Innovationen Ein Tag für eigene Ideen

Unternehmen sind immer auf der Suche nach neuen Ideen und Entwicklungen. Der Internet-Riese Google setzt dabei auf seine kreative Geheimwaffe: Das 20/80-Modell. Die Ikea-Designer hingegen kochen für die Inspiration. Ein Überblick wie Google, Ikea und Toyota nach neuen Erfindungen suchen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Musizierende Roboter von Toyota: Die Maschinen wurden von Tüftlern des japanischen Autoherstellers entwickelt. Quelle: ap

DÜSSELDORF, TOKIO, STOCKHOLM. Die kreative Geheimwaffe ist das 20/80-Modell. 20 Prozent der Arbeitszeit, also einen Tag pro Woche, dürfen Google -Mitarbeiter für ein frei gewähltes Projekt verwenden. Dabei kommen teilweise beachtliche Entwicklungen heraus, die heute Millionen Menschen nutzen. Google-Mail etwa, der Google News Reader oder das Chat-Programm Google Talk.

Anderes verschwindet sang- und klanglos wieder, aber das ist egal. "Scheitern", sagt ein Google-Sprecher, "ist Bestandteil unserer Arbeitskultur. Das ist nicht Ehrenrühriges." So kommt es, dass auch die verrücktesten Ideen ausprobiert werden. Die Zeit für Eigenprojekte wird allerdings kontrolliert. Die Projekte sind nahtlos in die Arbeitsumgebung eingegliedert, müssen im Zielgespräch angemeldet werden. Alle Ideen stehen in einer weltweiten Datenbank, arbeiten andere Teams schon an ähnlichen Ideen, gesellt sich der Neue dazu. Für die 20-Prozent-Projekte stehen dem Mitarbeiter alle Ressourcen zur Verfügung, vom Bürostuhl bis zum Serverzentrum mit tausenden Maschinen.

Im Gegenzug gehört alles, was der Mitarbeiter in der Arbeitszeit entwickelt, am Ende Google. Da unterscheidet sich der New-Economy-Riese nicht von der alten Welt. "Allerdings", erklärt der Google-Sprecher dazu, "gibt es ein sehr ausgeklügeltes Anreiz- und Belohnungssystem. Kommt eine große Idee zustande, wird das nicht der Schaden des Mitarbeiters sein."

Das größte Problem liegt darin, die alte familiäre Atmosphäre im Milliardenkonzern mit über 23.000 Mitarbeitern zu erhalten. Auf internen Veranstaltungen, die eher einem Flohmarkt gleichen als einem IT-Konzern, werden die Projektfortschritte vorgestellt. Bewusst wird hier studentisches Image gepflegt. Kleine Überraschungen sind angesagt, wenn "Umwelttag" ist: Dann finden weltweit alle Mitarbeiter ein Mountainbike an ihrem Schreibtisch, zu Weihnachten gibt es ein Smartphone. Und wer sich privat ein Hybrid-Auto kauft, darf sich 5.000 Dollar Umweltzulage abholen. Das gilt allerdings nur für die Mitarbeiter in Kalifornien.

"Leute mit Fähigkeiten wie wir sie suchen, wollen sich verwirklichen, etwas schaffen, in einer Gemeinschaft wirken", sagt der Sprecher. "Die kann man nicht per Stundenplan zur Arbeit zwingen." Aber Kontrolle ist auch bei Google besser als Vertrauen: Laszo Bock, Google-Personalmitarbeiter, verriet dem Wall Stret Journal, dass es sogar einen Algorithmus gibt, um die Motivation bei der Arbeit am Rechner zu messen. "Wir wissen, ob jemand uns verlassen will, bevor er es selber weiß." Dann kann man versuchen ihn zu halten - oder nicht.

Toyota: "Verrücktsein gehört einfach zum Job dazu"

Nichts ist unmöglich" - dieses Motto gilt auch für die Entwickler von Autobauer Toyota. An futuristischen Gefährten wie aus einem Sciene-Fiction-Film leben sie ihren Spieltrieb aus. Da ist zum Beispiel die "i-Unit". Das spacige Ein-Mann-Vehikel aus Pflanzenfasern lässt die eng stehenden vier Räder auseinandergleiten und bringt den Fahrer aus einer aufrechten Haltung in eine Liegeposition. Das Nachfolgemodell "i-Swing" fährt auf drei Rädern und legt sich dabei in die Kurve.

Fehlentwicklungen sind einkalkuliert. Ein Ei auf Beinen namens "i-Foot", in dessen Schale ein Mensch per Joystick die Richtung vorgibt, wurde seit der Expo 2005 in Japan nicht mehr oft gesehen. Es schaffte gerade mal 1,35 Kilometer die Stunde. Im Hause Toyota, wo täglich an den neusten Möglichkeiten zur Fortbewegung gebastelt wird, genießen Kreative viel Freiraum.

