Fertigungstiefe der Hersteller sinkt weiter Automobilzulieferer: Verfeinerte Methode

Autokonzerne können kein Auto mehr allein bauen. Entscheidendes Know-how liegt heute bei den Zulieferern.

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Wie viele Teile von Zulieferern kommen am Beispiel des Smart Roadster

Das Fließband hat die Form eines Hufeisens. Langsam rollt das Chassis des Smart Roadster durch die Halle. Monteure heften nach und nach immer neue Baugruppen an den Grundkörper, bis der Roadster wie ein Roadster aussieht. Rund 300 Mitarbeiter bauen den Minisportwagen im französischen Hambach im Schichtbetrieb zusammen. 100 von ihnen erhalten ihren Lohn aber nicht von der DaimlerChrysler-Tochter Smart GmbH, sondern von Zulieferern. Diese steuern 90 Prozent der Baugruppen bei, aus denen der Smart Roadster besteht. Bosch beispielsweise baut das Bremssystem samt Stabilisierungsprogramm ESP ein, ZF-Ingenieure verankern das von ihren Kollegen gebaute Getriebe, und Siemens-VDO-Mitarbeiter installieren das komplette Armaturenbrett. Nach drei Stunden Endmontage ist der Roadster fahrbereit. Nur zehn Prozent DaimlerChrysler-Teile stecken im Smart. Während die Fertigungstiefe der Autohersteller 1995 noch bei 40 Prozent lag, sind sie heute nur zu rund 25 Prozent an der Produktion ihrer eigenen Autos beteiligt. Unternehmen wie Continental liefern neben Felge und Reifen die komplette Achse samt Stoßdämpfer. Brose aus Coburg war einst für seine elektronischen Fensterheber bekannt. Heute baut das Unternehmen Türsysteme inklusive Scheibe, Zentralverriegelung und Schloss. Siemens VDO stellt auf der IAA ein Bedien- und Eingabesystem vor, das für Navigation und Radio die Handschrift des Fahrers erkennt. Die Entwicklung ist so weit fortgeschritten, dass Zulieferer wie Karmann in Osnabrück oder die österreichische Magna Steyr komplette Autos in Kleinserie herstellen. In Zukunft sind nicht mehr die Autohersteller diejenigen, deren Know-how die Qualität ihrer Fahrzeuge bestimmen, sondern die Zulieferer. Die Abhängigkeit nehme weiter zu, prognostiziert der Münchner Ableger des Bostoner Strategieberaters Bain & Company in einer aktuellen Studie. „Der Anteil der Fahrzeughersteller am Bau eines Autos könnte auf 12 bis 15 Prozent sinken“, sagt Lorenz Kiefer, Vice President von Bain in München. Autokonzerne erwarten Konzepte - keine Einzelteile Dazu müssen die Lieferanten von Einzelteilen aufrüsten. Die Edscha AG aus Remscheid beispielsweise ist Weltmarktführer bei Türscharnieren und baut Cabriodächer, Lkw-Schiebedächer und Pedalsysteme. Um künftig komplexere Bauteile anbieten zu können, kaufte das Unternehmen vor a einem Jahr den Münchner Fahrzeugentwickler IVM Automotive. „Heute erwarten die Hersteller von uns Konzepte und komplette Baugruppen aus bis zu 600 Einzelteilen“, sagt Edscha-Chef Horst Kuschetzki. Edscha liefert die Dächer des neuen BMW Z4 und des Smart Roadster. Enormer Kostendruck von Seiten der Autokonzerne und damit sinkende Erlöse heizen die Marktbereinigung bei den Lieferanten an. Die reichen diesen Druck weiter an ihre Teilelieferanten: „Wir sind gezwungen, so zu handeln, sonst kommen wir in eine Quetschmühle“, sagt Kuschetzki. Von weltweit über 30 000 Zulieferern im Jahr 1990 werden in sieben Jahren nur noch 3000 übrig sein, glauben Experten. Kleinere mittelständische Unternehmen, die sich keine Monopole in lukrativen Nischen gesichert haben, halten dem Preiswettbewerb nicht stand und bleiben auf der Strecke – oder werden aufgekauft. „Seit März 2000 haben über 40 Milliarden Euro Umsatz den Besitzer gewechselt“, hat Analyst Rolf Woller von der HypoVereinsbank ausgerechnet. „Die Hersteller einiger Modelle haben nur noch die Motorenkompetenz. Alles andere wird zugekauft. Den Anstoß dazu gab Mitte der Neunzigerjahre der damalige Volkswagen-Einkaufschef Ignacio López mit seiner rigorosen Kostensparpolitik.“ Das senkt die Forschungs- und Entwicklungskosten der Automobilbauer.

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  • Automobilzulieferer: Verfeinerte Methode
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