Vernetztes Fahren Wie die Cloud das Auto revolutioniert

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Premium-Hersteller sind weiter als Volumenmarken

„Je mehr Informationen ausgetauscht werden, desto weniger unerwartete Situationen gibt es“, erläutert Erik Israelsson, Projektleiter Cooperative ITS (Intelligent Transport System) bei Volvo. „Beim Autofahren kann man auf unliebsame Überraschungen getrost verzichten.“ Volvo hat zum Beispiel einen Glätte-Alarm entwickelt, der den Fahrer vor vereisten Fahrbahnen warnt und die Arbeit der Winterdienste erleichtern soll.

Ob Volvo, Audi oder BMW: Die Premium-Hersteller sind beim vernetzten Auto weiter als die meisten Volumenmarken. „Das gilt sowohl bei den bestehenden Produkten als auch den Konzepten für die Zukunft“, sagt Bernhart. „Die Premium-Hersteller sind gerade dabei, massiv die eigenen Back-End-Systeme auszubauen.“ Diese Systeme betreiben sie oft aber nicht selbst, sondern kaufen Kapazitäten von Drittanbietern dazu. „Entscheidend ist dabei, dass die Hersteller die Hoheit über den Zugang zu den Daten behalten“, sagt Bernhart.

Was die neuen Cockpits können
Tesla Der Elektroautobauer Tesla hat schon bei seinen ersten Fahrzeugen großen Wert auf das Infotainment gelegt - also die gute Bedienbarkeit von Musik-Diensten, Navigationsgerät, Kommunikation und Serviceinformationen zum Fahrzeug. Nun ist dem Unternehmen in den USA ein neuer Coup gelungen. In Kooperation mit dem Mobilfunkanbieter AT&T sollen die Elektroautos mit einem Zugang zum Highspeed-Internet ausgestattet werden. Damit wäre nicht nur ruckelfreies Webradio und Surfen im Internet möglich. Auch Verkehrsinformationen für das Navigationssystem ließen sich in Echtzeit abrufen. Und bliebe der Wagen stehen, könnte eine Service-Hotline per Netz eine Ferndiagnose des Motors durchführen. Quelle: REUTERS
Kia UvoDas Infotainmentsystem von Kia lässt sich per Sprachsteuerung und Touch steuern. Die erste Variante des Systems entwickelten die Koreaner gemeinsam mit Microsoft. Die aktuelle Version setzt auch auf mobile Dienste und baut auf Googles Betriebssystem Android auf. Dadurch kann das System zum Beispiel auf die Karten und Informationen der Plattformen Google-Maps und Google-Places zugreifen. Steuern lässt es sich sich zusätzlich über Android- und Apple-Smartphones. Quelle: Presse
Audi TabletWie sehr die Welt der mobilen Rechner in die der Automobilbranche übergreift, zeigt ein neues Produkt aus dem Hause Audi. Erst kürzlich stellte der Autobauer auf der Elektronik-Messe CES in Las Vegas ein eigenes Tablet vor. Unter dem Titel "Audi Smart Display" soll das Gerät die Bedienung der Infotainment-Angebote im Auto erleichtern. Denn während Nutzer Tablets intuitiv bedienen können, tun sich viele mit den umfassenden Möglichkeiten von Infotainmentprogrammen im Auto noch schwer. Das Tablet hat einen 10 Zoll großen Display, der sich ganz einfach mit dem Infotainment in neuen Audi-Modellen verbinden lässt. Außerdem bietet es einen direkten Zugriff auf Googles Playstore und damit auf alle Android-Apps für Tablets. Quelle: Presse
Audi und GoogleGleichzeitig haben Google und Audi erst kürzlich auf der CES in Las Vegas bekannt gegeben, künftig miteinander kooperieren zu wollen. Damit sollen alle Audi-Bordsysteme auf dem Betriebssystem Google Android basieren. Auch in den neuen Modellen von General Motors, Honda und Hyundai wird künftig Android als Infotainmentplattform verbaut.  Quelle: AP
Infiniti InTouch Das neue Infotainment-System der Luxusmarke wurde auf der Elektronik-Messe CES vorgestellt. Das System macht es möglich das Smartphone mit dem Bordcomputer zu verbinden. Somit kann der Fahrer über das Programm auch im Fahrzeug direkt auf seine Kontakte, E-Mails und einige Apps zugreifen. Nachrichten liest einem das Programm auf Wunsch laut vor. Musik kann auch per Sprachsteuerung ausgewählt werden. Besonders praktisch: Auf der Infiniti-Plattform lassen sich sogar die Sitz- und Spiegeleinstellungen von bis zu vier Fahrern speichern. Quelle: REUTERS
Nokias KartendienstAuch Nokia versucht sich einen Platz im Auto zu sichern. Seit Jahren bieten die Finnen Kartendienste für den Verkehr an. Im Sommer hat der einstige Handy-Riese hunderte Millionen Euro in die Hand genommen, um die Dienste zu erweitern. Bisher ist die Plattform "Here" so ausgelegt, dass sie neben der Kartendienste auch eine Integration von Musik und Internetangeboten vorsieht, wie zum Beispiel der ortsbezogene Dienst Foursquare. Eingebunden ist außerdem eine "Auto-Cloud", über die der Fahrer aktuelle Informationen zu Spritpreisen oder freien Parkplätzen abrufen kann. Die Autobauer können für ihre Produkte selbst entscheiden, welche Serviceangebote von Nokia sie einbinden wollen. Quelle: dpa
BMW i3Das Infotainmentsystem des deutschen Elektroautos lässt sich sogar per Smartwatch Samsung Galaxy Gear steuern. Damit hat der Autofahrer Informationen wie den Kilometerstand, den Batteriestand oder den Parkstandort auf der Uhr gespeichert und so immer dabei. Auch ob Fenster geöffnet oder geschlossen sind, lässt sich mit einem Blick aufs Handgelenk überprüfen. Besonders praktisch: Per Spracherkennung lassen sich Klimaanlage und Heizung auch aus der Entfernung steuern. Somit ist der Wagen im Winter schon vorgeheizt und die gefrorene Scheibe getaut, noch ehe der Fahrer das Auto überhaupt aufgeschlossen hat. Quelle: dpa

