Umweltverschmutzung Smog-Desaster in China

Langsam bläst der Wind erste Löcher in den „Smoggürtel“, der Peking und andere Städte umschließt. Doch für Entwarnung ist es noch zu früh. Erste Kritik an der Regierung wird laut.

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Noch keine Entwarnung gibt es für die Hauptstadt Chinas. Quelle: dpa

In Shanghai zeigt die Website des amerikanischen Konsulats ein paar Mal im Monat Werte an, die mit dem Wort "unhealthy for sensitive groups". Die Feinstaubbelastung erreicht dann Werte über 100. Ein feiner Schleier liegt dann über der Stadt und man bildet sich ein, die Luft schmecke ein wenig nach Metall. Die höchste Stufe lautet "hazardous" mit Werten über 400. Bei 500 endet die Skala. Manche Shanghaier lehnen es ab, sich über die Werte zu informieren: Warum sich von etwas den Tag verderben lassen, das man ohnehin nicht ändern kann? Andere trösten sich damit, dass in "Peking alles noch viel schlimmer sei". Tatsächlich leidet die Hauptstadt öfter unter schweren Smog. Doch was am vergangenen Wochenende passierte, war aber für die latent am Verkehrskollaps stehende Metropole eine Katastrophe. Die Messungen zeigten am Samstagabend Werte über 700, in manchen Stadtteilen sogar über 800, an. Bilder vom Wochenende zeigen eine apokalyptische Version einer Stadt, die am eigenen Wachstum erstickt (Peking hat seine Einwohnerzahl von 1990 bis heute auf 22 Millionen verdoppelt). Die Sicht ähnelt der einer Raucherkammer am Flughafen, ein brauner Sepia-Schleier hängt über allen Gebäuden. Das Smog-Desaster ist der vorläufige Höhepunkt einer sich langsam zuspitzenden Umweltkatastrophe.

Als besonders tückisch und gefährlich gelten Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer (etwa ein Dreißigstel eines menschlichen Haares) - aufgrund ihrer geringen Größe können sie in Lungenbläschen gelangen. Sie werden "PM2,5" genannt und können Träger von Schwermetallen, Säuren und Bakterien sein. Lagern sie sich im menschlichen Körper ab, können sie Entzündungen und Lungenkrankheiten hervorrufen, sowie das Krebsrisiko erhöhen.

Schnelle Wege aus der Klimafalle
Klimaexperten haben mehr als 400 Methoden zur Bekämpfung des Klimawandels unter die Lupe genommen. Im Fokus der im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlichten Untersuchung stand ausnahmsweise nicht der Klimakiller CO2, sondern das Treibhausgas Methan sowie Ruß, der in der Atmosphäre dafür sorgt, dass weniger Sonnenstrahlung ins All reflektiert wird. Schon mit einigen einfachen Maßnahmen, so die Wissenschaftler, ließe sich der Ausstoß von Methan und Ruß so stark reduzieren, dass der globale Temperaturanstieg bis zum Jahr 2050 um ein Drittel geringer ausfallen würde als bislang vorhergesagt. Die zehn wichtigsten Maßnahmen im Überblick. Quelle: dpa
Durch eine bessere Filterung bei der Entlüftung von Kohleminen würde deutlich weniger Methan freigesetzt. Quelle: dpa
Lecke Gaspipelines sind eine weitere Treibhausgas-Quelle, die sich mit relativ geringem Aufwand schließen ließe. Quelle: dpa
Deponie-Gas, dessen Hauptbestandteil Methan ist, entsteht durch den bakteriologischen und chemischen Abbau von organischen Inhaltsstoffen des Mülls. Seine Freisetzung zu verhindern und es nutzbar zu machen, würde dem globalen Klimawandel entgegenwirken, so die Forscher. Quelle: dpa
Durch unkontrolliertes Abblasen bei der Ölförderung gelangen ebenfalls große Mengen Methan in die Atmosphäre, die durch verbesserte Fördertechnik eingefangen werden könnten. Quelle: dpa
Auch durch eine bessere Aufarbeitung der bei der Nutztierhaltung anfallenden Exkremente – etwa durch Vergärung in Biogasanlagen – ließe sich der Methanausstoß deutlich verringern. Quelle: dpa
Keine andere Kulturpflanze setzt soviel Methan frei wie Reis. Durch verbesserte Anbaumethoden, weniger Dünger und eine weniger intensive Bewässerung ließe sich der Methanausstoß beim Reisanbau reduzieren. Quelle: dpa

Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet PM2,5-Werte von über 25 als unzumutbar. Laut einer Greenpeace-Studie in Zusammenarbeit mit der Pekinger Universität für Öffentliche Gesundheit lag die durchschnittliche PM2,5-Konzentration in Peking 2010 bei 72,6.

