Handelskonzern Geheimplan soll Metro die Wende bringen

Jahrzehntelang waren die deutschen Großmärkte die Cash-Kuh des Handelsriesen. Doch der Kult um die Metro-Karte und superbillige XXL-Packungen verblasst, der Großkrämer ist zu teuer, zu träge und zu vorsichtig geworden. Ein Geheimplan soll jetzt die Wende bringen.

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Metro: Das Geschäft mit den Quelle: AP

Die Geheimwaffe der Metro ist im Stress. Waldemar Schimanski springt aus seinem Lieferwagen, klopft kurz an die Hintertür des Düsseldorfer Restaurants „Meerbar“, schiebt eine Mülltonne zur Seite und dirigiert seinen Wagen noch etwas näher an den Eingang. Kaum öffnet ihm der Küchenchef, wuchtet der 42-Jährige auch schon die ersten Kühlboxen von der Ladefläche: Eigelb im Tetra-pak, eine Stiege Frühlingszwiebeln, Champagner und natürlich frischen Fisch. Zehn Minuten später sind die Kartons in der Küche, Schimanski lässt noch seine Lieferliste abzeichnen und schon geht’s zum nächsten Kunden. Bis zwölf Uhr muss er noch drei weitere Restaurants mit Fisch, Fleisch und Gemüse versorgen. Danach fährt er zurück zu seinem Metro-Großmarkt in der Schlüterstraße und mit neuer Ware wieder raus zur nächsten Lieferrunde.

Mit dem Namen Cash&Carry (C&C), wie das Vertriebskonzept der Abholgroßmärkte im Branchenjargon genannt wird, hat Schimanskis Einsatz nichts mehr zu tun: Metro wird zum Lieferanten. Und das ist nur ein Teil, des „2010plus“ getauften Masterplans, mit dem die deutsche C&C-Geschäftsführung um Harald Fraszczak den Niedergang der früheren Erfolgssparte und Keimzelle des Metro-Konzerns stoppen will. Im Dezember verschickte Fraszczak einen geheimen Strategiebericht an die Führungskräfte seines Unternehmens. In dem Papier, das der WirtschaftsWoche vorliegt, konnten die Manager Details „zur nachhaltigen Umkehr des Negativtrends“ lesen.

Die Großmarkttruppe will den Belieferungsservice auf- und ausbauen, die Preise eindampfen, den Anteil der Eigenmarken am Sortiment steigern und mit Markenartikelherstellern um bessere Konditionen feilschen. Vor allem aber hofft das Unternehmen auf den Erfolg eines völlig neuen Ladenkonzeptes: Im Frühjahr soll die erste von drei Test-Filialen starten, mit denen Metro die Kernkundschaft zurückerobern will.

Ein bisschen wirkte Metro wie ein angesagter Szene-Club

Denn das Geschäft mit Großabnehmern, im Metro-Slang Horeca (Hotels, Restaurants, Caterer) genannt, ist in den vergangenen Jahren regelrecht eingebrochen. Entnervt vom hohen Zeitaufwand und einem Warenangebot in den Märkten, das sich zu stark am Einzelhandel orientiert hat, flüchtete ein Teil der Profi-Kunden zu Spezialanbietern. Andere kaufen vermehrt bei Discountern. Metro ist ihnen schlicht zu teuer.

Dabei galten die schnöden Wellblechhallen jahrzehntelang als Hort der Einkaufsfreude – uneinnehmbare Festungen, hinter deren Pforten sich sagenhafte Preisschlachten abspielten und Einkaufsschätze in Großpackungen dargeboten wurden. Zumindest für all jene, die rein durften. Denn damit die Bosse „nicht vom Fußvolk beim Flanieren in den Hallen gestört werden“, so ein Verdacht im Internet, bekamen nur Selbstständige und Unternehmer die begehrte Lizenz zum Shoppen, den Metro-Ausweis. Tatsächlich sind die Einlassregeln schlicht den gesetzlichen Großhandels-Bestimmungen geschuldet. Doch dass ein Händler potenzielle Kunden aussperrt, verführt zur Legendenbildung.

Ein bisschen wirkte Metro wie ein angesagter Szene-Club: Dass nicht jeder am Türsteher vorbeikam, machte den Laden noch attraktiver. Diejenigen, die reinkamen, berichteten ihren staunenden Bekannten von endlosen Hochregallagern, Konservendosen im XXL-Format und schwärmten von einer märchenhaften Frischfischabteilung, in der Krustentiere aus aller Welt munter in Bassins toben.

Mythos Metro – kaum ein anderes Handelsunternehmen hat die Fantasie der Deutschen so befeuert wie der Düsseldorfer Großkrämer. Und wohl nirgendwo sonst im Handel klaffte zwischen Vorstellung und Wirklichkeit eine derart große Lücke. Dass es in den Metro-Märkten im Grunde zugeht wie in jedem beliebigen Einkaufsbunker von Real oder Kaufland – nur auf Fußballfeldgröße –, sprach sich erst in den vergangenen Jahren herum. Der Mythos verblasste – die Clubtür wurde ein Stück zu weit geöffnet. Ökonomisch ist die Lage nicht minder bedrohlich.

Erhebliche Umsatzeinbußen

Das ganze Ausmaß des Dilemmas offenbart der vertrauliche Strategiebericht von Dezember. Darin durften die Führungskräfte von Deutschland-Chef Fraszczak lesen, dass ihre Gesellschaft – einst „Ergebnisgarant“ und „Cashcow der Metro Group“ – inzwischen „erheblich an Umsatz und Ergebnis eingebüßt“ habe. Einer Abbildung in dem Bericht zufolge sackte der Gewinn der deutschen Tochtergesellschaft vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen binnen fünf Jahren um mehr als 200 Millionen Euro. 2003 verdiente die Metro-Tochter rund 250 Millionen Euro, 2008 waren es nur noch knapp über 30 Millionen Euro (WirtschaftsWoche 5/2009).

Und selbst diesen Wert musste sich die Führungsspitze mit „reichlich Budenzauber“ erkämpfen, wie es ein C&C-Manager formuliert. Um den Umsatz anzukurbeln, lockten die Manager im Oktober etwa ihre eigenen Mitarbeiter mit einem zusätzlichen Personalkauf an die Kassen. Die Urlaubsrückstellungen der Angestellten wurden ebenso eingeschmolzen wie Callcenter-Aktivitäten und Weiterbildungskurse. Selbst die Auflagenhöhe und Seitenumfänge der Metro-Prospekte dampfte Fraszczak ein.

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