Wettrüsten in den Alpen Skifahren um jeden Preis

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Letzte Ausfahrt Zugspitze

Jürgen Schmude hat die Hornbrille, das offene, weiße Hemd und die betont ungeordneten Haare eines Kreativdirektors, doch den kühlen Blick des Wissenschaftlers. „In 50 Jahren wird es nur noch in einem deutschen Skigebiet, an der Zugspitze, klimatisch funktionieren, dass wir dort Skisport betreiben“, sagt Schmude. Und fügt hinzu: „Außer wir machen die ganz verrückten Sachen.“ Schmude ist Professor für Geografie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, seit Jahren erforscht er die Folgen des Klimawandels für den Alpenraum, ökologisch, vor allem aber ökonomisch. „Noch haben die Regionen es selbst in der Hand, sich auf die Zeit nach dem Skisport vorzubereiten“, sagt Schmude. „Die Alpen sind insgesamt deutlich überproportional vom Klimawandel betroffen“, sagt Schmude.

Die teuersten Ski-Orte 2014
Braunlage (Deutschland)Der preiswerteste Ski-Ort liegt in Deutschland im Harz. Hier beträgt der Übernachtungspreis 83 Euro. Natürlich kann das Ski-Gebiet nicht mit den Spitzenreitern des Rankings konkurrieren, aber ein paar nette Pisten gibt es trotzdem. Unter den Top 10 der günstigsten Skidestinationen befinden sich ausschließlich deutsche und österreichische Skiorte. So kommt man auch in Sankt Georgen ob Murau (Österreich), Weyregg am Attersee (Österreich) und Schierke (Österreich) unter 90 Euro weg.Quelle: Trivago.de Quelle: Screenshot
Abtenau (Österreich)Österreich bietet in puncto Winterurlaub die größte Preisbandbreite. Wer auf das Geld schauen möchte, der ist im österreichischen Abtenau genau richtig. Der Übernachtungspreis liegt hier nur bei 95 Euro. Unter den zehn preiswertesten Ski-Gebieten ist Abtenau im Ranking der teuerste.Im Folgenden sehen Sie, wo Sie wesentlich mehr für den Skiurlaub ausgeben müssen: Quelle: Presse
Die teuersten SkiortePlatz 10: Zermatt (Schweiz)Das Matterhorn im Hintergrund ist das Wahrzeichen des Schweizer Ski-Ortes Zermatt im Wallis. Eine Übernachtung kostet hier 267 Euro. Quelle: REUTERS
Platz 9: Flirsch am Arlberg (Österreich)St. Antons Nachbarort Flirsch am Arlberg ist beschaulich, bietet aber das gleiche Ski-Vergnügen. Mit dem Unterschied: In Flirsch zahlt man wesentlich weniger für eine Übernachtung. Mit 288 Euro kommt man hier gut unter. Immernoch ein stolzer Preis und somit Platz 9. Quelle: Presse
Platz 8: Ischgl (Österreich)Ischgl ist mit einem Übernachtungspreis von 298 Euro nicht gerade günstig. Der Ort ist als beliebte Partymeile beim feierfreudigen Publikum bekannt. Quelle: Presse
Platz 7: Warth (Österreich)Für 311 Euro kann man in Warth über die Pisten fegen. Quelle: dpa
Platz 6: St. Moritz (Schweiz)Der Übernachtungspreis in St. Moritz liegt bei 327 Euro. Quelle: Screenshot

So ist die Durchschnittstemperatur in den vergangenen Jahren in den Alpen doppelt so schnell gestiegen wie im weltweiten Durchschnitt. Und für die bayrischen Alpen ist die Perspektive am schlechtesten. Hier steigt die Temperatur schneller als anderswo, zudem sind die Skigebiete deutlich niedriger gelegen als in Tirol: „Selbst wenn es gelänge, die Steigerungsdynamik des Klimawandels abzumildern, wird der Skisport in den bayrischen Alpen bis 2050 nahezu unmöglich“, sagt Schmude.

Es wird dann zwar weiter Schneefälle geben, aber das genügt eben nicht, um Skisport zu betreiben. „Um ein Skigebiet halbwegs ökonomisch zu betreiben, braucht man ungefähr 100 Tage Schneesicherheit im Jahr“, sagt Schmude. 100 Tage, als magische Grenze kennt man das auch in Oberjoch. „Wir haben die 100 Tage in den vergangenen zehn Jahren achtmal erreicht“, rechnet Bürgermeister Martin vor, der daraus einen einfachen Schluss zieht. „Solange wir diese Quote halten können, ist der Wintersport für uns ein lohnendes Geschäft. Und das werden wir schaffen.“

Unter dem Strich positiv

Martin ist ein Mann der Zahlen, nicht nur was die Schneesicherheit angeht. Bevor er in Hindelang Bürgermeister wurde, hat er ein paar Serpentinen weiter unten im Tal die Gemeindefinanzen organisiert. Wenn alle Risiken und Chancen in Zahlen erfasst sind, gegenübergestellt und unter dem Strich ein positives Ergebnis steht, dann ist es eine gute Sache. So bewertet Martin die Dinge. „Wir haben lange überlegt, ob wir das Risiko dieser Investition wirklich eingehen sollen“, sagt Martin, in dessen Logik auch die Alpen selbst weniger ein Naturraum als ein raues Wettbewerbsumfeld sind.

„Es gibt in den Alpen 3000 Orte, die vom Tourismus leben, so wie wir“, rechnet er vor. Um gegen die zu bestehen, hilft nur eines: viel Geld. Die 30 Millionen für den Liftneubau hätte Martin trotzdem niemals zusammenbringen können. Doch als Martin vor sieben Jahren Bürgermeister wurde, hatte der Freistaat Bayern gerade das Bergbahnenprogramm aufgelegt, extra für kleine Bahnbetreiber, wie es Oberjoch eines ist.

34 Millionen Euro hat das Land seit 2009 für die Förderung des Wintertourismus ausgegeben. Doch es gab da ein Problem: „Bei dem Programm dürfen nur Orte mitmachen, wo die Liftgesellschaft überwiegend in privater Hand liegt, die Gemeinde also höchstens 25 Prozent der Anteile hält.“ In Oberjoch waren es aber 44 Prozent. Eine Kapitalerhöhung musste her, 4,5 Millionen Euro sollten reichen, so hatte Martin sich das ausgerechnet. „Aber versuchen Sie mal, Investoren zu finden für ein Projekt mit diesem Risiko, bei dem mit einer Dividende eher nicht zu rechnen ist.“

Man könnte auch sagen: ein Projekt,für das es aus marktwirtschaftlicher Sicht keinen vernünftigen Grund gibt. Nur wenige Liftbetreiber in den deutschen Alpen machen echte Gewinne, viele brauchen Zuschüsse aus dem Gemeindehaushalt.

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