Medien Der exklusive Leserclub des Tyler Brûlé

Der Zeitschriften-Erfinder Tyler Brûlé wagt sich an ein vermeintlich totes Medium: eine neue, schicke Zeitung. Er schafft das Unvorstellbare und erreicht nach drei Jahren die Gewinnzone. Wie hat er das gemacht?

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Tyler Brûlé Quelle: Foto: Laif

Wenn Tyler Brûlé über den ach so coolen Flachcomputer iPad von Apple redet, muss er kichern: „Haben Sie mal gesehen, was für Verrenkungen die Leute machen, wenn sie bei Sonnenschein auf dem Gerät lesen wollen? Die ziehen sich am Strand Handtücher über den Kopf, damit sie auf dem Bildschirm überhaupt etwas erkennen können.“ Für Brûlé steht denn auch fest: „Alles, was wir am Sommer lieben, ist Gift für das iPad: Sonne, Sonnenmilch, Sand und Wasser.“

Der Kanadier ist einer der prominentesten Zeitschriftengründer und Medienmacher weltweit, der gegen den Trend rudert: Während ein großer Teil der Medienwelt den Touchscreen gleich einer Hostie als künftige Einnahmequelle für digitalisierte Inhalte anbetet, wettet Querdenker Brûlé auf ein uraltes Medium. Er startet die Druckmaschinen und bringt Ende Juli in einer Auflage von bis zu 75.000 Exemplaren eine Zeitung heraus: „Monocle Mediterraneo“.

Das Blatt ist ein Ableger seines Magazins „Monocle“, das seit Februar 2007 erscheint und offenbar gerade in die schwarzen Zahlen kommt. Die 68 Seiten dicke Zeitung soll einmalig an ausgewählten Kiosken rund ums Mittelmeer verkauft werden – von Marokko über Griechenland bis Libanon. Aber auch in Asien, in London, New York und in den Hamptons am Ostende von Long Island soll es das Druckerzeugnis geben. Stolze fünf Euro muss der Leser dafür berappen. Doch dank 19 Anzeigenseiten (unter anderem von BMW, Blackberry und der Schweizer Privatbank Pictet) sei das Blatt, sagt Brûlé, schon profitabel, bevor der erste Leser die Börse zückt: „Es ist faszinierend, wie attraktiv das gute alte Papier noch immer für Anzeigenkunden ist.“ 1000 Leser hätten die Zeitung bereits online bestellt, ehe sie gedruckt ist.

Solide schwarze Zahlen

Brûlé gilt eh als eine Art Wunderkind der Medienbranche. Zwar ist der Journalist, der 1994 als Freelancer in Afghanistan von Maschinengewehrkugeln verletzt wurde und seither den linken Arm nicht mehr gebrauchen kann, auch schon 42. Doch er pflegt den Mythos, der ihm seit der Gründung der Lifestyle-Zeitschrift „Wallpaper“ anhaftet. Er hatte das Edel-Blatt 1996 mit kleinem Geld gestartet, nur ein Jahr später für angeblich 1,6 Millionen Dollar an Time Warner verkauft und die Redaktion fünf Jahre später verlassen.

Brûlé-Publikation

Was Brûlé anpackte, wurde seither zu Gold. Den jüngsten Beweis startete er mit einem Budget von nur 7,5 Millionen Euro – „Monocle“, das zu 70 Prozent ihm und zu 30 Prozent fünf Familienunternehmen aus Spanien, Japan, Schweden, Australien und der Schweiz gehört. Hatte Brûlé 2007 angekündigt, der Titel werde in drei Jahren profitabel sein, kann er gegenüber den Investoren Wort halten: Beim Board-Meeting in Genf in dieser Woche werde er „erstmals solide schwarze Zahlen“ präsentieren, sagte Brûlé der WirtschaftsWoche. Die Auflage von 150.000 vertriebenen Heften sei kräftig gestiegen, ebenso die Zahl der Abos auf 17.000, und selbst die Anzeigenumsätze seien im Krisenjahr 2009 – anders als bei den meisten Medienhäusern – gewachsen. Der Erfolg des gut 200 Seiten dicken Monatsmagazins widerspricht fast allen Medienberater-Weisheiten: Die 25-köpfige Redaktion in West-London wählt ihre Themen nicht stringent, sondern scheinbar willkürlich aus. Sie berichtet über Japans Marine, Südkoreas Medienindustrie, eine grönländische Fluggesellschaft oder die Mailänder Möbelmesse. Der Wälzer ist teuer, für zwölf Euro gibt es so gut wie keine Nachricht, die für Schlagzeilen taugt. Obwohl auf Englisch, ist Deutschland neben Australien hinter Großbritannien und den USA der wichtigste Markt.

Blackberry mit Bändchen

Brûlé kann sich sogar die Frechheit erlauben, seiner Abo-Fangemeinde in England und den USA 50 Prozent mehr für das Magazin abzuknöpfen als die Summe der Einzelpreise für die jährlich zehn Ausgaben. Die Leser zahlen willig, weil sie sich so zur „Monocle“-Community zählen können, zu Konferenzen eingeladen werden und Zugang zu Inhalten auf Monocle.com bekommen. Die Web-Seite gestaltet die Redaktion wie einen Sender: Wöchentlich gibt es Audio-Downloads, Interview-Filme mit Managern und Politikern. Und weil der Auftritt von Marken wie Blackberry und Maurice Lacroix gesponsert ist, arbeitet sie seit Beginn profitabel.

Fürs kommende Jahr plant Brûlé, der weder twittert noch eine Seite auf Facebook unterhält, dafür aber Doppelgänger abmahnen lässt, die es unter seinem Namen versuchen, den Ausbau der Seite. Ihm schwebt ein Dauer-Audioprogramm vor: „Etwas wie die Deutsche Welle – die Monocle-Welle.“ Genug Stoff dafür käme wohl zusammen: „Monocle“ leistet sich den Luxus, weltweit 14 eigene Korrespondenten zu bezahlen. Auch die finanziert Brûlé teils unkonventionell: Wenn in dieser Woche in Hongkong ein eigenes Büro eröffnet, arbeitet der Journalist im Hinterzimmer – vorn befindet sich der mittlerweile fünfte „Monocle“-Shop, im Herbst folgt einer in New York.

Im Angebot hat Brûlé dort neben dem Heft Parfums, Möbel, Edel-Badehosen und Reisetaschen. Und ein auf 100 Stück limitiertes Blackberry-Sondermodell. Das kostet zwar mehr als 1100 Euro. Dafür hat es ein „Monocle“-Lederbändchen.

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