Umweltschutz und Olympia China: Doch keine grünen Spiele

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Chinesisches Nationalstadion: Quelle: REUTERS

Gebracht haben die Maßnahmen bis jetzt wenig. Wenige Tage vor der Eröffnung am 8. August plagen sich die 17 Millionen Pekinger wie eh und je mit Smog, Abgasen und Feinstaub herum. Schon existieren Notfallpläne, von denen einer vorsieht, bis zu 90 Prozent aller Privatautos während der Spiele von den Straßen zu verbannen. „Sollte sich die Luftqualität verschlechtern, werden wir den Plan noch 48 Stunden vor Beginn der Spiele in Kraft setzen“, kündigt Li Xin vom Pekinger Umweltbüro an.

Noch hoffen die Planer allerdings auf die Wirkung ihrer Investitionen. Allein 191 Maßnahmen zur Reduzierung der Umweltbelastung habe man beim Bau der Sportstätten angewendet, sagt Jin Lei vom Beijing Institute of Architectural Design (BIAD). Neun, darunter das Nationalstadion und die Nationalsporthalle, decken zum Beispiel einen Teil ihres Strombedarfs aus Solaranlagen. Zwei Aspekte standen im Mittelpunkt, sagt Jin. „Ein minimaler Ressourcenverbrauch und ein möglichst geringer negativer Einfluss auf die Umwelt.“ Das Motto von den „grünen Spielen“, so Jin, sei eng verbunden mit dem von der Regierung genauso plakativ beschworenen Prinzip der „High-Tech-Spiele“.

Die Verknüpfung hat einige technische Kabinettstückchen hervorgebracht. So wurden in die Dächer von Schwimm- und Nationalstadion Rinnensysteme zum Auffangen von Regenwasser eingelassen. Es wird zur Bewässerung der Grünanlagen und für die Toilettenspülungen genutzt. Mehr als eine Million Euro haben Pekings Planer in die supermodernen Fotovoltaik-anlage des Nationalstadions gesteckt. Sie liefert bei fünf Stunden Sonnenschein täglich rund 520 Kilowattstunden Strom – das entspricht in etwa dem Verbrauch einer vierköpfigen Familie in zwei Monaten.

Unabhängige Experten zweifeln am Erfolg der Umweltoffensive

Nicht ganz so leistungsstark sind die mehr als 1100 Solarpanels im Dach und in den Wänden der Nationalsporthalle. Sie erzeugen rund 100 Kilowattstunden Strom pro Tag. Die Abwässer des olympischen Tenniscenters werden biologisch gereinigt und zur Bewässerung der Grünanlagen genutzt. Über Sonden angezapfte Erdwärme kühlt und heizt die Anlagen.

„Das sind zwar sind alles nur kleine Schritte“, räumt BIAD-Mann Jin ein, „doch wir erwarten davon eine langfristige Signalwirkung für ganz China.“ Umweltschutz, so wie bei den Spielen praktiziert, soll künftig zur festen Größe bei der Planung neuer Bau- und Infrastrukturprojekte werden und die verheerende Lage bei der Luft- und Wasserverschmutzung allmählich bessern. Chinas Führung weiß um die Dringlichkeit. Nach Schätzungen des amerikanischen Umweltexperten Steven Andrews kostet die Verschmutzung China jedes Jahr mehr als sieben Prozent des Bruttosozialprodukts. „Die wirtschaftlichen Folgen sind enorm.“

Entgegen der offiziellen Propaganda zweifeln unabhängige Experten am Erfolg der Umweltoffensive. Und auch den grünen Anstrich mancher Sportstätten stellen sie infrage. „Da ist vieles reine Kosmetik“, behauptet Robert Watson, Chef der Umweltberatung Ecotech International. Das Nationalstadion etwa sei zwar „ein beeindruckender Bau, aber bei Weitem kein grünes Gebäude“. Das verhindern laut Watson 42.000 Tonnen Stahl für die spektakuläre Konstruktion. „Die Verwendung von zehnmal so viel Material wie in einem normalen Stadion vernichtet jeden positiven Effekt für die Umwelt.“

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