Volkswagen-Führungswechsel Entscheidung zu Pischetsrieder-Ablöse fiel einstimmig

Die Entscheidung zur Ablöse von Volkswagen-Chef Bernd Pischetsrieder ist im Aufsichtsratspräsidium einstimmig gefallen, wie heute bekannt wurde. Audi-Chef Martin Winterkorn soll neuer VW-Chef werden. Offenbar agierte Pischetsrieder bei der VW-Sanierung zu langsam.

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Audi-Boss Martin Winterkorn (rechts) löst Bernd Pischetsrieder (links) als VW-Vorstandschef ab, Arch

Traute Einigkeit herrschte offenbar bei der Ablöse von VW-Chef Pischetsrieder. „Die Entscheidung fiel sechs zu null aus“, sagte eine mit der Situation bei dem Wolfsburger Autobauer vertraute Person aus der Branche heute Mittag. Volkswagen hatte nach einer Sondersitzung des sechsköpfigen Gremiums gestern mitgeteilt, Pischetsrieder werde zum Jahresende durch Audi-Chef Martin Winterkorn ersetzt. Hintergrund für den Führungswechsel soll den Branchenkreisen zufolge Kritik daran gewesen sein, dass die Sanierung von VW nicht schnell genug voranschreite. Der Aktienkurs gab nach Bekanntwerden der Nachrichten jedenfalls leicht nach. Bis 13 Uhr erholte sich der Kurs wieder und reduzierte den Verlust auf 1,7 Prozent. Börsianer hatten die Nachricht anfangs positiv kommentiert. „Die Veränderung kommt überraschend, insbesondere die Nachfolge dürfte mit dem Audi-Lenker jedoch sehr gut gelungen sein“, sagte ein Händler zu der Mitteilung des größten europäischen Autobauers: „Der Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch und Anteilseigner Porsche werden auf diese Lösung gedrängt haben.“ Ein anderer Börsianer meinte: „Winterkorn dürfte vor dem Hintergrund seiner erfolgreichen Arbeit bei Audi bei den Investoren sehr gut ankommen.“ Aber auch von der Ära Pischetsrieder hatten die Aktionäre profitiert: Seit der heute 58-jährige 2002 den Vorstandsvorsitz von Piech übernommen hatte, waren die Stammaktien von ihrem Tief bei 30 Euro auf zuletzt über 80 Euro gestiegen. Skeptische Börsianer Aber die Skepsis unter Investoren und Finanzexperten überwiegt. „Warum geht jemand, dessen Vertrag vor gerade einmal sechs Monaten um fünf Jahre verlängert wurde?“, fragte ein VW-Experte einer Frankfurter Bank. Analysten der Schweizer Credit Suisse sehen mehrere strategische Differenzen zwischen Pischetsrieder und seinem Aufsichtsratschef Piech, der jetzt mit dem Audi-Chef einen langjährigen Vertrauten an die VW-Spitze zurückholt. Denkbar sei ein Zerwürfnis über die künftige Nutzfahrzeug-Strategie, wo VW im Übernahmestreit zwischen MAN und den schwedischen LKW-Hersteller Scania verwickelt ist. An beiden ist VW beteiligt. Auch die Zusammenarbeit mit dem Sportwagenhersteller Porsche, inzwischen mit einem Anteil von knapp mehr als einem Fünftel Großaktionär bei VW, könne ein Streitpunkt gewesen sein, spekulierte Credit Suisse. Piech habe schließlich als Porsche-Miteigner auch die Interessen des Sportwagenbauers im Auge. Die Investmentbank Morgan Stanley bezeichnete Pischetsrieders Rückzug als „Schritt zwei zu einem wachsenden Einfluss von Porsche bei VW“. Denn Winterkorn habe enge Drähte zu den Porsche-Eignerfamilien Piech und Porsche. Auch nach Einschätzung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer gab den Ausschlag wahrscheinlich die vor wenigen Tagen von Porsche erwogene Aufstockung der VW-Anteile auf 29,9 Prozent. Pischetsrieder habe selbst den Schritt zum Rückzug gemacht, um einer späteren Demütigung zuvor