Modebranche Chaos bei Modelabel Wunderkind

Wolfgang Joops gefeiertes Modelabel entpuppt sich als Pflegefall: Die Mehrheitseigner flüchten, ein Investor macht Rabatz – neue Details aus Wolfgangs bunter Wunderwelt.

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Wolfgang Joop zwischen Quelle: dpa

Dass ihr Potsdamer Nachbar, der Designer Wolfgang Joop, einen Hang zur Exzentrik pflegt, war den Eheleuten Gisa und Hans-Joachim Sander klar. Doch als der Modeschöpfer vor ein paar Jahren mal wieder sein Fahrrad auf dem Hof der Sanders abstellte und nebenher ein Geschäft unterbreitete, schien die Idee vernünftig: Familie Sander, Kunstsammler, Unternehmer und Miterben des Wella-Imperiums, sollten sich an Joops Luxus-Modelabel Wunderkind beteiligen. Erst folgte ein Darlehen, dann eine Beteiligung, inzwischen ist ein handfester Nachbarschaftsstreit ausgebrochen.

Denn wundersam ist aus Sicht der Sanders wohl vor allem die Geschwindigkeit der Geldvernichtung bei dem Label. Rund 27 Millionen Euro hat die Familie nach eigenen Angaben investiert. Der Großteil ist weg. „Die Versprechungen und Planungen, die Grundlage für unsere Beteiligung waren, sind nicht mal ansatzweise erreicht worden“, bilanziert Hans-Joachim Sander gegenüber der WirtschaftsWoche und macht dafür auch das Chaos rund um Joop verantwortlich. „Wir wussten teilweise nicht, welche Berater zuständig sind, wer Herrn Joop vertritt und wer eigentlich die Geschäfte führt“, erzählt Sander. Entnervt planen seine Frau und er nun, ihre Anteile an den Finanzinvestor Clemens Vedder zu verkaufen. „Wir wollen uns das einfach nicht mehr antun“, sagt Sander.

Auslöser der Entscheidung war offenbar eine Szene, die sich vor wenigen Wochen in Potsdam, ereignete. Dort hatten sich die Sanders und ihre Vertreter sowie die Wunderkind-Spitze und Joop zum sonntäglichen Krisentreffen verabredet. Sie wollten über die Zukunft des angeschlagenen Unternehmens beraten. Doch ein paar Minuten vor Beginn des Treffens ließ Joop über eine Mitarbeiterin absagen, erinnert sich Sander. Daraufhin hätten seine Frau und er „die Reißleine gezogen“.

Der persönlich Sprecher Joops, Edwin Lemberg, macht derweil Terminmissverständnisse für das Sonntagsdebakel verantwortlich und ist der Auffassung, nicht Joop, vielmehr Sander sei nicht vor Ort gewesen, weshalb sich der Designer gar nicht erst auf den Weg begeben habe.

Konfusion statt Kollektion

Während die Fachwelt Joops glamouröse Roben rühmte, blieb die wirtschaftliche Realität trist. 2008 versenkte die Potsdamer Fashion-Truppe 13 Millionen Euro, 2010 fielen 5,5 Millionen Euro Verlust an. Erst von 2013 an, so die Ansage der Geschäftsführung, seien schwarze Zahlen „nicht unrealistisch“. Ob den Wunderkindern so viel Zeit bleibt, ist fraglich. Joop tat bereits im Januar kund, dass das Geld zur Vorfinanzierung der nächsten Kollektion fehle.

Auf seine bisherigen Investoren kann Joop nicht bauen. Die wollen das „exotische Unterfangen“ beenden. „Bei Joop und uns ist es wie in einer gescheiterten Ehe“, sagt Sander, „jetzt muss jeder alleine glücklich werden.“ Das Ehepaar hat bereits einen Käufer gefunden: Mit dem Finanzinvestor Vedder habe er sich „auf einen Kaufvertrag für unser 65-Prozent-Paket verständigt“, sagt Sander. Innerhalb der kommenden zwei Monate kann Joop allerdings von einem vertraglich fixierten Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Womöglich sei das das eigentliche Ziel der Aktion, spekulieren Branchenkenner: Die drohende Machtübernahme durch Vedder soll Joop zu einem vernünftigen Angebot bewegen. Denn der Finanzinvestor dürfte bei dem Designer ähnliche Begeisterung entfachen wie ein Einkaufsgutschein für den Textildiscounter Kik.

Gemeinsam mit Partnern hat Vedder in der Vergangenheit Unternehmen wie Asko, AVA oder Spar aufgemischt und 1999 über die Beteiligungsgesellschaft Cobra im großen Stil Commerzbank-Aktien eingesammelt, um die Bank so zu einer Fusion mit der Dresdner Bank zu zwingen. Nun also Wunderkind.

"Mit Vollgas gegen die Wand"

Joops Sprecher Lemberg gab sich vergangenen Mittwoch überrascht. Eine formelle Mitteilung der Familie Sander über die Verkaufabsichten liege nicht vor. Zudem habe Joop „kein Schreiben von Herrn Vedder bekommen. Seine Rolle und Funktion im Zusammenhang mit Wunderkind ist uns nicht bekannt.“ Zwischenzeitlich erreichte der Brief aber wohl doch noch den „lieben Wolfgang“.

Vedder macht in dem Schreiben vom 20. Februar deutlich, was er von Joops Mannschaft („Zirkustruppe“) hält. „Der Laden Wunderkind wurde mit Vollgas gegen die Wand gefahren“, schreibt Vedder, rund 60 Millionen Euro seien insgesamt „verbraten“ worden und die Zukunftsaussichten seien „mehr als vernichtend“.

Zwar äußert Vedder Interesse daran, das Unternehmen neu aufzustellen und zu investieren. „Das gelingt aber nur, wenn alle alten, unwichtigen, kostenproduzierenden Mitläufer aus Deinem Kreis eliminiert werden – und zwar sofort.“ Ob Joop an Bord bleibe, müsse er selbst entscheiden. „Mit Dir persönlich gerne, alle anderen müssen verschwinden. Damit meine ich vor allem Deinen völlig haltlosen Presseheini.“

Die Attacke zielt auf Joops Intimus Lemberg, der früher selbst Wunderkind-Mitgesellschafter war, vor allem aber als Lebensgefährte des Designers für Schlagzeilen sorgte. „Es hat den Anschein, man versucht das Ansehen der Marke Wunderkind zu beschädigen“, sagt Lemberg. Vedders Vorwürfe und Forderungen „haben nichts mit der Realität zu tun“.

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