Jürgen Schmude hat die Hornbrille, das offene, weiße Hemd und die betont ungeordneten Haare eines Kreativdirektors, doch den kühlen Blick des Wissenschaftlers. „In 50 Jahren wird es nur noch in einem deutschen Skigebiet, an der Zugspitze, klimatisch funktionieren, dass wir dort Skisport betreiben“, sagt Schmude. Und fügt hinzu: „Außer wir machen die ganz verrückten Sachen.“ Schmude ist Professor für Geografie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, seit Jahren erforscht er die Folgen des Klimawandels für den Alpenraum, ökologisch, vor allem aber ökonomisch. „Noch haben die Regionen es selbst in der Hand, sich auf die Zeit nach dem Skisport vorzubereiten“, sagt Schmude. „Die Alpen sind insgesamt deutlich überproportional vom Klimawandel betroffen“, sagt Schmude.
So ist die Durchschnittstemperatur in den vergangenen Jahren in den Alpen doppelt so schnell gestiegen wie im weltweiten Durchschnitt. Und für die bayrischen Alpen ist die Perspektive am schlechtesten. Hier steigt die Temperatur schneller als anderswo, zudem sind die Skigebiete deutlich niedriger gelegen als in Tirol: „Selbst wenn es gelänge, die Steigerungsdynamik des Klimawandels abzumildern, wird der Skisport in den bayrischen Alpen bis 2050 nahezu unmöglich“, sagt Schmude.
Es wird dann zwar weiter Schneefälle geben, aber das genügt eben nicht, um Skisport zu betreiben. „Um ein Skigebiet halbwegs ökonomisch zu betreiben, braucht man ungefähr 100 Tage Schneesicherheit im Jahr“, sagt Schmude. 100 Tage, als magische Grenze kennt man das auch in Oberjoch. „Wir haben die 100 Tage in den vergangenen zehn Jahren achtmal erreicht“, rechnet Bürgermeister Martin vor, der daraus einen einfachen Schluss zieht. „Solange wir diese Quote halten können, ist der Wintersport für uns ein lohnendes Geschäft. Und das werden wir schaffen.“
Unter dem Strich positiv
Martin ist ein Mann der Zahlen, nicht nur was die Schneesicherheit angeht. Bevor er in Hindelang Bürgermeister wurde, hat er ein paar Serpentinen weiter unten im Tal die Gemeindefinanzen organisiert. Wenn alle Risiken und Chancen in Zahlen erfasst sind, gegenübergestellt und unter dem Strich ein positives Ergebnis steht, dann ist es eine gute Sache. So bewertet Martin die Dinge. „Wir haben lange überlegt, ob wir das Risiko dieser Investition wirklich eingehen sollen“, sagt Martin, in dessen Logik auch die Alpen selbst weniger ein Naturraum als ein raues Wettbewerbsumfeld sind.
„Es gibt in den Alpen 3000 Orte, die vom Tourismus leben, so wie wir“, rechnet er vor. Um gegen die zu bestehen, hilft nur eines: viel Geld. Die 30 Millionen für den Liftneubau hätte Martin trotzdem niemals zusammenbringen können. Doch als Martin vor sieben Jahren Bürgermeister wurde, hatte der Freistaat Bayern gerade das Bergbahnenprogramm aufgelegt, extra für kleine Bahnbetreiber, wie es Oberjoch eines ist.
34 Millionen Euro hat das Land seit 2009 für die Förderung des Wintertourismus ausgegeben. Doch es gab da ein Problem: „Bei dem Programm dürfen nur Orte mitmachen, wo die Liftgesellschaft überwiegend in privater Hand liegt, die Gemeinde also höchstens 25 Prozent der Anteile hält.“ In Oberjoch waren es aber 44 Prozent. Eine Kapitalerhöhung musste her, 4,5 Millionen Euro sollten reichen, so hatte Martin sich das ausgerechnet. „Aber versuchen Sie mal, Investoren zu finden für ein Projekt mit diesem Risiko, bei dem mit einer Dividende eher nicht zu rechnen ist.“
Man könnte auch sagen: ein Projekt,für das es aus marktwirtschaftlicher Sicht keinen vernünftigen Grund gibt. Nur wenige Liftbetreiber in den deutschen Alpen machen echte Gewinne, viele brauchen Zuschüsse aus dem Gemeindehaushalt.