Uhrenhersteller Der neue Taktgeber von Askania

Mit Chuzpe gelang Leonhard Müller der Sprung vom Industriekaufmann zu Berlins einzigem Uhrenhersteller. Wie er bei Askania den Takt angibt.

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Leonhard Müller Quelle: Askania

Der Mann fühlt sich wohl hier. Schwarzes Sakko, rotes Einstecktuch, Designerbrille, dahinter ein Genießergesicht. „Berlin hat uns alles gegeben“, sagt Leonhard Müller mit breitem badischem Akzent. „Ohne diese Stadt säßen wir jetzt nicht zusammen und unterhielten uns über Uhren und Askania.“

Müller hat es geschafft, die legendäre Berliner Marke Askania wiederzubeleben und darüber Unternehmer zu werden. Über 3000 Uhren jährlich, meist in der Preislage zwischen 1000 Euro und 3000 Euro, gehen von seiner Werkstatt in Berlin-Friedenau in die Welt. Askania-Uhren finden sich heute auf allen wichtigen Edelmeilen sei es in Singapur, Hongkong oder in Mexiko Stadt.

Nach über 60 Jahren Pause hat Berlin wieder eine Uhrenproduktion. Und die verdankt die Hauptstadt dem unternehmerischen Impetus, der in den heute 65-Jährigen aus Pforzheim vor zehn Jahren fuhr. Fast 20 Jahre vertrat der gelernte Industriekaufmann den Schweizer Uhrenbauer Revue Thommen auf dem deutschen Markt. Die Marke war seit den Dreißiger-jahren des vergangenen Jahrhunderts für ihre Fliegermodelle berühmt. Doch um die Jahrtausendwende geriet das Unternehmen in Schwierigkeiten und trennte sich von dem Geschäft mit Edeluhren.

Berliner Askania

Der Liebhaber und Sammler von feinem Uhrwerk entschloss sich, seinen Traum zu verwirklichen: eine eigene Uhrenmarke zu gründen. Dass der Markt dafür abgegrast war, entmutigte ihn nicht. Schon Anfang der Neunzigerjahre gab es Kricket-, Golf- oder Arzt- oder Panzerfahreruhren. Doch Müller blieb stur: „Ich brannte für Fliegeruhren, und ich wollte eine alte Marke aus dem Dornröschenschlaf küssen.“

Bei seinen Recherchen stieß er auf die untergegangene Berliner Askania. Das Unternehmen war vor 140 Jahren gegründet worden, beschäftigte um 1930 über 15 000 Mitarbeiter und stellte Geräte für die Landvermessung, Fluginstrumente, Filmkameras und Borduhren her. Im Krieg ausgebombt und danach durch Plünderungen und Demontage geschwächt, ging Askania später an verschiedene Nachfolgeunternehmen.

Anteile statt Bargeld

Müller kaufte die Rechte für die Uhrenmarke von Siemens „für eine überschaubare Summe“. Askania sitzt heute in einer Remise im Hinterhof eines alten Bürgerhauses – nur wenige Meter von den Askania-Höfen an der Bundesallee entfernt, wo das Unternehmen einst zu Hause war.

Gleich der erste Versuch Müllers, Askania-Uhren unters Volk zu bringen, endete als Volltreffer. Er präsentierte erste Prototypen auf der Berliner Luftfahrtschau 2004, ein Jahr vor der Wiedergründung der Marke. Das Interesse war gewaltig.

17 Aktionäre

Fast wäre Askania gescheitert, bevor es die echten Uhren zu kaufen gab. Zwar brachte Müller das meiste Geld für den Start selbst mit, aber es reichte nicht. Da bewies er Chuzpe. Er eröffnete der von ihm ausgewählten Berliner Werbeagentur X-Act, dass er sie nur mit Unternehmensanteilen bezahlen könne. „Zuerst waren wir ganz schön verdutzt“, erinnert sich X-Act-Geschäftsführer Clemens Heilmann, „doch dann fanden wir Müllers Idee, eine Uhrenmanufaktur für unsere Stadt aufzubauen, prima, und sagten zu.“ Inzwischen hat -Askania 17 Aktionäre. Einer von ihnen ist eine Beteiligungsgesellschaft, bei der Kleinanleger mit mindestens 5000 Euro einsteigen können.

Noch ist Askania mit 20 Beschäftigten keine Manufaktur, sondern kauft die Uhrwerke zu, teilweise auch in China. Kritik daran wehrte Müller ab, indem er auf seine Uhren fünf Jahre Garantie gewährt – selbst Spitzenhersteller begnügen sich in der Regel mit drei Jahren.

Dennoch will Müller langfristig fast alle Teile seiner Uhren von eigenen Leuten herstellen lassen. „Diese Stadt verdient eine Manufaktur“, sagt er, „und ich werde alles dafür tun, dass Berlin eine bekommt.“

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