Rheinland-Pfalz Das Nürburgring-Desaster

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck wollte Deutschlands bekannteste Formel-1-Rennstrecke zum ganzjährigen Publikumsmagneten machen. In Wirklichkeit ließ er sich abzocken, und die Kosten explodieren. Die Zeche zahlt das Land. Nach der Wahl wird die EU-Kommission unerlaubten staatlichen Beihilfen nachspüren.

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Eine Luftaufnahme des Quelle: AP

Das letzte Februar-Wochenende war noch ein gutes für den Nürburgring. Die Rennstrecken-Betreiber versuchen sich Umsätze jenseits des Motorsports zu erschließen. Aber mehrere Veranstaltungen in der 3500 Zuschauer fassenden Veranstaltungshalle Ring-Arena musste die Betreibergesellschaft Nürburgring Automotive GmbH während der Wintermonate absagen – „wegen mangelnder Nachfrage“. Da wirkte die Deutsche Judo-Einzelmeisterschaft für Jugendliche unter 17 Jahren Ende Februar fast wie ein Großereignis.

Trotzdem herrscht, während 1500 jugendliche Sportler in der Ring-Arena auf den Matten kämpfen, drumherum überwiegend Ödnis. Ein paar Flaneure verlieren sich vor den Schaufenstern der riesigen überdachten Ladenzeile, des sogenannten Ring-Boulevards. Wen interessieren schon Service-Büros von ADAC und TÜV, das Info-Center des Essener Stromkonzerns RWE zum Thema Energieversorgung oder der Showroom des Autoherstellers Nissan mit drei Sportwagen? Der Klettergarten im Ring-Boulevard ist von September bis März „werktags geschlossen“, verkündet ein Plakat. Auf der neuen Haupttribüne stehen mit hoch geschlagenem Kragen im eisigen Wind einige Besucher – und betrachten ein menschenleeres Panorama aus Start- und Zielgerade, Boxengasse, Eifelbergen und Nürburg-Ruine.

Verheerende Bilanz

330 Millionen Euro hat die rheinland-pfälzische Landesregierung unter SPD-Ministerpräsident Kurt Beck in ein weitläufiges Ensemble von Gebäuden und Freizeiteinrichtungen investiert, um Deutschlands berühmteste, aber defizitäre Rennstrecke mit der legendären Nordschleife in die schwarzen Zahlen zu bringen. Der Versuch, private Investoren zu finden, scheiterte. Anderthalb Jahre und zwei Winter nach der Eröffnung des „Nürburgring 2009“ ist die Bilanz verheerend:

Im Sommer kommen zwar Scharen von Besuchern zum Formel-1-Rennen, zum Truck-Grand-Prix oder zum Kult-Konzert Rock am Ring. Das Ziel aber, in der Nebensaison mehr Umsatz zu machen, hat Beck verfehlt. Ins Winterhalbjahr 2010/11 fielen nur 20 Prozent des Nürburgring-Jahresumsatzes. Nun sind auch die neuen Kapazitäten schlecht ausgelastet.Ein Untersuchungsausschuss im Mainzer Landtag, der Landesrechnungshof in Speyer und die Staatsanwaltschaft Koblenz befassen sich mit Missmanagement und Betrugsskandalen. Massiv in der Kritik stehen auch die Verträge zwischen dem Land und den neuen Ring-Betreibern.Die Opposition in Mainz diskutiert, die nagelneuen Verlustbringer teilweise stillzulegen. Gleichzeitig fordern die privaten Betreiber, das Land als Eigentümer solle nachrüsten und weitere Millionenbeträge investieren, um die Anlagen profitabel betreiben zu können.Die EU-Kommission in Brüssel überprüft, ob das Land den privaten Ring-Betreibern unerlaubte Beihilfen gezahlt hat.Zigtausende von Nürburgring-Fans und lokale Unternehmer laufen Sturm gegen die neuen Betreiber – aus Sorge um den Mythos Nürburgring und um ihr Geschäft.

Noch redet Beck sich alles schön. Zwar räumt er ein, bei dem Finanzierungsdesaster hätte er „die Reißleine ziehen sollen“. Doch nun sei das Projekt mit Kino, Kartbahn und Disco „auf dem Weg zum Erfolgsmodell, das läuft sogar im Winter“.

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