Ein bisschen Verrücktsein gehört für Toyota-Chef-Designer Simon Humphries einfach zum Job dazu. Und in Japan könne man besonders gut erfahren, dass vieles, was merkwürdig erscheint, am Ende doch funktioniert. "Curry in einen Doughnut zu packen - wer denkt denn an so etwas", erzählt Humphries in einem Interview. Was für Japaner nichts Ungewöhnliches sei, habe ihm vor Jahren die Augen geöffnet. Es gehe eben doch: Zwei Sachen zu kombinieren, die nicht zu passen scheinen - "um etwas sehr sehr Neues zu kreieren." Bei Toyota nennen sie es den "J-Faktor" - das "J" steht natürlich für Japan.

Japan ist das Mekka der Entwickler. Denn verrückte Ideen finden sich hier bereits im Alltag genug. Von Autos über Tier-Roboter für Alte bis hin zu Mode und Kosmetik - Trendscouts kommen aus gutem Grund immer wieder nach Japan.

Toyota möchte ein Fortbewegungsmittel entwickeln, das mit der Zeit geht. "Wenn man sein Auto verschrottet", so die Zukunftsvision von Chefdesigner Humphries, "zieht man einfach einen Memory-Stick aus dem alten Auto und schiebt ihn in das neue." Dort sind alle persönlichen Einstellungen und Vorlieben gespeichert. Aber auch die Konkurrenz schläft nicht. In Nissans Designerstuben durften sich die Kreativen am "Pivo II" austoben, einem Oktupus ähnlichen Elektro-Fahrzeug, dessen vier Räder zum leichteren Einparken in alle Richtungen gedreht werden können. Auch "Pivo-chang" ist an Bord. Der kleine Computer lotst den Fahrer nicht nur durch den Verkehr, sondern soll auch E-Mails für ihn schreiben. In einsamen Stunden fungiert Pivo-chang sogar als Gesprächspartner.

Ikea: Designer entdecken Innovationen in der Ideenküche

Mal in den Wald fahren, um den Kopf frei für neue Ideen zu bekommen? "Das müssen wir nicht", sagt Tina Petersson-Lind, "wir sind ja schon im Wald." Die Design-Chefin am Stammsitz des Ikea-Konzerns in dem idyllischen Dörfchen Älmhult in Südschweden hat neue Ideen, um Mitarbeiter aus der kreativen Reserve zu locken. "Wir kochen zusammen."

Der weltgrößte Möbelkonzern Ikea beschäftigt mehrere hundert Designer, die sich regelmäßig zum Kochen treffen. Dabei geht es nicht um Gruppendynamik, sondern vielmehr um einen "Realitätscheck."

Die Ikea-Entwickler verbringen zusammen mit einer ganz normalen Familie einige Stunden in der Küche, um etwaige Defizite bei Produktentwicklungen zu identifizieren. Und um auf ganz neue Ideen zu kommen.

"Viele Familien leben in kleinen Wohnungen, in denen Platzsparen oberste Devise ist", hat die Designerin festgestellt. Ergebnis eines solchen Kochabends: kleine Handtuchhäkchen über Küchenschranktüren. Effizienz wird bei Ikea groß geschrieben. Die meisten Unternehmen, so Petersson-Lind, sähen zunächst nur das Produkt und erst bei der Umsetzung stießen sie auf die Probleme, kostengünstig zu produzieren. Anders bei Ikea: Hier fließen Umweltverträglichkeit, Preis und Verpackung früh ins neue Produkt ein. Petersson-Lind: "Da muss man einfach kreativ sein."

Eine Quelle der Inspiration sind auch die drei von Ikea gebauten Testwohnungen in Älmhult. Dort können sich die Designer richtig ausleben. So wurden dort zum Beispiel extrem schmale Klobürsten entwickelt, die in jede noch so kleine Ecke hinter der Toilette passen. Wie viele Ideen nicht verwirklicht werden, will die Chef-Designerin nicht sagen.

Besondere Kreativität wird bei Ikea nicht extra belohnt. "Das gehört zu unseren normalen Arbeitsaufgaben", meint Petersson-Lind. Allerdings startet der Konzern Ideenwettbewerbe, an denen sich alle Mitarbeiter beteiligen können. Flache Hierarchien und Duzen gehören beim Möbelriesen wie bei fast allen nordeuropäischen Konzernen zum Alltag, ebenso wie Fitnessräume, Massagestühle und Fruchtkörbe. Die werden einmal täglich kostenfrei geliefert. Und wenn den Profis einmal gar nichts mehr einfallen will, berufen sie ganz schnell einen neuen Kochabend ein irgendwo in der großen Ikea-Welt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%