Ukraine-Präsident Poroschenko Der Schokounternehmer, der keiner sein will

Vor fast einem Jahr versprach der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, dass er seinen Roshen-Konzern verkaufen wird, wenn er zum Staatschef gewählt wird. Warum er sein Wort noch nicht gehalten hat.

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Staatschef und Unternehmer: Petro Poroschenko. Quelle: Reuters

Moskau Petro Poroschenkos Versprechen ist jetzt schon 331 Tage alt: Am 2. April 2014 sagte der 49-Jährige in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung: „Wenn ich ukrainischer Präsident werde, mache ich klaren Tisch und werde den Roshen-Konzern verkaufen.“ Ende Mai wählten die Ukrainer Poroschenko zu ihrem Präsidenten. Allein das Gelöbnis, sich „nur noch um das Wohl des Landes“ zu kümmern, hat er bis heute nicht eingelöst. Der ukrainische Staatschef ist immer noch Chef von Roshen, einem der größten Schokoladenproduzenten der Welt. Geschätzter Marktwert: 1,5 Milliarden Dollar.

Das Unternehmen mit Hauptsitz in Kiew hat vor einigen Tagen seine Geschäftszahlen für das vergangene Jahr bekanntgegeben. Trotz des Kriegs zwischen der Ukraine und Russland – den beiden wichtigsten Märkten für Roshen – hat der 1996 gegründete Konzern einen Reingewinn von rund 1,4 Millionen Dollar eingefahren. Roshen produziert in seinen sieben Fabriken mehr als 450.000 Tonnen Schokolade pro Jahr und beliefert Osteuropa – ein Konsumentenmarkt, der bekannt ist für seine vielen Naschkatzen. Warum will niemand dieses lukrative Unternehmen übernehmen?

Poroschenko dürfte der schleppende Verkauf persönlich am meisten stören. Nicht aus finanziellen Gründen, sondern der Reputation wegen. An dem Abend seiner siegreichen Wahl zum ukrainischen Präsidenten Ende Mai sagte der Mann, der aus der Nähe von Odessa stammt: „Wir sollten eine neue Tradition einführen: Wenn jemand auf den höchsten Posten gewählt wird, sollte er einen großen Schritt machen und sein Geschäft verkaufen, um sich ganz auf die Arbeit zu konzentrieren.“ Dieser Jemand namens Poroschenko ist jedoch bis heute Geschäftsmann und Milliardär.

Den Grundstock für sein Vermögen legte er in den Neunziger Jahren, als die Sowjetunion zerfiel. Poroschenko verdiente sein Geld mit dem Import von Kakaobohnen und gründete einige Jahre später das Unternehmen Roshen, bestehend aus den beiden mittleren Silben seines Nachnamens. Heute ist der „Schokoladenkönig“ nach Angaben von „Forbes“ der siebtreichste Mann in der Ukraine. Im Juni 2014 schätzte das amerikanische Wirtschaftsmagazin sein Vermögen auf 1,3 Milliarden Dollar. Das ukrainische Magazin „Nowoje Wremja“ gab im November vergangenen Jahres den Wert mit lediglich 520 Millionen Dollar an. Fakt ist: Poroschenko ist schwerreich.

Neben Roshen besitzt der Ukrainer Anteile an Banken und Versicherungen, hat 100.000 Hektar Land in der Ukraine und hält Aktien an einer Sirupfabrik, einem Schiffsbauer, einem Fitnessclub und dem Fernsehsender „Kanal 5“.
Letzteren will Poroschenko nicht verkaufen, weil es „ein unabhängiger Kanal ist, der eine entscheidende Rolle bei der Revolution am Maiden gespielt hat.“ Das sagte er in einem Interview im Mai. Ein Verkauf sei gefährlich für das ganze Land. In Russland dagegen gilt „Kanal 5“ bei vielen Menschen als „Propagandakanal“, der pro-westliche und anti-russische Stimmung verbreitet.


Mit jeder Kugel in der Ostukraine sinken die Verkaufschancen

Um sich von all seinen Geschäftstätigkeiten außer dem Fernsehkanal zu trennen, beauftragte Poroschenko Ende August die Schweizer Privatbank Rothschild mit dem Verkauf seiner Anlagen, allen voran die Schokoladenfirma Roshen. „Das sind für uns gute Nachrichten und wir sind froh, dass wir für diesen wichtigen Verkauf ausgewählt wurden“, sagte Giovanni Salvetti damals, Chef von Rothschild in der Region der ehemaligen Sowjetunion. Gemeinsam mit der Investment Capital Ukraine werde man schnellstmöglich mit dem Verkauf beginnen.

