Findet die Digitalbotschafterin der Regierung auch, dass die Politik nichts rafft?
Joost: Politik reagiert. Das liegt in der Natur der Sache. Aber mir geht auch vieles zu langsam. Ich vermisse den notwendigen internationalen Rahmen, der im digitalen Zeitalter unsere Rechte wirksam schützt.
Stattdessen kämpft die öffentliche Hand gegen Uber…
Joost: Schwierig, absolut. Sicherlich ist die Abwehr neuer Geschäftsmodelle nicht grundsätzlich das Mittel der Wahl. Die Politik hat jedoch stets ein Interesse, die soziale Ordnung gegen allzu schmerzvolle Einschnitte zu schützen. In diesem Spannungsfeld müssen Politiker einen offenen Blick behalten und angemessen reagieren.
Nestmann: Danke. Wenn die Politik permanent hinterherhinkt und diesen Zustand nur dadurch zu mildern versucht, indem sie im Wesentlichen abblockt, werden wir nicht vorankommen.
Warum Uber so umstritten ist
Uber startete vor rund vier Jahren in San Francisco als Alternative zu Taxis, die in der kalifornischen Metropole notorisch schwer zu kriegen sind. Anfangs ging es nur darum, für etwas mehr Geld einen Chauffeur-Service mit Oberklasse-Wagen anzubieten. Inzwischen nutzt Uber seine Vermittlungsplattform auch für Dienste, bei denen Privatleute Fahrgäste mit ihren eigenen Autos mitnehmen können. Vor allem um solche Angebote entzünden sich die Streitigkeiten mit Taxi-Gewerbe und Behörden in verschiedenen Ländern.
Es ist eine Smartphone-App, wie man sie auch von den Taxi-Anwendungen kennt. Der Abholort wird automatisch ermittelt, der Kunde sieht die Uber-Fahzeuge in der Nähe. Der Fahrweg wird mit Hilfe von GPS berechnet, die Wagen kommen daher ohne Taxameter aus. Der Bezahlvorgang entfällt: Es wird einfach die bei Uber hinterlegte Kreditkarte belastet.
Das Taxi-Geschäft überall ist vielen Regeln unterworfen. Es gibt Vorschriften für die technische Kontrolle der Fahrzeuge, die Überprüfung des Gesundheitszustands der Fahrer, spezielle Versicherungen und die Beförderungspflicht. Außerdem wird die Größe des Marktes über die Vergabe von Konzessionen eingeschränkt. So kann eine Taxi-Lizenz in New York mehr als eine Million Dollar kosten. Uber platzt mit seinen Dienstes in dieses über Jahrzehnte gewachsene Geflecht von Regeln und wirtschaftlichen Interessen.
Beim ursprünglichen Chaufferdienst UberBLACK waren die Argumente vor allem der Komfort einer Smartphone-App, ein schickes Auto und die automatische Abrechnung. Bei den Mitfahrdiensten in Privatautos ist Uber aber auch günstiger als herkömmliche Taxis. So kostet der Service UberPOP in Hamburg einen Euro pro Kilometer bzw. 25 Cent pro Minute. Laut Hamburger Taxentarif zahlt man dagegen jeweils 2,20 Euro für die ersten vier Kilometer, je 1,90 für die nächsten fünf Kilometer und 1,40 ab dem 10. Kilometer.
Behörden und auch Landesregierungen sehen den Dienst skeptisch. In Berlin und Hamburg erließen die Behörden Unterlassungsverfügung gegen Uber. Gerichte erlaubtem dem Fahrdienst aber vorläufig die Weiterfahrt. In NRW erklärte ein Sprecher des Verkehrsministeriums zu Uber: "Nach den vorliegenden Informationen handelt es sich bei den Fahrten um genehmigungspflichtige Personenbeförderungen." Über eine solche Genehmigung verfügen die Uber-Fahrer aber offenbar nicht. Das Verkehrsministerium warnt deshalb vor hohen Bußgeldern.
Aber Uber, Herr Nestmann, wollte selbst das Recht bestimmen, als es in den deutschen Markt eindrang, oder?
Nestmann: Überhaupt nicht. Wir sind allerdings eine Vermittlungsplattform, und so etwas ist im aktuellen Personenbeförderungsrecht schlicht nicht vorgesehen. Das gab es nämlich noch nicht, als das einschlägige Gesetz entstanden ist. Deshalb ist ein Verbot auf Basis dieses Gesetzes auch so schwierig. Aber klar ist: Wir halten uns ans Recht. Und wenn Gerichte unserer Auffassung nicht folgen, dann stehen wir selbstverständlich nicht über dem Recht. Wir müssen uns jedoch fragen, ob manche Gesetze der neuen Zeit angepasst werden müssten.
Pausder: Staatliche Rahmenbedingungen sind richtig und wichtig. Aber dazu gehört doch auch, dass ich einen Rahmen für Innovation setze. Und das Taxigewerbe brauchte dringend einen Weckruf.
Uber zeigt doch die Ambivalenz des Wandels: Einerseits bricht der Dienst einen verkrusteten Markt auf. Andererseits hat er schon die Big-Data-Muskeln spielen lassen, als er aus Nutzerdaten One-Night-Stands herausfilterte.
Nestmann: Diese Geschichte ist mehr als drei Jahre alt. Das war interner Test, um den Algorithmus, mit dem wir Fahrer und Mitfahrer zusammenbringen, effizienter zu machen. Natürlich arbeiten wir weiter daran, unsere Plattform zu verbessern, aber derlei machen wir längst nicht mehr.
Pausder: Aber die Sache ist damit auf dem Tisch: Was kann man mit den Daten alles anstellen?
Nestmann: Nur weil wir es können, heißt das nicht, dass wir es machen werden. Wir werden kein Geld mit den Daten verdienen, weil sie unser Unternehmen nicht verlassen. Punkt.
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Welzer: Aber Sie erfassen sie. Und darin liegt immer auch die Möglichkeit, morgen etwas anderes mit ihnen zu machen, allen Beteuerungen heute zum Trotz.
Pausder: Das stimmt, aber die Konsequenz kann nicht lauten, dass wir uns Neuerungen verweigern und angsterfüllt herumsitzen, weil wir in Zukunft befürchten in der Datenmatrix gefangen zu sein. Es gibt akuten Handlungsbedarf beim Datenschutz, also gehen wir ihn an und fordern die Politik auf, ebenfalls aktiv zu werden!
Herr Welzer, ist das auch Ihre Meinung?
Welzer: Ja, da bin ich ganz auf Linie: Wir müssen warnen und handeln, wenn wir als politische Bürger Gefahren sehen. Ich halte Demokratie für eine zivilisatorische Errungenschaft, aber eben auch für eine sehr fragile Angelegenheit. Sie kann brechen oder wieder abgeschafft werden. Wir haben es in der Hand.
Pausder: Der Philosoph beobachtet und warnt. Das sollen Sie. Aber der Unternehmer muss pushen, die Grenzen verschieben, muss Neues probieren. Sonst wäre der Philosoph irgendwann arbeitslos…
Welzer: (lacht) Sind die meisten ja auch.