaal, um Lastwagen zu tragen. Obendrein halte es mindestens doppelt so lang wie Asphalt.
Ende 2017 will Koudstaal in Rotterdam die erste Plastikstraße testen. Der Rohstoff dazu treibt nebenan den Rhein hinab.