Deutsche Bahn Felcht wird neuer Aufsichtsratchef

Die Deutsche Bahn bekommt einen neuen Aufsichtsratchef. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Chemiefirma Degussa, Utz-Hellmuth Felcht übernimmt das Amt von Ex-Wirtschaftsminister Werner Müller. Die Bahn fuhr 2009 unerwartet hohen Gewinn von 1,8 Milliarden ein.

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Bald neuer Aufsichtsrat der Bahn: Ex-Degussa-Manager Utz-Helmuth Felcht. Quelle: Reuters

HB BERLIN. Paukenschlag bei der Deutschen Bahn: Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Chemiefirma Degussa, Utz-Hellmuth Felcht, wird neuer Aufsichtsrats-Chef der Deutschen Bahn AG. Das erklärte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer am Sonntagmorgen kurz vor Antritt einer Israel-Reise. Am kommenden Mittwoch soll das Bundeskabinett die Entscheidung absegnen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ramsauer hatten sich zuvor auf Felcht als Nachfolger des scheidenden Chefkontrolleurs Werner Müller verständigt. Einer Meldung der "Rheinischen Post" zufolge hatte Ramsauer zuvor ein persönliches Gespräch mit dem 63-jährigen Chemieprofessor Felcht geführt, der zurzeit Managing Director bei dem Finanzinvestor One Equity Partners ist.

Im Gespräch war bis zuletzt auch noch Heinrich Weiss, der Chef des Anlagenbauers SMS. Der ehemalige Commerzbank-Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller hatte zuvor erklärt, er wolle den Posten nicht annehmen. Amtsinhaber Werner Müller, der unter Kanzler Gerhard Schröder Wirtschaftsminister war, scheidet Ende des Monats aus. Er wird, abgesehen von seinen politischen Präferenzen, nach Ansicht von Regierungskreisen zu sehr mit der Amtszeit von Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn in Verbindung gebracht.

Felcht übernimmt einen Konzern, dessen Ergebnis 2009 trotz Wirtschaftskrise überraschend positiv ausgefallen ist. Es beträgt etwa 1,8 Mrd. Euro, wie das Nachrichtenmagazin "Focus" meldete. Zum Jahreswechsel war die Unternehmensspitze nach Informationen der Nachrichtenagentur DAPD noch von 1,5 Mrd. Euro ausgegangen, ursprünglich eingeplant war nur etwa eine Milliarde.

Im ersten Halbjahr 2009 hatte die DB AG 679 Mio. Euro Gewinn gemacht, bei einem Umsatzrückgang von 14 Prozent. Im ganzen Jahr 2008 waren es 2,5 Milliarden. Die DB-Führung sieht in den überraschend guten Geschäftszahlen "weltweit das beste Ergebnis aller Bahnen in der Wirtschaftskrise", wie das Magazin berichtete.

Allein das Sparprogramm "reACT 09" habe die Zahlen um 600 Mio. Euro verbessert. Die Netzsparte der Bahn, zu weiten Teilen steuerfinanziert, soll nach einer Meldung der "Frankfurter Rundschau" rund 750 Mio. Euro Gewinn abführen, was bereits zu heftigem Protest der Grünen im Bundestag geführt hat. Die DB AG will ihre Bilanz am 25. März in Frankfurt präsentieren. Tags zuvor soll der Aufsichtsrat das Ergebnis absegnen und sich neu personell aufstellen.

Utz-Hellmuth Felcht ist 63 Jahre alt, Professor und ehemalige Vorstandschef des Feinchemieherstellers Degussa ist. Dass sich die Bundesregierung bei der Besetzung des Spitzenpostens im Aufsichtsrat der Bahn ausgerechnet auf Felcht als Nachfolger von Werner Müller verständigte, ist wahrscheinlich keine Empfehlung des derzeitigen Bahnaufsehers gewesen.

Denn vor wenigen Jahren tobte zwischen Müller und Felcht noch ein Kleinkrieg. Es ging um die beste strategische Ausrichtung von Degussa. Müller, in seiner Funktion als Vorstandschef des damaligen Bergbaukonzerns RAG, saß am längeren Hebel; Degussa sollte in die Chemieaktivitäten der RAG integriert und später gemeinsam mit den Sparten Immobilien und Energie als neuer Konzern (Evonik) an die Börse gebracht werden.

Vor sechs Jahren übernahmen die Essener Degussa vom Energieriesen Eon. Felcht hielt dem Feinchemiespezialisten zunächst noch die Stange. Um den milliardenschweren Kauf zu finanzieren, wurde gegen seinen Willen die Sparte Bauchemie verkauft. Felcht war entmachtet, 2006 warf der gebürtige Westfale vorzeitig das Handtuch. Jetzt hat sich Felcht zurückgemeldet: Möglich, dass Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) bei der Besetzung des hochkarätigen Postens bei der Bahn ein entscheidendes Wörtchen mitgeredet hat.

Viele Jahre verbrachte Felcht nämlich in Bayern, unter anderem als Vorstandsvorsitzender der SKW Trostberg. Die damalige Tochter des Viag-Konzerns kam mit der Fusion von Veba/Viag unter das gemeinsame Dach von Eon. Auch nach seinem Abschied von Degussa zog es den Manager zurück in den Süden der Republik - er wurde Partner des Finanzinvestors One Equity in München.

Der nach außen eher spröde wirkende Felcht - Markenzeichen: leicht abstehende Ohren und Lesebrille auf der Nasenspitze - ist durch und durch Naturwissenschaftler. Mit 29 Jahren promovierte er bereits zum Doktor der Chemie und arbeitete an der Universität Kaiserslautern als Assistent. 1977 begann seine berufliche Karriere in der Privatwirtschaft bei der damaligen Hoechst AG.

Hier legte er eine Blitzkarriere hin. Nach einem längeren Auslandsaufenthalt in USA rückte er 1992 in den Vorstand auf. Dort sah er nach der Abspaltung der Chemie für sich aber keine Perspektiven mehr. Felcht wechselte zur SKW Trostberg. Im Zuge des Zusammenschlusses von Veba und Viag kam er durch die Fusion von Veba und Viag zu Degussa. 2001 wird er Vorstandschef des Düsseldorfer Chemiespezialisten.

In seinem neuen Job als oberster Bahnaufseher muss Felcht Fingerspitzengefühl zeigen: Dabei muss er sowohl mit dem Bahnvorstand wie auch dem Bund als Eigentümer und den Arbeitnehmervertretern an einem Strang ziehen. Und als Naturwissenschaftler kennt Felcht das oberste Gebot nur allzu gut: Die Chemie muss stimmen zwischen den Beteiligten.

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