Das Back-End, also die Server, mit denen das Auto die Daten austauscht, entscheiden nicht nur über die Funktionen, sondern auch über die Sicherheit der Daten. „Wir haben vor Jahren entschieden, dass die Kommunikation mit dem Fahrzeug von außen nur über ein BMW-Backend laufen darf“, sagt Elmar Frickenstein, der die Elektrik- und Elektronikentwicklung bei BMW leitet. Die meisten anderen Hersteller verfahren ähnlich. „Wir lassen nicht zu, dass das Smartphone mit dem Auto spricht.“

Amerikaner sind in Datenfragen offener

Soll heißen: Wer etwa bei seinem BMW i3 den Ladestand der Batterie per Smartphone oder -watch überprüft, holt sich die Daten über die BMW-Server und nicht vom Auto direkt – auch wenn man nur einen Meter daneben steht. Dass das Auto nur mit dem eigenen Fahrzeugschlüssel und den BMW-Servern spricht, dient dem Datenschutz. Das gelingt zwar nicht immer, wie BMW bereits selbst erfahren musste.

Die Frage nach den Daten hält in Deutschland noch viele Kunden ab, die Cloud allgemein und im Auto im Speziellen zu nutzen. Für Bernhart darf das aber kein Grund für die Autobauer sein, die Entwicklung zu verlangsamen. „Die deutsche Autoindustrie verkauft nicht nur in Deutschland“, sagt der Unternehmensberater. „Die US-Amerikaner sind in vielen Datenfragen deutlich offener, deshalb kann es dort unter Umständen andere Funktionen geben als in Europa.“

Die Autobauer müssten vielmehr heute solche Dienste im Angebot haben, damit ihr Auto künftig auch attraktiv sei. „Man kann auch kein Auto nur mit Stoffsitzen und überschaubarem Sitzkomfort anbieten – da kann der Rest des Autos noch so gut sein, es wird sich nicht verkaufen“, so Bernhart. „Der Druck, der über Google und Apple aufgebaut wird, wird den Fortschritt beschleunigen.“

Die aufstrebende Konkurrenz aus dem Silicon Valley beschäftigt die deutschen Autobauer bereits heute – auch wenn sie sich siegessicher gibt. „Für die deutsche Autoindustrie ist das Auto das Kerngeschäft seit 130 Jahren. Für Sie, Mr. Schmidt, ist es erst jüngst interessant geworden“, sagte etwa Audi-Chef Rupert Stadler an Google-Chef Eric Schmidt gerichtet. „Ein Auto ist heute das zweite Wohnzimmer. Das ist privat. Der Einzige, den die Daten an Bord etwas angehen, ist der Kunde.“

Doch nicht nur aus dem Silicon Valley droht der deutschen Autoindustrie Konkurrenz im Rennen um die Cloud. Auch chinesische IT-Konzerne wie Tencent, Alibaba und Baidu arbeiten mit Hochdruck am vernetzten Auto – im Falle von Baidu sogar mit deutschen Herstellern zusammen.

Dabei könnten sie schneller als amerikanische Unternehmen vorankommen, schätzt Merics-Expertin Mirjam Meissner. „In China gibt es zudem Rückendeckung durch die Regierung“, sagte Meissner dem Fachmagazin „Automobilwoche“. „Weil Peking die eigene Industrie stärken und zugleich mit vernetzten Autos den drohenden Verkehrskollaps vermeiden will, wird die Entwicklung stark gefördert. Da werden in kurzer Zeit über Branchengrenzen hinweg Allianzen angebahnt, die sich im Silicon Valley nur sehr viel langsamer entwickeln.“

Auch gegenüber Deutschland sieht die Expertin den Entwicklungsstandort China im Vorteil: „Eine Diskussion über Datenschutz, wie sie etwa in Deutschland geführt wird, gibt es in China nicht.“

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