zu kommen. Piëch als wahrscheinlicher Drahtzieher Pischetsrieder scheidet zum 31. Dezember aus. Über die Hintergründe wollte sich VW auch heute Morgen nicht äußern. In der lediglich neun Zeilen langen Mitteilung von gestern Abend hieß es nur, das Präsidium des VW-Aufsichtsrates und Pischetsrieder hätten sich „einvernehmlich“ auf die Trennung verständigt. Diese Sprachregelung deutet üblicherweise auf Auseinandersetzungen an der Spitze hin. Aus Porsche-Kreisen war zu hören: „Das kam heute für uns nicht überraschend.“ Dem VW-Präsidium gehört auch Porsche-Chef Wendelin Wiedeking an. Porsche ist derzeit mit 21,2 Prozent größter Anteilseigner von VW vor dem Land Niedersachsen. Offiziell hieß es bei Porsche nur: „wir kommentieren diesen Vorgang nicht.“ Das Präsidium des Aufsichtsrates empfahl die Berufung von Winterkorn zum neuen Vorstandschef von VW. Darüber werde der Aufsichtsrat am 17. November entscheiden, hieß es in der Mitteilung. VW-Aufsichtsratschef ist Pischetsrieders Vorgänger Ferdinand Piëch. Nach Informationen der ARD-„Tagesschau“ soll Piëch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hinter sich gebracht haben, um Pischetsrieder zu entmachten. In einer Sondersitzung habe am Ende nur Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zu ihm gestanden. Schwierige Sanierung der Marke VW Winterkorn ist seit März 2002 Audi-Vorstandschef. Der 59 Jahre alte Manager steht vor einer schweren Aufgabe, denn er übernimmt die Regie in Wolfsburg inmitten der schwierigen und tief greifenden Sanierung des Unternehmens. Europas größter Autohersteller steht unter starkem Druck. Die Marke VW kämpft mit Ertragsproblemen, die das Kerngeschäft des Konzerns im vergangenen Jahr an den Rand der roten Zahlen brachten. Die westdeutschen Werke - Rückgrat der VW-Produktion - hatten einen dreistelligen Millionenverlust verzeichnet. Deshalb hatte Pischetsrieder im Frühjahr der Traditionsmarke eine tief greifende Restrukturierung verpasst. Er stellte zur Sanierung der Marke VW 20 000 Stellen auf den Prüfstand. Bleibt Vorstand Bernhard? Eine zentrale Frage für die eingeleitete Sanierung der Stammmarke VW ist aus Sicht von Morgan-Stanley-Analysten, ob der dafür verantwortliche jüngste Vorstand Wolfgang Bernhard nun an Bord bleibt. „Der Wechsel an der Spitze in einer so sensiblen Phase wirft Fragen über tiefere Konflikte im Management auf“, hieß es einer Kurzanalyse. Bernhard wurde bei Investoren in der Vergangenheit als möglicher Nachfolger Pischetsrieder gehandelt, dessen Vertrag ungeachtet der Streitigkeiten mit Piech im Frühjahr bis 2012 verlängert worden war. Nach Einschätzung von Morgan Stanley nähren die Turbulenzen in der VW-Spitze alte Spekulationen über eine mögliche Rückkehr Bernhards zu DaimlerChrysler. Pischetsrieder bleibt VW erhalten Aufsichtsratskreisen zufolge soll Pischetsrieder nach seinem Ausscheiden aus der Konzernspitze weiter bei dem Autobauer bleiben. Pischetsrieder scheide nicht bei Volkswagen aus, hieß es. „Wir haben intern miteinander besprochen, dass er für Spezialaufgaben zur Verfügung stehen wird“, sagte ein Aufsichtsratsmitglied der Nachrichtenagentur Reuters gestern abend. >> Lesen Sie mehr bei wiwo.de: Vier Ringe im Rückspiegel. Kann die Premiummarke Audi BMW und Mercedes überholen?, aus WirtschaftsWoche 45/2006 Audi-Vertriebsvorstand Weyler im Interview: "Das ist wie zur Goldgräberzeit", aus WirtschaftsWoche 45/2006

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