Automobilindustrie Autohersteller nervt die Umklammerung des Staates

Bei den Automobilbauern sind die staatlichen Eingriffe äußerst unbeliebt: Sie fürchten Fehlinvestitionen durch zu starke Lenkung.

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Montagelinie: Die Autobauer Quelle: dpa

Über einen Mangel an staatlicher Aufmerksamkeit kann sich die Autoindustrie nicht beschweren. Im Gegenteil: Den Konzernmanagern geht die fürsorgliche Umklammerung durch die Politiker zunehmend auf die Nerven.

Aktueller Stein des Anstoßes ist die Liebesmüh in Berlin um das Elektroauto. Weil die deutschen Hersteller Hybrid- und Elektroantriebe sträflich vernachlässigten und ins Hintertreffen geraten könnten, glaubt die Bundesregierung seit rund einem Jahr, die hiesigen Autokonzernlenker auf Trab bringen zu müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel gründete im Mai dieses Jahres eine Nationale Plattform Elektromobilität. Mit von der Partie war – halb zog die Regierungschefin ihn, halb sank er hin – der Bundesverband der Deutschen Industrie. Seitdem treffen sich einmal im Monat fast 150 Vertreter aus Unternehmen, Wissenschaft und Verbänden in sieben Arbeitsgruppen, um sich Schlaues zur Elektrifizierung des Autoverkehrs einfallen zu lassen.

Die staatliche Mammutfürsorge für eine bestimmte Branche ist in der jüngeren deutschen Industriegeschichte ebenso einmalig wie zweifelhaft. Die Automanager schicken Abgesandte in die Diskussionsrunden, nicht weil sie großen Nutzen erwarten, sondern um Schlimmeres zu verhindern. „Die Gefahr ist enorm, dass sich die Nationale Plattform Elektromobilität auf die Förderung von Technologien einigt, die nicht die besten oder interna-tional nicht durchsetzbar sind“, sagt ein Arbeitsgruppenmitglied aus der Zulieferindustrie. „Wir sind dabei, um Fehlentwicklungen zu verhindern, die es ohne die Plattform vielleicht gar nicht gäbe.“

Nachdem Henning Kagermann, Ex-Chef des deutschen Softwarekonzerns SAP, als Plattform-Oberhaupt im November einen wenig gehaltvollen Zwischenbericht präsentierte, sollen im kommenden Frühjahr weitere Ideen vorgestellt werden – Ende der Veranstaltung offen.

Dabei ist es nicht einmal zwei Jahre her, dass Deutschlands Autobauer unerfreuliche Erfahrungen mit einem anderen staatlichen Wohltatsprogramm machten: der Abwrackprämie. Als sich Ende 2008 abzeichnete, dass die Finanzkrise auf Deutschlands Paradeindustrie durchschlagen würde, war Berlin schnell zur Stelle. Vor allem auf Betreiben von SPD und Gewerkschaften machte die schwarz-rote Koalition fünf Milliarden Euro Steuergelder locker, um mit 2500 Euro Prämie für jedes verschrottete Auto den Absatz anzukurbeln.

Doch die Stütze war für große Teile der deutschen Autoindustrie vor allem eines: ein Ärgernis. BMW, Daimler und Audi hatten kaum etwas von dem Geldregen aus Berlin. Von den deutschen Konzernlenkern konnte nur VW-Chef Martin Winterkorn wirklich profitieren. Die großen Gewinner waren die Hersteller preiswerter kleinerer Wagen – vor allem aus dem Ausland. Der italienische Autobauer Fiat verkaufte 2009 in Deutschland sensationelle 86 Prozent mehr Fahrzeuge, nicht viel geringer fiel das Plus bei Hyundai/Kia aus Südkorea und Suzuki aus Japan aus. Der Marktanteil ausländischer Autobauer explodierte um fast elf Prozentpunkte auf rund 55 Prozent. Eine weniger kostspielige Senkung der Dienstwagensteuer zur Förderung der Nachfrage nach deutschen Mittel- und Oberklassefahrzeugen war unter Schwarz-Rot nicht mehrheitsfähig.

„Das ist eine Hilfe, auf die man gern verzichtet“, spottet ein BMW-Manager noch heute – und blickt mit Sorge auf das, was die „Nationale Plattform Elektromobilität“ gerade ausbrütet.

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