Deutsche Bank Ackermanns Erbe ist noch nicht gefunden

Wird Anshu Jain der nächste Chef der Deutschen Bank? Viel spricht dafür, viel dagegen. Klar ist aber: Die Diskussion kommt zu früh.

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Hört Josef Ackermann früher Quelle: REUTERS

Es hilft alles nichts. Da kann Josef Ackermann, als Chef der Deutschen Bank ausgestattet mit einem Vertrag bis immerhin 2013, Ende vergangener Woche noch so putzmunter und wenig amtsmüde wirkend durch das Treffen des Weltbankenverbandes IIF in Wien führen. Da können seine Berater noch so eifrig erklären, dass „Joe“ noch nie so viel Spaß an seinem Job gehabt habe wie derzeit – die Diskussion um seine Nachfolge wird wohl sobald nicht verstummen.

Wenn andere Unternehmen einen neuen Chef suchen, tauchen ein halbes Jahr vorher ein paar bislang nur in der Branche bekannte Namen auf, dann wird es irgendwann einer und fängt ein paar Monate später an. Bei der Deutschen Bank ist das anders.

Reizrolle von nationalem Interesse

Denn Ackermann ist schließlich nicht bloß ein Bankchef. Er ist der deutsche Manager schlechthin, die Projektionsfläche für nicht eben viel Gutes und ganz viel Schlechtes, das in Deutschland so über Führungskräfte, deren Bezahlung, die Globalisierung, die Spekulanten, die Finanzmärkte so gedacht wird. Als Zielfläche oft diffuser Ängste bekommt Ackermann Solo-Auftritte in Talkshows, und wenn die Kanzlerin ihn zum Abendessen einlädt, wird sofort ein Skandälchen draus. Wer diese Reizrolle künftig übernimmt, ist deshalb nicht nur ein Thema für die Branche, sondern eine Frage nationalen Interesses.

Zugegeben: Es macht ja auch Spaß. Wer will nicht mal ein bisschen Dieter Bohlen spielen, die Vorzüge einzelner Casting-Kandidaten durchdeklinieren und diese dann als zu alt, zu jung, zu wenig oder zu sehr international aussortieren? Und endlich mal die wirklich wichtigen Fragen diskutieren: Hat Anshu Jain, der smarte Multimillionen-Inder von der Investmentbank, tatsächlich Deutsch gelernt? Und wenn ja: Wie gut? Gehört es zur Basisqualifikation eines Deutsche-Bank-Chefs ein Wortungetüm wie  „Finanzmartkstabilitätsverbesserungsgesetz“ akzentfrei über die Lippen zu bringen?

Jain hat tatsächlich kürzlich mit Angela Merkel gesprochen, übernimmt demnächst wohl einen weiteren Geschäftsbereich und bekommt damit mehr Macht. Stimmen aus der Deutschen Bank sagen außerdem, dass an ihm bei der Besetzung des Chefpostens kein Weg vorbei führe. Das ist richtig so und auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich trägt das von ihm geleitete Geschäft aktuell 90 Prozent zum Gewinn bei. Ähnlich wichtig war Jain aber auch schon vor fünf Jahren und wird es auch nächstes Jahr noch sein.

Was aber ist, nur so zum Beispiel, mit Finanzvorstand Stefan Krause? Der ist in Kolumbien geboren, in Deutschland aufgewachsen und damit gemäßigt international (Pluspunkt), hat früher bei BMW in der bodenständigen Realwirtschaft und nicht im Paralleluniversum Bank gearbeitet (2 Pluspunkte) und fährt als Dienstwagen ein politisch-korrektes Wasserstoffauto (3 Pluspunkte). Ist er da in Berlin nicht viel besser vermittelbar?

Das Spiel lässt sich  beliebig fortsetzen. Es mag ja tatsächlich sein, dass Ackermann allen Beteuerungen zum Trotz vor 2013 aufhört. Und sicher wird die Deutsche Bank bei der Nachfolgesuche professioneller vorgehen als vor einem Jahr, als Ackermann eigentlich schon in Rente gehen wollte und mangels anderer Kandidaten dann doch blieb. Aber das heißt noch nichts: Vor einem Jahr wäre der Investmentbanker Jain nach einem Milliardenverlust als Chef noch unvorstellbar gewesen. Wer weiß, wie die Welt aussieht, wenn die Entscheidung wirklich aktuell wird. Die Würfel sind noch längst nicht gefallen. Es darf weiter gespielt werden. 

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