Kontrollgremium Die neuen Sparringspartner im Lufthansa-Aufsichtsrat

Aufsichtsratschef Jürgen Weber baut das Kontrollgremium der Lufthansa tiefgreifend um. Wer die neuen Spezialisten sind.

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Jürgen Weber (l), Quelle: dpa

Lufthansa-Aufsichtsratschef Jürgen Weber lässt sich im Moment vom Satiriker Kurt Tucholsky leiten. „Jede Aktiengesellschaft hat einen Aufsichtsrat, der rät, was er eigentlich beaufsichtigen soll“, lästerte der Scharf-züngige aus den Zwanzigerjahren über den oft zahmen Umgang der Aufseher mit den Unternehmensvorständen.

Davon will der oberste Lufthansa-Kontrolleur, der bis 2003 selbst Konzernchef war, möglichst weit abrücken. „Wir sollen vom Honoratiorenclub zum sehr aktiven Sparringspartner des Vorstands werden und durch Nachfragen oder Anregungen Druck machen“, beschreibt ein Aufsichtsratsmitglied den Richtungswechsel bei Deutschlands Vorzeigefluggesellschaft.

Von der breiten Öffentlichkeit kaum registriert, hat Weber seit 2008 die Vertreter derAktionäre wie kaum ein anderer Dax-Konzern-Chefkontrolleur systematisch ausgetauscht. Während Gremiumsmitglieder etwa beim Reiseriesen TUI eher an Frühstückdirektoren erinnern, strotzt Webers Kollegium vor industrieller Kompetenz.

Fachleute und Industrieunternehmen ersetzen Politiker

Mit der Neuwahl von Martin Koehler von der Beratung Boston Consulting, dem US-Anwalt Robert Kimmitt und Adidas-Chef Herbert Hainer auf der Hauptversammlung Ende April ersetzen Chefs großer Industrieunternehmen und international anerkannte Fachleute die letzten Politiker und Banker. Dabei suchte Weber gezielt Leute wie BASF-Chef Jürgen Hambrecht, die trotz weltweiter Erfahrung süddeutsch-solide Rechner geblieben sind. „Jeder von uns hat künftig ein Aufgabengebiet: Adidas-Chef Hainer die weltweite Entwicklung der Marke Lufthansa und Berater Koehler den Vergleich mit Wettbewerbern“, sagt ein Aufsichtsrat.

Mehr Kompetenz im Rat verlangen, neben dem Aktienrecht, das Mitgliedern größere persönliche Verantwortung gibt, die wachsenden wirtschaftlichen Herausforderungen der Lufthansa. „Will Lufthansa Marktführer bleiben, muss sie stärker von Branchen lernen, die wie die Chemieindustrie bestimmte Anpassungen bereits hinter sich haben“, sagt ein Aufsichtsrat. „Während beim Billigflieger Easyjet Branchenfremde für frische Ideen sorgen, dominierten bei uns bislang Aufsichtsräte ohne Industrieerfahrung und Banker, bei denen man nie sicher war, ob unsere Interna nicht zur Konkurrenz wandern“, heißt es auf Arbeitnehmerseite.

Der neue Rat ist für Experten aber nur eine Zwischenstufe. „Wenn die Lufthansa wirklich zu einem internationalen Unternehmen werden will“, so ein Aufsichtsrat, „braucht sie nicht nur Aufsichtsräte mit Auslandserfahrung, sondern auch echte Ausländer.“

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