Umweltproblem Ölfeld-Abwasser Schlimmer als eine Ölpest

Wenn irgendwo Öl ausläuft, hat jeder Bilder von toten Tieren und verschmierten Küsten vor Augen. Aber es gibt ein weiteres Umweltproblem bei der Öl- und Gasförderung: Die Verseuchung durch stark salzhaltiges Abwasser.

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Neben austretendem Öl belasten auch die stark salzhaltigen Abwässer vieler Öl- und Gasfelder die Umwelt. Quelle: ap

Crossroads Carl Johnson und sein Sohn Justin züchten Vieh auf den Hochebenen von New Mexico in den USA. Zusammen gehen sie an diesem Tag langsam über einen rund 6000 Quadratmeter großen Flecken sandiger Erde, der zu ihrer Ranch gehört. Öde sieht es hier aus, leblos, nur etwas Unkraut hier und da.

Vor fünf Jahren flossen nach einem Rohrbruch bis zu 420.000 Gallonen (etwa 1,6 Millionen Liter) an Abwässern auf das Land, ein Nebenprodukt der Öl- und Gasförderung. Gras und Gebüsch wurden vernichtet.

Und es war nur einer von Dutzenden Salzwasser-Unfällen, die das Weideland der Johnsons beschädigt haben – und sie um ihr Grundwasser bangen lässt. „Wenn wir unser Wasser verlieren“, so Justin Johnson, „ist unsere Ranch ruiniert.“

Ihr Problem führt eine Nebenwirkung der Öl- und Gasproduktion vor Augen, die im Zuge des Bohrbooms der vergangenen Jahre immer gravierender geworden ist: Der Austritt von Abwässern, die Land verseuchen, Tiere töten und die Frischwasser-Versorgung bedrohen.

Eine Analyse von Daten aus bei der Öl- und Gasproduktion führenden US-Bundesstaaten durch die Nachrichtenagentur Associated Press hat ergeben, dass zwischen 2009 und 2014 mehr als 175 Millionen Gallonen an Abwässern ausgeflossen sind. Dahinter steckten zumeist Vorfälle wie Rohrbrüche oder überlaufende Lagertanks, aber manchmal wurde die Lake auch absichtlich abgelassen.

Öl wird irgendwann von Mikroben zersetzt, Salzlake nicht

Die AP wertete Daten aus Texas, North Dakota, Kalifornien, Alaska, Colorado, New Mexiko, Oklahoma, Wyoming, Kansas, Utah und Montana aus – Staaten, deren Ölproduktion 90 Prozent der gesamten Förderung auf dem US-Festland ausmacht. Den Unterlagen zufolge gab es in dem genannten Zeitraum insgesamt etwa 21.650 solcher Vorfälle, wobei die Tendenz im Laufe der Jahre steigend war. Die Zahl ist aber unvollständig, weil viele solcher Vorfälle nicht gemeldet werden.

Normalerweise erregt eine Ölpest in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit, doch das Ausfließen von Ölfeld-Abwässern kann erheblich größere Schäden anrichten. Ausgetretenes Öl wird irgendwann von Mikroben zersetzt, Salzlake nicht.

Wird nicht gründlich gereinigt, trocknet mit Salz durchsetzter Boden aus. Bäume sterben, Pflanzen können keine Wurzeln schlagen. „Ölspills mögen schlimm aussehen“, sagt Kerry Sublette von der Universität Tulsa. „Aber wir wissen, wie wir danach reinigen können. Salzwasser-Spills sind viel schwieriger.“

Neben dem hohen Salzgehalt gibt es in den Flüssigkeiten oft Schwermetalle wie Quecksilber und Arsen. Manche Rancher haben nach eigenen Angaben Vieh verloren, das verseuchtes Gras gefressen oder das Wasser aufgeleckt hat. „Sie verlieren stark an Gewicht. Manchmal bleibt nichts anderes übrig, als sie zu erschießen“, sagt Melvin Reed aus Shidler in Oklahoma.


Konzentrierte Salzlake aus tiefen Bodenschichten

Die konzentrierte Salzlake, viel salziger als Meereswasser, gibt es in Gesteinen Tausende Meter unter der Erdoberfläche. Wenn Öl und Gas etwa mit der sogenannten Frackingmethode nach oben gepumpt werden, gelangen auch das Wasser sowie Flüssigkeiten und Chemikalien nach oben, die zum Aufbrechen von Gestein eingespritzt werden.

Zu den Spills kommt es meistens, wenn Öl und Gas zur Trennung von den Abwässern in Metalltanks geleitet werden und das Wasser dorthin kanalisiert wird, wo es beseitigt werden soll – in der Regel sind dies Brunnenanlagen, die es wieder unter die Erde pumpen. In diesen Prozess sind Pipelines, Tankwagen und Gruben involviert.

Am häufigsten werden die Spills durch technische Probleme oder menschliches Versagen verursacht. Eine vollständige Auflistung der entstandenen Schäden gibt es nicht, doch einzelne Beispiele geben Hinweise auf das mögliche Ausmaß.

In North Dakota etwa lief 2006 fast eine Million Gallonen Salzlake aus – die Folge war ein massives Fischesterben im Yellowstone River und einem Nebenfluss. Die Säuberungskosten betrugen fast zwei Millionen Dollar (1,8 Millionen Euro).

Nahe der kalifornischen Stadt Bakersfield sickerten Abwässer auf einer großen Baumwoll- und Nussfarm in die Erde und verseuchte das Grundwasser. 2009 musste der Ölgigant Aera Energy den Besitzer mit neun Millionen Dollar entschädigen, weil dieser auf einem Drittel seiner Ländereien nicht mehr produzieren konnte.

Oft sind es betroffenen Landeigentümer, die Alarm schlagen und die Vorfälle aufdecken. Sie müssen Zugang für Bohrungen auf ihren Grundstücken erlauben, wenn sie nicht selber die Abbaurechte besitzen. „Die meisten Rancher hängen sehr an ihrem Land“, sagt Jeff Henry von der Osage County Cattlemen's Association in Oklahoma, einer Vereinigung von Viehzüchtern. „Unser Land ist es, aus dem wir unser Einkommen beziehen, auf dem wir unsere Familien großziehen.“

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