Schutz gegen den Dreck in der Luft gibt es kaum: Sogenannte "N95-Atemmasken" sollen zwar den gröbsten Schmutz filtern, doch wer draußen arbeiten muss, gefährdet seine Gesundheit trotzdem. In den Innenräumen können immerhin Luftreiniger Abhilfe schaffen. Auf gome.com.cn, einer e-commerce-Seite für Elektrogeräte, waren die Geräte am Montag ausverkauft. "Uns gingen die Produkte am Sonntagabend langsam aus, als plötzlich immer mehr Bestellungen eintrafen", sagte Peng Liang ein Gome-Sprecher der China Daily.

Bei Smog-Werten wie am Wochenende versagen allerdings auch diese: Normalerweise braucht ein Luftreiniger etwa eine Stunde, um einen Raum zu säubern, anschließend leuchtet statt einem roten Licht ein grünes auf. Ein Betroffener berichtete der China Daily, dass drei seiner Luftreiniger am Wochenende permanent rot leuchteten.

Die Luftverschmutzung ist gefährlich

So schlimm ist es in Peking. Quelle: REUTERS

Ungefährlich ist die Luftverschmutzung keineswegs: Laut einer Greenpeace-Studie war die Luftverschmutzung 2012 Ursache für 8572 Todesfälle in Peking, Shanghai, Guangzhou und Xian, und verursachte Kosten in Höhe von 1,08 Milliarden Dollar. Besonders betroffen ist die hochindustrialisierte Ostküste des Landes. Laut des chinesischen Umweltministerium leiden die Regionen um Guangzhou, Shanghai und Peking-Tianjin unter 100 Tagen Smog im Jahr. In diesen Regionen stehen die meisten Kohlekraftwerke, welche mit knapp 20 Prozent für den Großteil der PM2,5-Emissionen verantwortlich sind.

In erster Linie ist der Energiehunger des Landes und die starke Abhängigkeit Chinas von Kohlekraftwerken Ursache des Smogs. Zwischen 2005 und 2010 stieg der Kohleverbrauch des Landes um 44 Prozent - 2010 verbrauchte China 48 Prozent der weltweit verbrannten Kohle. Zu rund 80 Prozent bezieht das Land seine Energie aus Kohlekraftwerken. Eine Ursache für den Smog vom vergangenen Wochenende war der erhöhte Energieverbrauch durch Heizungen.

Der Klimawandel in Zahlen

Lange Zeit waren die Messstationen der amerikanischen Botschaft bzw. des Konsulats in Peking und Shanghai die einzige verlässliche Quelle für PM2,5-Messungen. Chinesische Messstationen maßen nur weniger gefährliche Partikel ab einer Größe von PM10, während die Regierung ausländische Botschaften noch dazu aufrief, keine "unakkuraten und unrechtmäßige" Daten zu veröffentlichen. Anfang 2012 hat Peking schließlich begonnen, die Feinstaubbelastung durch PM2,5-Partikel zu messen und zu veröffentlichen. Seit Januar gibt es nun tägliche Messwerte aus 74 Städten. Der Regierung scheint klar geworden zu sein, dass das Problem nicht mehr ignoriert oder klein geredet werden kann.

Neu am Smog-Desaster ist, dass die staatlich kontrollierten Medien relativ offen darüber berichten können. Selbst die als extrem parteitreu geltende Zeitung "Global Times" schrieb am Montag: "In Zukunft sollte die Regierung wahrheitsgetreue Umweltdaten veröffentlichen" - natürlich nicht ohne vorher auf den beeindruckenden Wirtschaftsaufschwung des Landes zu verweisen.

Das lässt den Schluss zu, dass die neue Führung um Xi Jinping, die im November auf dem 18. Parteikongress ernannt wurde, Umweltfragen tatsächlich ernster nimmt.

Umweltschutz ist als Ziel im aktuellen Fünf-Jahres-Plan formuliert. Die Regierung hat außerdem verkündet, die PM2,5-Belastung bis 2015 um fünf Prozent zu reduzieren. "Wir müssen damit beginnen, die Luftqualität zu verbessern und das PM2,5-Problem zu lösen", sagte Zhao Hualin vom Umweltschutzministerium im Dezember. Weltweit sind momentan 1200 Kohlekraftwerke in Planung - 363 davon in China. Laut Greenpeace ist eine Reduzierung von fünf Prozent noch das bestmögliche Szenario.

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