Doch dann spitzte sich die Krise in dem Heimatland des Schokoladenimperiums immer mehr zu, die Ostukraine wurde zum Kriegsgebiet. Im September hieß es, die Firma sei für einen lokalen Rivalen mit einem Wert von 1,5 Milliarden Dollar wohl zu groß. Außerdem zeigten sich die Investoren besorgt, mit dem Präsidenten eines Landes in Kriegszustand Geschäfte zu machen. Unbeachtet dessen bekräftigte Poroschenko sein Versprechen Mitte November erneut, wieder im Interview mit der „Bild-Zeitung“: „Ich bin zuversichtlich, dass die Verkaufsverträge schon bald unterschrieben werden können“, ließ sich der Präsident zitieren.

Einen Monat später gab es immer noch keine ernsthaften Kaufoptionen, stattdessen meldete sich der Rothschild-Manager Salvetti zu Wort: „Es ist sicherlich kein guter Zeitpunkt, zu verkaufen. Ich hoffe, die Situation wird sich in den ersten beiden Quartalen 2015 verbessern.“ Als Banker weiß Salvetti, dass Investoren nichts mehr fürchten als Unsicherheit. Mit jeder Kugel, die in der Ostukraine flog, sanken die Chancen auf einen baldigen Verkauf von Roshen.

Dafür gab es nun auch finanzielle Gründe: Wegen des Kriegs in der Ukraine verlor Roshen pro Monat vier Millionen Dollar, gab deren Präsident im Herbst bekannt. Das Unternehmen hat eine Fabrik in der Hafenstadt Mariupol, die in den vergangenen Wochen als ein Kriegsschauplatz ins Visier geriet. Die Kosten für importierte Rohstoffe des Unternehmens stiegen im vergangenen Jahr stark an, weil die ukrainische Währung Griwna mehr als die Hälfte ihres Wertes zum Dollar verlor. Im Dezember sagten Investmentbanker der Nachrichtenagentur Reuters, dass sie an eine Investition in der Ukraine zum derzeitigen Zeitpunkt stark zweifeln würden. Salvetti meinte nur: „Ich würde Poroschenko nicht raten, zu einem niedrigen Preis zu verkaufen.“ Logisch, denn der würde auch dem Banker schaden, der für den Deal eine Provision kassiert.

Internationale Konzerne wie Nestlé aus der Schweiz oder Mondelez aus den USA hielten sich mit Kommentaren zu einem möglichen Kauf auffällig zurück, obwohl sie beide in den vergangenen Jahren in der Ukraine und Russland investiert hatten.

Ein Grund für das Desinteresse der potenziellen Investoren ist auch, dass Roshens Umsätze in Russland eingebrochen sind.


Russen entdecken „Hygienemängel“ in Roshen-Süßigkeiten

Bis zum Jahr 2013 war Russland mit rund einem Drittel Umsatzbeteiligung der wichtigste Auslandsmarkt. 2001 hatte Poroschenko eine Fabrik in Lipezk gekauft, einer Großstadt 400 Kilometer südlich von Moskau. Dort produzierte Roshen früher mal rund ein Viertel seiner Schokolade weltweit.

Doch im März vergangenen Jahres, nachdem die Krim von Russland annektiert wurde, bekam die Fabrikchefin Besuch von schwer bewaffneten Polizisten, die stapelweise Dokumente konfiszierten. Russische Politiker beschuldigten die Fabrik, „Extremismus zu finanzieren“. Petro Poroschenko wird von einigen Russen als Marionette des Westens angesehen, der von den USA gekauft ist und nach dem „fingierten Putsch“ auf dem Maidan als Präsident eingesetzt wurde.

40 Millionen Euro des Firmenkapitals wurden eingefroren und die Fabrik musste ihre Produktion im Sommer für einige Woche stoppen. Russische Supermärkte strichen Roshen von ihrer Kaufliste, weil sie die Unzuverlässigkeit leid waren. Der jährliche Umsatz der russischen Fabrik halbierte sich und so schrumpfte auch der Wert von Poroschenkos Firmenanteilen.

Bis heute sind alle Importe von Süßigkeiten aus der Ukraine nach Russland verboten, das trifft auch die Produktion von Roshen in Ungarn und Litauen, die auf den größten Konsumentenmarkt verzichten müssen. Der Kreml dementiert, dass seine Entscheidungen politischer Natur seien und verweist auf Hygienemängel in den ukrainischen Süßigkeiten.

Poroschenko selbst kann nur hoffen, das die vor einigen Wochen vereinbarte Waffenruhe von Minsk hält und sich die politische Lage in der Ukraine entspannt. Daran hängt sein Schicksal als Präsident: Die Leute erwarten von ihm, dass er Frieden bringt – und sein Wort hält.

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