Gaspedalprobleme Auch Toyotas Konkurrenz ist für millionenfache Rückrufe anfällig

Mit dem Rückruf von Millionen Fahrzeugen handelt sich der Autobauer Toyota ein massives Image-Problem ein. Mangelhafte Qualität könnte bald bei weiteren Autokonzernen zu Problemen führen, sagt Autoexperte Thomas Goettle von der Unternehmensberatung PA Consulting Group. Schuld an den Problemen in der Branche sei der enorme Kostendruck.

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Thomas Goettle

WirtschaftsWoche: Herr Goettle, Toyota hat sein Markenimage stark auf Zuverlässigkeit und Qualität aufgebaut. Ist der „Toyota Way“ der Effizienz und Fehlervermeidung in der Fertigung mit Schuld am jetzigen Rückruf-Desaster?

Goettle: Toyota ist in der Vergangenheit immer sehr partnerschaftlich mit seinen Lieferanten umgegangen. Doch in den letzten ein bis zwei Jahren kann man feststellen, dass eine gewisse Kälte in die Lieferantenbeziehungen eingekehrt ist. Es gab enormen Kostendruck. Als Antwort darauf hat Toyota die Modulbauweise, also die Verwendung einer Bauteil-Gruppe in mehreren Modellreihen, konsequent umgesetzt. Dennoch ist das Gaspedal-Thema schon länger bekannt. Das sind möglicherweise Fehler in der Konstruktion, die seither nicht abgestellt wurden.

Der Kostendruck hat das Verhältnis zwischen Toyota und seinen Lieferanten also enorm verschlechtert…

…Genau. Toyota gibt seinen Zulieferern jährliche Optimierungen vor: Wenn ein Teil im ersten Jahr einen Euro kostet, darf es im Jahr darauf nur mehr 95 Cent kosten. Die Zulieferer müssen oft noch die gestiegenen Rohstoffkosten kompensieren. Wenn der Kostendruck so stark steigt, versuchen auch die Zulieferer, neue Quellen aufzutun, etwa in Mexiko, Osteuropa oder in China.

Die Bauteile, wegen denen Toyota Millionen Fahrzeuge zurückrufen muss, sind ja relativ simpel. Ist das Zufall?

Toyotas Strategie ist es, ein Produkt über alle Baureihen einzusetzen, um die Kosten zu senken. Dies erhöht das Risiko für Breitenwirkung bei fehlerhaften Teilen. Ein Gaspedal oder die Steuersensoren dafür haben keine große Komplexität, sind aber klassische Modulteile. Gerade bei solchen Teilen ist der Kostendruck besonders hoch, obwohl sie für die Sicherheit des Fahrzeugs relevant sind.

Die zurückgerufenen Baureihen zeigen auch, dass sich das Problem über mehrere Jahre hinzieht. Das hätte doch im „Toyota Way“ auffallen müssen.

Toyota hat einen gewissen Baukasten und versucht, diese in mehreren Modellen zu verwenden. Der Fehler könnte auch schon in der Entwicklung liegen, und der Lieferant hat das Bauteil nach einer falschen Spezifikation gebaut. In der Regel sollte das von der Konstruktion festgestellt werden. Aber wenn ein Bauteil einmal für die Fertigung freigegeben ist, mag es an einer erneuten Detailprüfung des Baukastens für seinen Einsatz in weiteren Baureihen gefehlt haben. Das ist ein potenzieller Multiplikator des Problems. Hat zudem der Lieferant die Vorgaben von Toyota nicht erfüllt, sollte eigentlich Toyotas Prozess zur Fehlerabstellung greifen.

Toyota galt in der Autobranche jahrelang als Vorbild für effiziente Produktion. Viele Autohersteller haben den „Toyota Way“ kopiert. Können auch andere Hersteller Schwierigkeiten mit fehlerhaften Bauteilen bekommen, die sie dazu zwingen, Autos millionenfach zurückzurufen?

Bei deutschen Premium-Herstellern werden solche Probleme nicht in diesem Maß auftreten. Sie weisen noch keinen so hohen Grad an gleichen Bauteilen auf. Zum Teil gelten bei ihnen auch andere Anforderungen für Lebensdauer und Testvorschriften. Volumenhersteller können aber sehr anfällig für solche millionenfachen Rückrufe sein. Dort werden für den Kunden nicht wahrnehmbare Bauteile zunehmend marken- und segmentübergreifend eingebaut. Zudem stehen die Volumenhersteller auch unter dem höchsten Kostendruck.

Stellen die jetzigen Probleme die sogenannte Plattform-Strategie, also die Verwendung von gleichen Bauteilen in mehreren Modellreihen und Marken, in Frage?

Nein. Die Autoindustrie strebt derzeit nach immer kürzeren Entwicklungszeiten, wofür die Plattform-Strategie erforderlich ist. Im Kleinwagensegment liegt der Modulanteil bereits bei bis zu 80 Prozent. Aber bei Modulteilen müssen die Hersteller in Zukunft verstärkt darauf achten, die Bauteile mehrfach beim Einsatz von Modell zu Modell frühzeitig zu prüfen. Und vor allem müssen die Autokonzerne jene Lieferanten, die Modulteile liefern, stärker integrieren und steuern.

Reichen die aktuellen Kontrollen zur Vermeidung solcher gravierender Sicherheitsmängel aus?

Die Sicherheitskontrollen von staatlicher Seite bei Markteinführung reichen aus. Entscheidend ist auch, dass Hersteller bereits bei ersten Fehlerrückmeldungen aus dem Feld reagieren. Dies vor allem wenn der Kostendruck dazu führt, dass viele Bauteile just in time vom Zulieferer qualitätsgesichert angeliefert werden und beim Hersteller kaum noch Qualitätsprüfungen möglich sind. Intensive und transparente Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Lieferant kann hier positiv wirken.

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