Ludwig Merckle Der Erbe wächst in der Krise über sich hinaus

Der überraschende Selbstmord des Unternehmers Adolf Merckle erschütterte vor einem Jahr ganz Deutschland. Viele rechneten damals mit dem endgültigen Ende des Firmenimperiums. Doch Ludwig Merckle, ältester Sohn des Patriarchen, hat es geschafft, aus dem Schatten seines Vaters hervorzutreten - und weite Teile des Familienkonzerns zu retten.

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Ludwig Merckle hat seine Fähigkeiten als Unternehmer erfolgreich unter Beweis gestellt. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

STUTTGART. Vor gut einem Jahr stand Ludwig Merckle mit versteinerter Miene am Sarg seines Vaters bei der Trauerfeier in der evangelischen Stadtkirche Blaubeuren. Anfang Januar 2009 hatte sich der Unternehmer Adolf Merckle vor einen Zug geworfen. Den drohenden Zusammenbruch seines verschachtelten Firmenimperiums mit 35 Mrd. Euro Umsatz und 90 000 Mitarbeitern konnte der schwäbische Patriarch nicht mehr ertragen. Merckle hatte seine überzogene Expansion kreditfinanziert und wurde so zum prominentesten Opfer der Finanzkrise in Deutschland.

Zur Überraschung vieler hatte der eigenwillige Patriarch seinen ältesten Sohn Ludwig zum Alleinerben gemacht. Obwohl dieser schon 1997 teilweise die Nachfolge seines Vaters angetreten hatte, war es für Ludwig Merckle nie leicht, den hohen Ansprüchen des Vaters zu dessen Lebzeiten gerecht zu werden. Der Patriarch traute dem heutigen Heidelberg-Cement-Chef Bernd Scheifele immer mehr zu als den eigenen Kindern. Nicht Ludwig, sondern Scheifele sollte vor zwei Jahren die Führung der Familienholding übernehmen. Durch die Schieflage des Merckle-Reiches kam dieser Schritt aber nie zustande.

Anfangs sah es so aus, als würde die Familie alles verlieren: Auf Druck der Banken musste Ludwig Merckle die operative Führung der damals mit fünf Mrd. Euro verschuldeten Familienholding VEM Vermögensverwaltung GmbH abgeben. Das Sagen hatten die mehr als 60 Gläubigerbanken, die drei eingesetzten Treuhänder und Restrukturierungsfachleute. Der 44-jährige Merckle durfte lediglich beim Abwickeln helfen, um die Interessen der Familie zu wahren.

Ein gutes Jahr später hat sich die Situation spürbar entschärft - und Ludwig Merckle hat daran einen erheblichen Anteil. Er will beweisen, dass er einen Teil des Imperiums retten kann: "Klar ist, dass es die alte Merckle-Gruppe in dieser Form nicht mehr geben wird. Mein Ziel ist es, möglichst viel von dem zu erhalten, was mein Vater aufgebaut hat", sagte er jüngst in einem Interview. Noch im vergangenen Jahr reduzierte Ludwig Merckle seinen Anteil an Deutschlands größtem Baustoffkonzern Heidelberg Cement von über 79,5 auf knapp unter 25 Prozent. Über zwei Milliarden flossen dabei in die Kasse. Die Schulden der Vermögensholding VEM konnte er dadurch auf unter drei Mrd. Euro drücken.

Sollte jetzt noch der Verkauf des Generikaherstellers Ratiopharm gelingen, des Nukleus der väterlichen Unternehmenssammlung, dann ist die Familie wohl aus dem Gröbsten raus. Der Verkauf könnte noch in diesen Tagen oder Wochen über die Bühne gehen und zwischen 2,5 bis drei Mrd. Euro einspielen. Bieter sind der israelische Generikariese Teva und das isländische Unternehmen Actavis.

Vielleicht bleibt für die Merckles dann noch was in der Kasse übrig, um die schwierige Situation beim hochverschuldeten Pharmahändler Phoenix zu entschärfen. Notfalls müsste auch dieses an die Banken verpfändete Unternehmen noch verkauft werden. Aber den Anteil an Heidelberg Cement mit einem derzeitigen Wert an der Börse von immerhin 1,8 Mrd. Euro hält die Familie weiterhin. Dazu kommen noch die Pistenraupenfirma Kässbohrer mit 176 Mio. Euro Umsatz sowie weitere kleinere Beteiligungen.

Es sieht ganz danach aus, als ob Ludwig Merckle die Fesseln der Banken lösen kann und sich ihm doch noch die Chance eröffnet, selbst Unternehmer zu werden. Ludwig habe einen starken inneren Antrieb, sagen Kenner der Familie. Er wolle beweisen, dass in ihm mehr steckt als nur der Sohn von Adolf Merckle. Der studierte Wirtschaftsinformatiker mit der hohen Stirn und den buschigen Augenbrauen kommt seinem Vater schon äußerlich näher als seine Geschwister.

Mit den übrigen Familienmitgliedern - vor allem mit seiner Mutter Ruth - stimmt er seine Schritte ab, obwohl er das als Alleinerbe nicht müsste, heißt es. Die größte Distanz hat er zu seinem Bruder Philipp, der sich im Herbst 2008 vom Vater losgesagt und aus den familiären Beteiligungen zurückgezogen hatte. Die beiden jüngeren Merckle-Geschwister Jutta und Tobias gingen schon früh eigene Wege, die eine ist Angestellte eines Berliner Technikunternehmens, der andere ist Sozialpädagoge und leitet eine Einrichtung zur Resozialisierung straffälliger Jugendlicher.

Für Alleinerbe Ludwig Merckle ist es ein Riesenerfolg, wenn am Schluss die Familie nicht ganz mit leeren Händen dasteht. Allen Unkenrufen zum Trotz scheint er das zu schaffen. Der alte Glanz und die Macht des väterlichen Imperiums ist aber Geschichte - und wird es wohl bleiben.

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