Digitaler Wandel "Haben Sie Google zerschlagen, kommt der nächste"

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"Staatliche Rahmenbedingungen sind richtig und wichtig"

Findet die Digitalbotschafterin der Regierung auch, dass die Politik nichts rafft?

Joost: Politik reagiert. Das liegt in der Natur der Sache. Aber mir geht auch vieles zu langsam. Ich vermisse den notwendigen internationalen Rahmen, der im digitalen Zeitalter unsere Rechte wirksam schützt.

Stattdessen kämpft die öffentliche Hand gegen Uber…

Joost: Schwierig, absolut. Sicherlich ist die Abwehr neuer Geschäftsmodelle nicht grundsätzlich das Mittel der Wahl. Die Politik hat jedoch stets ein Interesse, die soziale Ordnung gegen allzu schmerzvolle Einschnitte zu schützen. In diesem Spannungsfeld müssen Politiker einen offenen Blick behalten und angemessen reagieren.

Nestmann: Danke. Wenn die Politik permanent hinterherhinkt und diesen Zustand nur dadurch zu mildern versucht, indem sie im Wesentlichen abblockt, werden wir nicht vorankommen.

Warum Uber so umstritten ist

Aber Uber, Herr Nestmann, wollte selbst das Recht bestimmen, als es in den deutschen Markt eindrang, oder?

Nestmann: Überhaupt nicht. Wir sind allerdings eine Vermittlungsplattform, und so etwas ist im aktuellen Personenbeförderungsrecht schlicht nicht vorgesehen. Das gab es nämlich noch nicht, als das einschlägige Gesetz entstanden ist. Deshalb ist ein Verbot auf Basis dieses Gesetzes auch so schwierig. Aber klar ist: Wir halten uns ans Recht. Und wenn Gerichte unserer Auffassung nicht folgen, dann stehen wir selbstverständlich nicht über dem Recht. Wir müssen uns jedoch fragen, ob manche Gesetze der neuen Zeit angepasst werden müssten.

Pausder: Staatliche Rahmenbedingungen sind richtig und wichtig. Aber dazu gehört doch auch, dass ich einen Rahmen für Innovation setze. Und das Taxigewerbe brauchte dringend einen Weckruf.

Uber zeigt doch die Ambivalenz des Wandels: Einerseits bricht der Dienst einen verkrusteten Markt auf. Andererseits hat er schon die Big-Data-Muskeln spielen lassen, als er aus Nutzerdaten One-Night-Stands herausfilterte.

Nestmann: Diese Geschichte ist mehr als drei Jahre alt. Das war interner Test, um den Algorithmus, mit dem wir Fahrer und Mitfahrer zusammenbringen, effizienter zu machen. Natürlich arbeiten wir weiter daran, unsere Plattform zu verbessern, aber derlei machen wir längst nicht mehr.

Pausder: Aber die Sache ist damit auf dem Tisch: Was kann man mit den Daten alles anstellen?

Nestmann: Nur weil wir es können, heißt das nicht, dass wir es machen werden. Wir werden kein Geld mit den Daten verdienen, weil sie unser Unternehmen nicht verlassen. Punkt.

Wie Ihr Unternehmen digital fit wird

Welzer: Aber Sie erfassen sie. Und darin liegt immer auch die Möglichkeit, morgen etwas anderes mit ihnen zu machen, allen Beteuerungen heute zum Trotz.

Pausder: Das stimmt, aber die Konsequenz kann nicht lauten, dass wir uns Neuerungen verweigern und angsterfüllt herumsitzen, weil wir in Zukunft befürchten in der Datenmatrix gefangen zu sein. Es gibt akuten Handlungsbedarf beim Datenschutz, also gehen wir ihn an und fordern die Politik auf, ebenfalls aktiv zu werden!

Herr Welzer, ist das auch Ihre Meinung?

Welzer: Ja, da bin ich ganz auf Linie: Wir müssen warnen und handeln, wenn wir als politische Bürger Gefahren sehen. Ich halte Demokratie für eine zivilisatorische Errungenschaft, aber eben auch für eine sehr fragile Angelegenheit. Sie kann brechen oder wieder abgeschafft werden. Wir haben es in der Hand.

Pausder: Der Philosoph beobachtet und warnt. Das sollen Sie. Aber der Unternehmer muss pushen, die Grenzen verschieben, muss Neues probieren. Sonst wäre der Philosoph irgendwann arbeitslos…

Welzer: (lacht) Sind die meisten ja auch.

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